|17-vorsichtig|

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Am frühen Dienstag Nachmittag mache ich mich, nachdem ich ausführlich ausgeschlafen habe, auf den Weg zu Hermann, da sich die Zeit wie Kaugummi dahinzieht. Außerdem habe ich noch immer etwas von meinem Gutschein übrig und war wirklich lange nicht mehr in der Buchhandlung meines Vertrauens. Also besorge ich noch ein paar von Hermanns Lieblingskeksen auf dem Weg, ehe ich diese gemütliche Blase betrete.

„Theo!", ruft der ältere Herr leise aber erfreut, weshalb ich lächelnd auf ihn zutrete und ihn nach kurzem Zögern in den Arm nehme. „Du hast all deine Klausuren hinter dir, oder?", erkundigt er sich, woraufhin ich nicke. Noch immer fasziniert es mich, dass er sich diese Termine besser merkt als meine Eltern, verdränge diesen Vergleich dann jedoch schnell aus meinem Kopf. Immerhin habe ich einen Hermann in meinem Leben.

„Glückwunsch! Und, sind sie gut gelaufen?", fragt der Buchhändler nach. Sein Interesse macht mich nicht im Geringsten etwas aus, weshalb ich fröhlich nicke. „Du weißt ja, dass ich nicht der allerbeste Student bin, aber ich hab dieses Mal das Gefühl, dass ich ganz gut durch alle Prüfungen durch bin", berichte ich, indessen ich ihm die Kekse in die Hand drücke. Hermann lächelt, dann bedeutet er mir, mit in sein Büro zu kommen.

Fünf Minuten später halte ich eine Tasse Kaffee mit Hafermilch in meinen Händen und tausche mich mit dem älteren Herrn über unsere letzten Wochen aus. „Du wirkst wieder ein bisschen gelöster, Theo. Hat es was gebracht, dem Ganzen ein wenig Zeit zu geben?", erkundigt er sich schließlich leise und wirkt dabei ein wenig unsicher, ob er mir mit der Frage nicht zu nahe tritt. Doch ich habe kaum noch ein Problem damit, ihm zumindest grob von mir zu erzählen, weshalb ich mit dem Kopf wiege.

„Das werde ich nachher rausfinden", antworte ich ihm. Hermann legt interessiert den Kopf schief. „Wir hatten irgendwie... eine Art Missverständnis, glaube ich. Das ist jetzt fast zwei Monate her, und ich habe ihn letztens gefragt, ob wir uns mal wieder treffen wollen", berichte ich. „Oh, und das Treffen ist heute?", hakt der Buchhändler aufgeregt nach. Ich nicke erneut und lächle, weil es irgendwie niedlich ist, wie sehr er bei meinen Erlebnissen mitfühlt. Fast, als würde er meine Geschichte in einem Buch lesen.

„Oh, ich hoffe so sehr, dass ihr gut miteinander auskommt und euer Missverständnis klären könnt", seufzt Hermann. „Ich auch", nicke ich, „ich auch. Du wirst es bestimmt erfahren", vermute ich leicht lächelnd. Der ältere Herr grinst mich gerührt an. „Und das weiß ich sehr zu schätzen, Theo. Noch einen Kaffee?"

Es ist zwanzig nach fünf, als ich schließlich wieder nach Hause komme, meine neuen Bücher ablege und noch einmal schnell aufs Klo gehe, ehe ich mit klopfendem Herzen die Treppe herunter stolpere und dann die Straße überquere. Unschlüssig bleibe ich auf dem Bürgersteig vor Tomkes Haus stehen, denn wir haben nicht abgemacht, wo wir uns treffen werden. Ich versuche, nicht in Panik zu geraten, indessen ich auf ihn warte, und rede mir immer wieder ein, dass wir uns nur als Freunde treffen. Doch es ist Tomke, natürlich bin ich aufgeregt.

Um kurz vor halb öffnet sich die Haustür und ich schrecke auf, um augenblicklich in die blauen Augen von meinem hübschen Nachbarn zu schauen. Seine karamellfarbenen Haare blitzen unter seiner Mütze hervor und ein vorsichtiges Lächeln liegt auf seinen Lippen. Kurz bleibt mir der Atem weg, denn Tomke ist einfach wahnsinnig hübsch. Etwas anderes fällt jedoch viel mehr ins Gewicht, denn obwohl die Situation ein wenig unangenehm ist, weil wir scheinbar beide nicht wissen, wie wir uns verhalten sollen, komme ich zur Ruhe, sobald er neben mir steht. Ich bin immer noch etwas nervös, aber nicht mehr panisch. Tomke erdet mich nach wie vor und für einen Augenblick bade ich in dem Gefühl der Sicherheit.

„Hey", murmelt er schließlich, eine gefühlte Ewigkeit später, in welcher wir uns nur in die Augen gestarrt haben. „Hey", gebe ich leise zurück, dann hole ich tief Luft. „Darf ich dich umarmen?" Tomke nickt sofort, weshalb ich einen Herzschlag später einen Schritt auf ihn zutrete und ihn vorsichtig an mich ziehe. Nicht allzu bestimmend, nicht zu romantisch, aber doch nah genug, als dass ich mein Kinn auf seiner Schulter ablegen und kurz die Augen schließen kann. Ich habe ihn wirklich unendlich vermisst.

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