Kapitel 36

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Es ist früh morgens, als ich meine Augen öffne, wahrscheinlich früher als gewohnt. Als ich mich umdrehe, um nach Ran zu blicken, finde ich mich alleine im Bett vor und ein Blick aus dem Fenster zeigt mir die Morgendämmerung. Müde reibe ich mir die Augen und stehe auf, um mir im Bad eiskaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.
Das Wasser tut gut, und ich wiederhole den Vorgang, bis ich mich wach genug fühle. Meine Augenringe scheinen immer dunkler zu werden. Ich sehe aus wie eine lebende Leiche, wenn das überhaupt möglich ist. Innerlich lache ich über diesen Gedanken und muss den Kopf schütteln.
Die Zimmertür öffnet sich, und ich trete aus dem Bad, um Ran halbnackt zu sehen, wie er sich sein Hemd anzieht. "Du bist wach", bemerkt er, während er auf mich zukommt und seine Arme um mich schlingt. Ich erwidere seine Umarmung nicht, denn irgendwie kommt mir alles immer noch zu schnell und zu komisch vor. Ich verstehe nicht, wieso dieser eigentlich 'sadistische' Ran zu mir so anders ist.
Wir verweilen eine Weile in dieser Position, bevor er sich von mir löst und ins Bad geht. "Ich bin für zwei Tage mit Rin und Sanzu unterwegs", brummt er vor sich hin, kaum hörbar. Als er aus dem Bad zurückkehrt, hält er ein Smartphone in der Hand, und ich ziehe automatisch die Augenbrauen hoch.
"Sei erreichbar, und wenn etwas ist, ruf mich direkt an", sagt er, während er mir einen Kuss auf die Stirn drückt und das Zimmer verlässt. Und jetzt? Was soll ich jetzt bloß tun? Einfach im Zimmer herumvegetieren und nichts tun? Gestern in Rans Abwesenheit konnte ich wenigstens Rindou ärgern, aber nicht einmal das ist jetzt möglich.
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. "Ja?", rufe ich vorsichtig.
"Y/N, wenn du willst, kannst du den Tag mit mir verbringen und mir bei einigen Unterlagen helfen", ruft eine vertraute und angenehme Stimme durch die Tür. Koko. Meine Rettung.
"Ja, natürlich helfe ich dir", rufe ich zurück und gehe zur Tür, um sie zu öffnen. Ich weiß nicht, was Koko an mir gesehen hat, aber sein Gesichtsausdruck spricht Bände, als er mich ansieht. "Y/N, du brauchst dringend mehr Schlaf und Vitamine", bemerkt er und lächelt sanft, bevor er meine Hand fasst und mich mit sich zieht. Ja, selbst ihm bleibt nicht unbemerkt, dass ich wie eine leblose Hülle aussehe.
Wir gehen hinunter in Kokos Büro, und auf dem Weg dorthin spüre ich, wie die Müdigkeit mich überkommt und ich mich fragen muss, wie ich diesen Tag überstehen soll.
Als wir in Kokos Büro ankommen, fällt mein Blick sofort auf den chaotischen Zustand des Raumes. Der Boden ist kaum zu erkennen vor lauter Papierkram, der sich überall stapelt. Koko seufzt leise und schüttelt den Kopf, bevor er sich zu mir dreht.
"Entschuldige das Chaos", sagt er mit einem leichten Lächeln. "Es war eine hektische Woche."
Ich lächle zurück und versichere ihm, dass es kein Problem sei. "Was kann ich tun, um zu helfen?", frage ich und betrachte den Berg von Dokumenten, der vor uns liegt.
Koko reicht mir einen Stapel Papiere und erklärt: "Bitte sortiere diese nach Datum und stapel sie dann übereinander. So behalten wir zumindest etwas Ordnung."
Ich nicke und mache mich an die Arbeit. Während ich die Papiere sortiere, beginnt Koko, an seinem Schreibtisch zu arbeiten, und wir arbeiten in angenehmer Stille nebeneinander her.
Nach einer Weile bricht Koko das Schweigen. "Danke, dass du mir hilfst, Y/N", sagt er und lächelt mir dankbar zu.
"Kein Problem, Koko", erwidere ich und konzentriere mich weiter auf meine Aufgabe. Es tut gut, etwas Sinnvolles zu tun und gleichzeitig eine Pause von den turbulenten Ereignissen der letzten Tage zu haben.
Wir arbeiten eine Weile schweigend weiter, bis der Berg von Papieren endlich gesichtet und sortiert ist. Koko sieht erleichtert aus, als er sich das Ergebnis ansieht.
"Danke, Y/N. Das ist eine große Hilfe", sagt er und streckt sich. "Ich glaube, wir haben uns eine Pause verdient."
Als Koko und ich die Küche betreten, begrüßt uns Takeomi mit einem breiten Grinsen, während er eine Zigarette raucht, die den Raum mit Rauch füllt. Koko schaut ihn empört an und öffnet sofort das Fenster, um den Qualm zu vertreiben.
"Hast du denn keinen Respekt vor der Küche, Takeomi?", ruft Koko ihm vorwurfsvoll zu, während er hustet und sich die Hand vor den Mund hält.
Takeomi lacht nur und winkt ab. "Ach komm schon, Koko, ich dachte, du magst den Duft von frisch geröstetem Tabak!", erwidert er mit einem frechen Grinsen.
Koko schüttelt den Kopf und schimpft weiter. "Das ist ungesund und unhygienisch, du musst aufhören, hier drin zu rauchen!"
Die beiden beginnen eine lautstarke Diskussion über die Gefahren des Rauchens, und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich ihnen zuhöre. Die absurden Argumente von Takeomi und die ernsthafte Reaktion von Koko sind einfach zu komisch.
Als die Diskussion sich etwas beruhigt, bemerkt Takeomi mein Grinsen und zwinkert mir zu. "Siehst du, selbst Y/N findet das lustig, Koko. Vielleicht solltest du auch mal wieder lachen!"
Koko rollt mit den Augen und schüttelt den Kopf. "Das ist nicht lustig, Takeomi, das ist ernst. Rauchen ist keine Lachangelegenheit!"
Takeomi zuckt nur mit den Schultern und pustet einen weiteren Rauchring aus. "Na gut, na gut, ich werde mein Bestes tun, um deine kostbare Küche nicht mehr zu verunreinigen."
Schließlich stellt Koko eine Tasse heißen Kaffee vor mir ab, und ich nehme dankbar einen Schluck. Die Diskussion mag absurd sein, aber der Kaffee ist genau das, was ich gebraucht habe, um mich aufzumuntern. Schritte nähern sich der Küche und ich erblicke Kaku.
Als Kakucho herein kommt, um mich zu begrüßen, umarmt er mich zu innig, und ich spüre, wie meine Unbehaglichkeit steigt. Sein Blick, als er sich gegenüber von mir setzt, ist nachdenklich und intensiv.
"Hey, Y/N, lange nicht gesehen", sagt er und lächelt mich an, aber seine Augen wirken irgendwie anders, als ob er etwas im Sinn hätte.
Ich erwidere sein Lächeln, obwohl mir seine Nähe unangenehm ist. "Ja, schon eine Weile her", antworte ich und versuche, meine Stimme ruhig zu halten.
Koko, der die ganze Zeit still zugehört hat, räuspert sich plötzlich. "Kakucho, ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber hier in der Küche gibt es Überwachungskameras. Ran könnte uns sehen, wenn er einschaltet", warnt er ihn mit einem ernsten Ton.
Kakucho hebt überrascht die Augenbrauen und sieht sich um. "Das weiß ich, klar.", murmelt er und sein Blick fällt auf mich. "Entschuldigung, ich wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst."
Ich nicke knapp, dankbar für Kokos Eingreifen. Die Vorstellung, dass Ran uns beobachtet, ist unangenehm genug, aber die Tatsache, dass Kakucho sich so nah an mich herangetraut hat, macht mich noch nervöser.
Koko wechselt schnell das Thema und lenkt die Unterhaltung auf belanglose Dinge. Ich bin erleichtert, dass die Spannung etwas nachlässt, aber gleichzeitig frage ich mich, was Kakucho wohl im Sinn hatte und ob ich ihm wirklich vertrauen kann.

Schicksal in Bonten: Zwischen Macht und VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt