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Auch der restliche Spaziergang verläuft ziemlich entspannt. Überraschenderweise bin ich nicht wirklich aufgeregt, sondern genieße die Unterhaltung mit Tomke mindestens so sehr, wie sein Aussehen, welches ich immer wieder bei mehr oder weniger kurzen Seitenblicken bewundere. Er ist ruhig und doch lustig, schlau und ziemlich interessant. Ich erfahre, dass er einen Master als Tonmeister in Berlin abgeschlossen hat und seitdem als Songwriter arbeitet. Dass er mehrere Instrumente spielt und offensichtlich ziemlich kreativ ist, macht ihn für mich noch attraktiver. Außerdem scheint er ziemlich viel Sport zu machen, und ich komme nicht umhin, ihm dafür relativ zweideutige Komplimente zu machen.

Im Allgemeinen scheint es Tomke nicht zu stören, dass ich mit ihm flirte, wenn ich sein niedliches Lächeln und seine sich immer wieder rötenden Wangen richtig deute. Dennoch geht er selten darauf ein. Mir fällt auf, dass es gerade die körperlichen oder sexuellen Anspielungen sind, zu denen er nichts sagt. Und ehrlich gesagt irritiert mich das ziemlich, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass er mehr als nur körperliches Interesse an mir haben können. Doch diese Gedanken sind nicht vorherrschend in meinem Kopf. Viel eher genieße ich die angenehme Zeit mit ihm und bedauere, als wir wieder in unsere Straße einbiegen.

„Das war schön mit dir", findet Tomke, als wir wieder vor seinem Haus stehen. Seine Wangen sind rot und durch das Licht der Lampe über dem Eingang habe ich einen optimalen Blick auf seine hohen Wangenknochen, sein leichtes schüchternes Lächeln und seine unglaublich blauen Augen. Ich werde nie genug davon bekommen, ihn anzuschauen. Trotzdem möchte ich nicht unangenehm wirken, weshalb ich den Blick auf meine durchweichten Schuhe zwinge.

„Das fand ich auch", gebe ich leise zurück. Tatsächlich war es für mich so unglaublich einfach, mit ihm Zeit zu verbringen. Ich habe gelacht, habe mich kaum selbst in Frage gestellt oder mich in kreisenden Gedanken verfangen. Mit niemanden sonst habe ich eine so leichte Zeit.

„Willst du... sehen wir uns wieder?", wispert er. Ich hebe meinen Blick in seine Augen und kann kaum glauben, dass dieses Blau unsicher scheint. Ich hatte das große Glück, Tomke heute besser kennen zu lernen und fühle mich sehr bestätigt in meiner These, dass er ein unglaublich toller Mensch ist. Aus diesem Grund erscheint es mir vollkommen irrsinnig, dass er meine Motivation für ein weiteres Treffen mit ihm anzweifelt.

„Also von mir aus sehr sehr gern", antworte ich ihm deshalb überzeugt. Sein breiter werdendes Lächeln belohnt mich über alle Maßen. Kurz überkommt mich das Bedürfnis, ihn zu küssen, doch ich zügle mich selbst sofort wieder. Denn selbst, wenn ich davon ausgehe, dass sich niemand in meine Wenigkeit verlieben wird und ich auf Grund dessen immerzu dagegen arbeite, mich selbst zu verlieben, will ich der ganzen Sache mit Tomke irgendwie Zeit geben. Ich weiß nicht ganz, was mich dazu bewegt, doch ich bin mir sicher, dass es sich lohnen wird.

„Von mir aus auch." Tomkes Zustimmung zusammen mit seinem Anblick löst ein weiteres Mal ein warmes Gefühl in mir aus, obwohl mir mittlerweile so kalt ist, dass ich meine Finger und Füße kaum noch spüre. Nachdem ich ihn die letzten anderthalb Stunden immer wieder nur kurz von der Seite angeschaut habe, überfordert mich der frontale Blick auf seine gesamte Schönheit ein wenig. Einen Augenblick verliere ich mich in seinem hübschen Gesicht, dann reiße ich mich erneut zusammen.

„Cool", gebe ich also zurück. Tomke lächelt erneut und ich vergesse beinahe, worüber wir gerade reden. „Wann würde es dir denn passen?", erkundige ich mich dann und klinge dabei entspannter, als mein Innenleben eigentlich aussieht, denn mir wird gerade bewusst, dass ich ihn noch mindestens ein weiteres Mal treffen werde, falls er es sich nicht doch noch einmal anders überlegt. Und obwohl es normalerweise anders wäre, gehe ich bei Tomke irgendwie nicht davon aus.

„Wieder nächste Woche Mittwoch um die gleiche Zeit? Mein Wochenende ist leider schon verplant", erklärt er entschuldigend. „Alles gut", beruhige ich ihm. „Ich freue mich, dass du überhaupt Zeit mit mir verbringen willst", füge ich leiser hinzu.

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