|9-wolken|

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Als ich am Dienstagmorgen aus dem Haus trete, begrüßt mich der Tag mit heller Sonne und glitzerndem Schnee. Zumindest auf den Zäunen, Pflanzen und Dächern liegt dieser mehr oder minder unberührt, während die Straße bereits wieder in ihrem üblichen Grau dieser Herrlichkeit trotzt.

Obwohl es so hell ist, fühle ich mich halbwegs wohl. Durch die kalten Temperaturen sind kaum Menschen zu Fuß unterwegs, weshalb die Stadt leer und ruhig erscheint.

Ich atme tief durch. Meine Lungen brennen ein wenig durch die kalte Luft und lassen mich lebendig fühlen. Die Sonne blitzt zwischen den Häusern hindurch, als ich meinen Weg zur Uni zu Fuß antrete, und obwohl ich heute etwas besser eingepackt bin als gestern, spüre ich die warmen Strahlen auf meiner Haut.

Den Blick abwechselnd auf den funkelnden Schnee und die kleinen flauschigen Wolken im strahlend blauen Himmel gerichtet, fühle ich mich beinhe unbeschwert. Beinahe so, als würde mich das Gewicht all meine Ängste nicht fest am Boden halten. Aber selbst, wenn ich nur beinahe diese Gefühl der Leichtigkeit verspüre, komme ich nicht umhin, vor mich hin zu lächeln.

„Guten Morgen!", begrüßt mich Celina gut gelaunt, weshalb ich ihr zulächle. „Morgen", gebe ich zurück, nicht vor Freude übersprudelnd, aber auch nicht so zurückhaltend wie sonst. Meine Freundin grinst überrascht zurück. „Du siehst gut heute aus, Theo", findet sie. „So... entspannt irgendwie." Ich zucke mit den Schultern, kann ihre Vermutung jedoch nicht abstreiten.

„Freut mich", murmelt sie, als Jannik und Simon zu uns treten. Ich schenke ihr einen dankbaren Blick. Dafür, dass sie normalerweise so neugierig bin, ist sie heute überraschend respektvoll. Und auch, dass sie meine bessere Laune nicht zum Gespräch der ganzen Gruppe macht, erleichtert mich ungemein. Vielleicht kennt sie mich doch besser, als ich glaubte und irgendwie auch hoffte.

In der morgendlichen Vorlesung kann ich mich kaum richtig konzentrieren. Noch haben Tomke und ich keine Uhrzeit für morgen ausgemacht und wenn ich ehrlich bin, traue ich mich auch kaum, ihm zuerst zu schreiben. Immerhin war ich es bereits, der überhaupt nach dem Treffen gefragt hat. Dennoch kribbelt es mir in den Fingern, mit ihm zu schreiben. Nur den Anfang zu machen, bringe ich nicht über mich.

Stattdessen öffne ich immer wieder Tomkes Profilbild, welches ich ziemlich niedlich finde. Darauf ist er zu sehen, wie er mit einem Skateboard unterm Arm, einer hochgekrempelten Jeans und einem oversized verwaschenen Shirt von Pink Floyd vor einem Feld voller Sonnenblumen steht und lacht. Und hätte ich nicht bereits einen Crush auf ihn, so wäre es spätestens jetzt um mich geschehen.

Gerade, als ich mein Handy wieder sperren will, damit die neben mir sitzende Celina nichts sieht, was ich noch nicht zu teilen bereit bin, vibriert das Gerät in meiner Hand. Vor Schreck lasse ich es fast fallen, denn es ist tatsächlich eine Nachricht in dem bisher leeren Chat aufgetaut, welchen ich pausenlos anstarre.

Tomke

Hello! Ich wollte mich mal
erkundigen, wann es dir morgen
passt? Ich kann so ab 17:30.
Liebe Grüße :)

Er ist noch einen langen Moment online, als würde er darauf warten, dass ich ihm sofort antworte, schließlich habe ich seine Nachricht sofort gelesen. Doch ich schaffe es nicht. Zu wenig kann ich glauben, dass er mir tatsächlich geschrieben hat, dass er sich tatsächlich mit mir zu treffen scheinen will, dass er tatsächlich ein irgendwie geartetes Interesse an mir hat. Es kommt mir unglaublich unwirklich vor, denn nach wie vor fällt mir partout kein Grund ein, warum jemand mir gegenüber so fühlen sollte - doch diese tiefe Unsicherheit kann ich im Zusammenhang mit Tomke irgendwie besser zurück unter die Oberfläche drücken als sonst.

Mein Handydisplay verdunkelt sich und schubst mich damit aus dem Schock zurück ins Leben. Ich höre die Dozentin für mich zusammenhangslose Worte sprechen, spüre Celinas fragenden Blick auf mir. Doch mehr als alles anderen Empfindungen drängt sich die Mut, ihm zu antworten, in den Vordergrund. Denn was mache ich mir vor? Treffen will ich Tomke auf jeden Fall, egal, was er darin und in mir sieht.

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