|18-freundschaft|

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Zwei Tage später, am Dienstag, sitze ich mit einem Radler in der Hand in der Wohnung der Zwillinge. Jannik zeigt uns ungefähr sechs verschiedene Oberteile, weil er sich so unsicher ist, was er für die Semesterabschlussparty anziehen soll. Allerdings sind wir keine besonders große Hilfe, sodass sich mein hellblonder Kumpel schließlich für sein häufig getragenes hellgrün und gelb gestreiftes Shirt entscheidet.

„Das steht dir doch super", ermutige ich ihn, weshalb er leise seufzt. „Es soll ja aber den Frauen gefallen", meckert er, wahrscheinlich noch immer enttäuscht über unsere wenig ernsthaften Kommentare während seiner Klamottenwahl. Celina öffnet stirnrunzelnd den Mund, doch Simon kommt ihr zuvor. „Wer sagt denn, das Theo nicht beurteilen kann, ob du darin attraktiv aussiehst?"

Jannik reißt die Augen auf. „Oh, so meinte ich das überhaupt nicht. Das ist irgendwie total falsch rüber gekommen, sorry. Ich meinte das überhaupt nicht so klischeehaft, nur gibts da ja dieses Girl in meinem einen Seminar, wo ich hoffe, dass sie heute kommt..." Er wird ein wenig rot, schaut dann jedoch noch einmal ernst zwischen uns hin und her. „Es ist natürlich voll okay, wenn Theo Männer attraktiv findet. Oder generell, wenn einer von euch queer ist", stellt er dann noch mal klar. Und auch, wenn ich von meinen Freund:innen nichts anderes erwartet habe, bin ich doch erleichtert, das noch einmal so deutlich zu hören.

„Ich hoffe auch, dass heute eine bestimme Kommilitonin von uns kommt", erzählt Celina unverblümt. „Was, wer denn?", will ich neugierig wissen. Meine hellblonde Freundin lacht leise. „Das werdet ihr dann sehen, hoffentlich zumindest. Und ich hoffe auch, dass ich nicht das gleiche Girl hot finde, wie mein Bruder", fügt sie dann grinsend hinzu. Ihr Zwilling starrt sie erschrocken an. „Das wäre irgendwie ungünstig", stimmt er dann zu. „Die, die ich meine, hat so dunkle Locken", berichtet er und im Folgenden tauschen sich die beiden darüber aus, wie ihre jeweiligen Crushes aussehen. Simon und ich werfen uns einen belustigte Blicke zu, indessen die Geschwister herausfinden, dass es sich wohl um unterschiedliche Kommilitoninnen von uns handelt.

„Toni wirds schon mal nicht sein", stellt mein schwarzhaariger Kumpel schließlich fest, weshalb wir ihn überrascht anstarren. „Wer ist Toni?", spricht Celina dann die Frage aus, die uns allen auf der Zunge liegt. Simon grinst und schiebt seine Brille wieder hoch. „Meine queerplatonische Freundin", antwortet er entspannt. „Queer... was?", will Jannik wissen, indessen ich freudig „Du führst eine queerplatonische Beziehung?" rufe.

Simon nickt mir lächelnd zu, ehe er sich Jannik zuwendet. „Queerplatonisch ist so eine Art Sammelbegriff für Beziehungen, die nicht dem typischen romantischen Beziehungskonzept entsprechen. Man ist also nicht nur befreundet, hat aber auch nicht unbedingt diese romantische Verbindung. Trotzdem hat die andere Person für einen Priorität und man steht sich super nahe, wie im traditionellen Beziehungskonzept", erklärt der Schwarzhaarige.

„Krass", findet Celina, die den Begriff scheinbar auch nicht kannte. Simon strahlt uns freundlich an und hat in diesem Augenblick kaum noch etwas von seiner verpeilten Art an sich. „Eigentlich ist es eine ganz normale Sache, nur wird uns von der Gesellschaft von klein auf eingetrichtert, dass man diese eine Art von heterosexueller Beziehung zu führen hat, bei der man verliebt ist, miteinander schläft, irgendwann zusammenzieht und Kinder bekommt. Aber mir war es noch nie so wichtig, diese Erwartungen zu erfüllen, und weil Toni aromantisch ist, passen wir ganz gut zusammen", erzählt er mit leuchtenden Augen.

„Das klingt wirklich schön und ich freu mich sehr für euch. Aber sorry, dass ich so dumm nachfrage, aber was bedeutet aromantisch?", hakt Jannik nach. „Das ist nicht dumm, du kannst ja nichts dafür, dass dir nichts anderes beigebracht wurde", beruhigt Simon ihn. „Und solange du allem offen gegenüber trittst und Leute so akzeptierst, wie sie sind, ist das doch gar kein Problem", schiebt er hinterher, woraufhin Jannik sofort nickt. „Das ist ganz klar für mich", bestätigt er uns.

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