Obwohl wir beide wenig Ahnung vom Backen haben, klappt es ganz gut, da wir uns genau an das Rezept von Celinas und Janniks Mutter halten. Wir haben uns erst einmal nur für die flachen Schokoladen-Cookies entschieden, sodass wir nun am Küchentisch sitzen und dem Teigkugeln im Ofen beim Ausbreiten zusehen. Tomke hat leise Musik angemacht, welche ein nach Indiepop klingt, und ab und zu erwische ich ihn dabei, wie er leise summt.
„Was schreibst du eigentlich so für Songs?", erkundige ich mich unvermittelt. Tomke wirft mir einen schüchternen Blick zu. „Vom Genre her so Indiepop meistens", antwortet er leise. Ich lege den Kopf schief. „Also sowas, was wir grade hören? Warte, hören wir gerade deine Songs?", will ich aufgeregt wissen. Ich weiß nicht genau, wie es kommt, aber ich interessiere mich für jedes Detail, welches ich über ihn erfahren kann. Und obwohl ich nicht viel Ahnung von Musik habe, kann ich doch viel mit lyrischen Texten anfangen.
„Vielleicht ist da das ein oder andere Lied dabei, an welchem ich mitgearbeitet habe", gibt er zu, die Wangen rot, ein scheues Lächeln auf den Lippen, doch seine Augen leuchten stolz. „Aber ich veröffentliche ja nicht so richtig eigene Songs. Meist ist es eher so, dass ich Musiker:innen dabei unterstütze, die Songs zu schreiben und zu produzieren, die sie sich vorstellen", erklärt er. Ich nicke beeindruckt. „Magst du noch mal ein paar Lieder anmachen, an denen du gearbeitet hast?", bitte ich ihn.
Die folgenden zehn Minuten lausche ich mehreren Songs von unterschiedlichen, teilweise ziemlich bekannten deutschen Indie-Bands, welche Tomke mir zeigt. Mir fällt auf, dass die Texte meist ziemlich tiefgründig sind und die Musik einen zusätzlich mitreißt. Natürlich höre auch ich in meiner Freizeit manchmal Musik, doch meist lese ich doch eher und auf beides zugleich kann ich mich nicht konzentrieren. Allerdings kann ich mich in diese paar Lieder richtig reinfühlen, beinahe vergleichbar mit dem Versinken in einer Geschichte.
„Die Plätzchen!", ruft Tomke mit einem Mal aus, weshalb ich aufschrecke. Seine karamallfarbigen Haare wippen, als er von der Arbeitsplatte hüpft und den Backofen aufreißt. „Autsch", macht er einen Moment später, weshalb auch ich aufspringe. „Nicht verbrennen!" Er seufzt und pustet gegen seinen Daumen. „Zu spät", grinst er schief. Kopfschütteln ziehe ich ihn an seinem Handgelenk zum Waschbecken und halte seine Hand unter kaltes Wasser.
„Danke", murmelt er schüchtern und schaut aus seinen tiefblauen Augen zu mir hoch. Erst jetzt fällt mir auf, wie nah wir nebeneinander stehen und streiche einmal ganz vorsichtig über sein Handgelenk, ehe ich es loslasse. Tomke lächelt ein wenig, was sein Gesicht zum Strahlen bringt, und außer dem leisen Rauschen des Wassers ist nichts zu hören. Ich will ihn küssen.
Tomke macht den Wasserhahn aus und dreht sich von mir weg, um zwei Topflappen aus einer Schublade zu holen. Ich blinzel kurz, dann mache ich wieder ein Schritt zu ihm. „Lass mich das lieber machen. Ich will nicht, dass du dir noch mal wehtust", murmel ich. Seine Augen huschen zu mir, ehe er mir die Topflappen in die Hand drückt. „Du bist süß", höre ich ihn leise nuscheln.
Schluckend konzentriere ich mich darauf, die Kekse sicher aus dem Ofen zu befördern. Tomke macht es mir beinahe unmöglich, an die Möglichkeit einer rein platonischen Beziehung zwischen uns zu glauben. Es ist unumstritten, dass ich ihn körperlich umwerfend finde, doch seine irgendwie weiche Persönlichkeit und die Art, wie er mit mir umgeht und wie wohl ich mich mit ihm fühle, lösen Gefühle in mir aus, welche ich nicht wirklich zuordnen kann, obwohl sie mich ziemlich vereinnahmen. Vielleicht will ich sie aber auch nicht zuordnen können. Ich kann jedoch nicht leugnen, dass ich mich im Licht seiner Selbst ziemlich gut fühle.
„Lass mal probieren. Die sind doch bestimmt genug abgekühlt", entscheidet Tomke ein paar Minuten später. Trotz der vorangegangenen Situation ist die Stimmung zwischen uns nicht unangenehm geworden, sondern es fällt mir nach wie vor leicht, mit ihm umzugehen. Nie habe ich mich in der Gegenwart von anderen Menschen selbst so wenig hinterfragt. Es ist, als würde er die kalte Lampe ausknipsen, welche meinen Blick auf mich selbst so kritisch werden lässt, und mich stattdessen in warmes, weiches Licht tauchen.
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Genç Kurgunachtfalter - das einzig besondere an mir bist du. Mein ganzes Leben lang war ich immer der Unscheinbare. Ich entspreche in so vielen Punkten dem Durchschnitt, fühle mich normal oder noch viel eher langweilig. Ich bin weder besonders hübsch, noch sc...