4. Mona

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Nachdem wir in Monaco angekommen sind, beschließe ich erstmal eine Runde Laufen zu gehen. Ich muss mir nach dem Flug die Beine vertreten, aber genau so muss ich meinen Kopf frei bekommen.
Leah räumt in unserem kleinen Apartment ihren Koffer aus und richtet sich für den nächsten Monat schon ein.

„Sendest du mir noch deine GPS Daten?" fragt sie, ohne mich anzusehen. Ich muss schmunzeln. Von meinen Gefühlen geleitet gehe ich zu ihr und umarme sie mit einem Arm. „Du bist die beste." Ich grinse Leah an und sie erwidert meine Freude. „Ich weiß." sagt sie schulterzuckend und muss sich ihr Lächeln verkneifen.

Monaco ist warm. Heiß, besser gesagt und mir läuft der Schweiß über die Stirn. Aber es fühlt sich körperlich so gut an, mich zu bewegen. Während meines langsamen Laufs entscheide ich mich ein paar typische Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Neben dem Casino in Monte-Carlo wo haufenweise teure Autos stehen, laufe ich auch am Yachthafen entlang und bekomme direkt Gänsehaut.
Jemand winkt am Steg und ich gehe davon aus, das ich nicht gemeint bin. Von weitem sehe ich einen großen Mann mit längerem braunen Haaren. Er ist ganz in Leinen gekleidet und winkt immer noch.

Ich nehme einen Kopfhörer aus dem Ohr um vielleicht eine zweite Stimme zu hören, die ihm antwortet. Aber stattdessen ruft dieser Mann meinen Namen..
„Mona? Mona bist du's?" Ich lasse mich langsam auslaufen und erkenne, dass es Carlos ist, der mir zuwinkt. Er hat sich damals bei der Gala mir vorgestellt. Das einzige was sich verändert hat, sind seine Haare. Anscheinend hat er diese geschnitten, denn sie sind ein gutes Stück kürzer.
Kurz stütze ich mich auf meinen Knien ab um nach Luft zu ringen.
„Geht's dir gut?" vergewissert Carlos sich mit einem scherzhaften Lachen. Es muss vermutlich katastrophal ausgesehen haben. Ich habe mehrere Wochen nicht mehr richtig trainiert, was sich in meiner Leistung bemerkbar macht. „Ja" antworte ich kurz, mir fehlt die Luft. Ich richte mich auf und halte mir eine Hand schützend über die Augen, damit ich ihn besser sehen kann.
„Was machst du hier?" will er wissen. Dabei klingt er neugierig.
„Arbeiten." antworte ich wieder bündig, aber als er mich etwas fragend anschaut, fällt mir auf, das wir so nie miteinander gesprochen haben. Erst jetzt trifft mich auch die überraschende Erkenntnis, dass Carlos mich abgepasst hat um mit mir zu sprechen.
„Ich mache ja drei Monate work und Travel und den letzten Monat bin ich hier in Monaco eingeteilt." Hänge ich nach ein paar tiefen Atemzügen hinterher.
„Daher auch bei meiner Yacht.." murmelt er vor sich hin, aber so, dass ich ihn hören kann.
„Ja genau, hauptsächlich als Kellnerin, als Nebenverdienst zu meinem Studium." ergänze ich seine Gedanken und er sieht mich nickend an.
„Und du?" frage ich reflexhaft, als er mir nicht mehr antwortet.
Carlos stößt ein kleines Lachen aus und zeigt mir einem Finger hinter sich. Als ich dem Blick folge, sehe ich seine Yacht. Im Tageslicht sieht sie noch größer aus, als am Abend. Das Carlos nicht arbeitet, neben der F1, hätte ich mir denken können.

„Moment mal.." Ein Puzzleteil setzt sich in meinem Kopf zusammen. Natürlich ist das nächste Rennen hier in Monaco. Die vielen Touristen am Casino ergeben einen Sinn. „ist dieses Wochenende das Rennen hier?" frage ich ihn so als würden wir uns bereits Jahre kennen.
Carlos nickt. „Ja daher genieße ich noch ein paar Tage Ruhe, auch wenn hier schon viele Fans sind." er lächelt verlegen.

Meine Kostprobe in die Presse habe ich eigentlich soweit bereits vergessen, daher kann ich es mir nur ausmalen wie anstrengend das dauerhaft sein muss.. Ich lächle Carlos an. „Dann will ich dich nicht länger davon abhalten!" sage ich freundlich und gehe ein paar Schritte weiter, sehe aber noch zu ihm falls er noch etwas sagen möchte.
„Einen guten Lauf!" Ruft er mir nach und ich bedanke mich, als ich die Kopfhörer wieder aufziehe.

Richtig realisieren kann ich es nicht. Ich habe mit einem Rennfahrer smalltalk gehalten. Aber es hat sich gut angefühlt, vorallem bei dem Fakt, dass ich so gut wie keine Freunde habe. Der kurze Gedanke kommt in mir auf, mit Carlos befreundet zu sein. Schnell streite ich diesen aber ab und konzentriere mich auf meinen Lauf. Wer will schon was mit einer Kellnerin zu tun haben, wenn man eine millionenschwere Yacht im Hafen liegen hat?...

Geduscht und schick gemacht, stehen wir vor dem Apartment-Komplex von Henry. „Hallo?" spricht Claras verzerrte Stimme durch die Sprechanlage. Als sie unsere Stimmen hört, macht sie die Tür auf. Das Gebäude ist unscheinbar von außen, aber innen strahlt selbst der Flur. Die hohen Decken und der dazu passende Stuck fesseln mich für einen Moment. Leah steht im Torbogen und verfolgt meine Blicke, als würde sie nach dem Zauber suchen, den ich erkenne.
„Na los komm, ich hab n Mords Hunger." drängelt Leah und hält sich die Hand auf den Magen.

Nachdem wir den Aufzug verlassen haben, muss ich mich wieder umsehen. Henrys Einrichtung ist schlicht und stylisch. Das Interieur ist meist weiß oder beige, er hat farbliche Akzente eingebaut. Leah hält sich die Hand vor den Mund und ich folge ihr durch den Hausflur in den offenen Küchen und Essbereich, als ich den Grund ihrer Reaktion sehe. Über dem Tisch hängt ein altes Formel 1 Auto an der Decke.
Ich stoße ein scherzhaftes Lachen aus und sehe Henry und Clara an, die sich bereits wieder dem Essen in der Küche gewidmet haben. Der Ausblick aus den großen Fenstern im Wohnzimmer, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Clara schreit dies zu merken und nimmt mich kurzerhand an die Hand und zieht mich mit.

„Oh wow.." reagiere ich, als sie den Vorhang ganz öffnet. „Krass oder? So habe ich auch reagiert!" stimmt sie mir zu und stellt sich etwas näher neben mich. Die beige Couch ist zwar riesig, aber doch unscheinbar, da der Rote Wohnzimmer Tisch mir ins Auge fällt.
„Henrys Apartment ist echt ein Traum!" Schwärme ich und sehe Clara an.
„Ja oder, ich will nicht wissen wie viel das kostet.." flüstert sie mir zu und ich muss unwillkürlich lächeln.
„Mona, ich muss dir noch was erzählen." beugt sie sich zu mir ans Ohr. Mir läuft ein Schauer über den Rücken und ich halte meinen Blick stur durch den gebogenen Türrahmen, während Clara weiter spricht.
„Ich habe mich auch von unten hoch gearbeitet." Sie klingt richtig stolz. Ich versteh nur nicht genau warum sie so flüstert. Als ich sie ansehe hat sie die Lippen aufeinander gepresst und ihre Hände zusammengefaltet an ihr Kinn gelegt. Ich sehe sie fragend an, erwarte von ihr, dass sie weiter erzählt. „Nur habe ich.. naja.. anders gehandelt." Jetzt verstehe ich garnix mehr. Was meint sie damit, die hat ‚anders gehandelt'? Ich hole Luft und halte kurz inne bevor ich nachfragen wollte.

„Was lästert ihr zwei da hinten?" ruft Henry spielerisch aus der Küche zu uns und wirft immer wieder einen Blick durch die geöffnete Tür, als er die Töpfe auf den Tisch stellt. Clara drückt mir sanft die Schulter und wirft mir ein „wir-reden-später-weiter" Blick zu.

Meilenweit entfernt (Teil2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt