Streit und Offenbarungen

10 1 0
                                    

PoV Arvid:

„ARVID!", donnerte es durch das neue Haus.
Ich hatte es kommen sehen, es würde nur eine Frage der Zeit sein bis die lokale Presse meinen Einbruch drucken würde, aber so früh? Vor Mittag hatte ich eigentlich nicht damit gerechnet.

Ich spürte den Zorn meinen Hals hochkriechen.
Er hatte kein Recht sauer zu sein, wenigstens versuchte ich es, anders als er versuchte ich eine Lösung zu finden.

Die Tür sprang beinahe aus der Angel, so grob schlug er sie auf, keine Sekunde später hat er mir die Zeitung ins Gesicht geworfen.

„Willst du mich verarschen?" ich hörte das Beben in seiner Stimme.
„Willst du mich verarschen? Wir ziehen um, wir tun alles damit du dir deine Zukunft nicht verbaust und dass ist der Dank? Du undankbarer Junge!" die Ader an seiner Stirn pochte, seine Haut färbte sich rot.

Jedesmal wenn er sauer wurde durfte ich dieses Schauspiel betrachten, manchmal hatte ich Angst, dass sie irgendwann platzen würde. Dass der Herzinfarkt weniger weit weg war als er hoffte.

„Willst du nichts dazu sagen?" taxierend musterte er mich, wartend darauf, dass ich etwas sage, etwas was er verwenden konnte um das weiterschreien zu rechtfertigen, aber wenn ich eine Sache in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass es cleverer ist ihn nicht zu unterbrechen.

„OB DU WAS ZU SAGEN HAST?!", schrie er erneut, seine Stimme überschlug sich beinahe.

„Glaubst du ich habe Zeit mich noch um deine Kinderscheiße zu kümmern?
Glaubst du ich hab Zeit neben der Arbeit, dem Haus, dem Umzug, neben ihr, noch deine Scheiße auszulöffeln? WEISST DU EIGENTLICH WAS DU DA TUST?", erneut nahm er Fahrt auf, immer wieder wenn ich dachte er wäre langsam über den Berg schrie er erneut.

„Kannst du deiner Mutter nicht einfach ein wenig Frieden gönnen, kannst du nicht einfach noch ein bisschen ihr Sohn sein, ein GUTER Sohn, ein...!"

„HALT DEN MUND! Halt den Mund", da war er, der Moment in dem er mich hatte, der Moment in dem ich nicht weiter Still zuhören konnte.

„Meinst du das Ernst? Ist das dein ernst Dad? Mir vorzuwerfen ich würde nichts tun? NICHTS? NICHTS? Ich habe zumindest versucht die Chemotherapien zu bezahlen, ich habe das Geld gesucht und nicht 10 Stunden unter Mindestlohn im Büro gesessen. ICH VERSUCHE ZUMINDEST SIE ZU RETTEN! Erzähl mir nichts von schlechtem Sohn, wegen mir lebt sie überhaupt noch, während du nichtmal geschissen bekommst ihre Formulare auszufüll.."

Mein Ohr wurde taub, dann begann meine Wange zu kribbeln.
Ich hatte nichtmal mitbekommen wie er ausgeholt hatte, wie die Tränen voller Trauer und Wut in seine Augen gestiegen waren. Die Tränen von Scham.

„Glaubst du nicht, wir tun das damit du eine bessere Zukunft hast? Glaubst du nicht es tut mir weh sie so zu sehen? Arvid ich kann nicht atmen wenn ich an sie denke, ich kann mich nicht konzentrieren, denn ich gehe kaputt wenn ich mich daran erinner wie sie dort liegt. Aber weißt du, ich darf es mir nicht leisten daran zu zerbrechen, denn ich bin Vater, ich habe verantwortung, nicht nur dafür das Geld für ihre Chemo, für das Krankenhaus aufzubringen, sondern auch die dich großzuziehen, also ich bitte dich ein letztes Mal; Wo ist der Schmuck, sag es mir!"

Unsere Blicke treffen sich, für einen langen Moment. Keiner redet, es ist ein Machtkampf, wir wollen sehen wer es länger aushält.

Ich weiß, dass er kein schlechter Kerl ist, ich weiß, dass er alles tut und trotzdem kann ich beinahe täglich dabei zusehen wie Mom stirbt, ich weiß er tut alles was er zu tun können glaubt, aber das reicht mir nicht und ich weiß, dass er weiß, dass es mir nicht reicht.

„Ich hab ihn nicht." sage ich langsam, kein beben in der Stimme, kein Zucken im Blick, Lügen fiel mir schon immer zu leicht.

„Arvid...!" seufzte mein Dad, streckte mir seine geöffnete Hand entgegen, als sollte ich was hinein legen.

„Ich hab ihn nicht!", wiederhole ich mich, dieses Mal bestimmter.

„Arvid!" auch seine Stimme wird wieder härter, den kurzen Einblick in seine Seele hat er hinter sich gelassen, „du hast 5 Minuten!"

„ICH HAB IHN NICHT!", schreie ich, faktisch ist das richtig, der Schmuck liegt bei Romy, aber auch das musste mein Vater nicht wissen.
Es würde niemals herauskommen.

„NATÜRLICH HAST DU IHN", er riss die Zeitung wieder an sich, es war ein Dilemma, wir konnten nicht ohneeinander und wir konnten nicht miteinander.

Seit meiner Pubertät schafften wir es nicht mehr länger als zehn Minuten ohne uns anzuschreien, es seidenn Mom war da, sie war immer unser Puffer gewesen.

„‚Der Täter trug eine Sturmmaske, wird von der Polizei auf ca 1,80-1,85 geschätzt, die Statur wird als sportlich beschrieben, das Alter auf 16-35 getippt, aufgrund der dynamischen Haltung.
Die Geschwindigkeit und Flinkheit der Finger lässt die Polizisten davon ausgehen, dass dies nicht der erste Einbruch des Täters war'" zitierte mein Vater, „bemerkst du die ein oder andere Übereinstimmung zu deiner Person?" fragte er scharf und ich nickte erneut.

„Aber ich habe den Schmuck nicht, außerdem war ich zur beschriebenen Tatzeit nicht einmal in der Stadt, ich war bei Romy, wir haben gelernt, frag sie ruhig wenn du mir nichts glaubst!"

Und damit ließ ich meinen verdatterten Vater im Zimmer stehen und bahnte mir einen Weg ins Bad frei.

//

Ein erstes PoV Arvid Kapitel, wie habt ihr es empfunden, wie steht ihr zu ihm und seiner Situation?

Romy und Arvid Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt