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Am Freitagmorgen blitzt die Sonne durch meine Vorhänge, als ich aufwache. Der Gedanke daran, dass ich heute Tomke treffe, füllt meine Welt ebenso mit Licht, wie die Sonne mein Zimmer streifenweise erhellt. Lächelnd strecke ich mich. Lust auf den Tag zu haben, anstatt ihn nur herumbekommen zu wollen, um am nächsten Tag wieder im gleichen Grau aufzuwachen, überrascht mich noch immer. Gleichzeitig ist diese Lebensfreude ein unglaublich erfüllendes Gefühl und ich genieße es von ganzem Herzen.

Da meine Familienmitglieder schon alle aus dem Haus sind, dusche ich ausgiebig und starte ganz langsam in den Tag. Beim Frühstücken höre ich eine Frühlingsplaylist, auf welcher mir das ein oder andere Lied durch Tomke bekannt vorkommt. Die Songs, an denen er mitarbeitet, scheinen doch bekannter zu sein, als ich dachte - jedenfalls im deutschsprachigen Raum. Irgendwie erfüllt mich das mit Stolz. Nicht, weil es mich besser fühlen lässt, dass er mit bekannten Künstler:innen zusammen arbeitet, sondern eher, weil ich mich für ihn freue, dass er seine Leidenschaft so ausleben kann. Vor allem, weil er dennoch ein so bodenständiger Mensch ist.

Da Tomke an Freitagen nur bis dreizehn Uhr arbeitet, ist mein Vormittag gar nicht so lang, insbesondere, weil ich noch einen Abstecher zu seinem Lieblingscafé machen will, bevor ich beim Studio auf ihn warte. So stehe ich bald etwas nervös vor dem kleinen Laden, ehe ich mich selbst dazu überreden kann, ihn sicheren Schrittes zu betreten. Eine kleine Glocke über der Tür erklingt und es ist deutlich leerer als beim letzten Mal, wahrscheinlich, weil es gerade erst Mittags ist.

„Ach, hey, cool, dich wiederzusehen. Möchtest du etwas mitnehmen oder dich setzen?", fragt der gutaussehende Barista, welcher scheinbar aufgrund des Klingelns nach vorn gekommen ist. Heute sitzt eine verwaschene blaue Cap auf seinen blonden Haaren und neben dem ebenfalls blonden Schnauzer ziert ein freundliches Lächeln sein Gesicht. Kurz bin ich überfordert, vor allem, da er mich scheinbar wieder erkannt hat, doch ich bin nicht hier, um mich von dem Anblick eines hübschen Fremden aus dem Konzept bringen zu lassen.

„Ich würde gern etwas mitnehmen", antworte ich also leise, denn ohne Tomke an meiner Seite fällt es mir noch immer nicht leicht, meine unscheinbare Gestalt in meinem Kopf nicht schlecht zu reden - gerade, wenn ein hübscher Mensch seine gesamte Aufmerksamkeit auf mich gelegt hat. Doch ich schaffe es, meinen Blick auf die Auswahl süßer Snacks statt auf den Boden zu richten und entscheide mich schließlich für einen Blaubeer- und einen Himbeer-Schokolade-Muffin. Außerdem bestelle ich zwei Café Latte mit Hafermilch und hausgemachter Karamellsauce, welche der Barista auch sogleich gewissenhaft zubereitet. Zusammen mit den eingepackten Muffins schiebt er mir die fertigen Kaffees über den Tresen. Nachdem ich bezahlt habe, lächelt er mich noch einmal freundlich an. „Liebe Grüße an Tomke", ruft er mir noch hinterher, als ich den Laden gerade verlasse. Dass mir die Erwähnung seines Namens bereits ein Lächeln auf die Lippen zaubert, merke ich kaum noch.

Heute muss ich nicht lange auf Tomke warten, denn schon kurz, nachdem ich mit meiner Beute aus dem Café am Studio angekommen bin, tritt er zusammen mit zwei anderen Personen aus dem Haupteingang. Er scheint mich sofort zu entdecken, denn er winkt mir strahlend zu, ehe er sich mit einem „Bis Montag!" von den anderen beiden verabschiedet, die wahrscheinlich seine Kolleg:innen sind. Dann kommt er mit schnellen Schritten auf mich zu, um mich liebevoll in seine Arme zu ziehen. „Hey", murmelt er gegen meine Schulter, und weil ich ihn aufgrund meiner vollen Hände nicht wirklich zurück umarmen kann, lehne ich meinen Kopf an seinen und schließe kurz die Augen.

„Hey. Ich habe uns was mitgebracht und habe gedacht, dass wir uns vielleicht in den botanischen Garten setzen?", schlage ich vor, als wir uns wieder voneinander lösen. Tomke strahlt erst die Kaffeebecher und Papiertüten, dann mich überrascht an. „Du hast was vom Café für uns geholt?", vergewissert er sich ungläubig. Ich nicke verlegen, bin jedoch mehr als glücklich, dass ihm meine kleine Überraschung scheinbar gefällt. „Das ist so süß, Theo. Danke dir!" Er zögert kurz, dann streicht er einmal sanft durch meine Haare. Ich schmelze fast dahin, und bevor ich vor lauter Verlegenheit etwas fallen lasse, drücke ich ihm einen Kaffee in die Hand. Tomkes sonniges Lächeln lässt meine ganze Seele golden erwärmen und ich weiß nicht, ob ich mich in der Gegenwart eines anderen Menschen je so richtig gefühlt habe.

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