Endlich sehe ich sie. Mona kommt langsam auf mich zu und stellt sich nah an meinen Kopf, damit sie mich besser sehen kann.. oder eher andersrum. Gott bin ich froh, wenn ich diese kacke von meinem Hals bekomme.
Mein Vater stellt sich zu Henry und anscheinend reden sie zwei etwas. Beide sind aber so leise, dass ich sie nicht verstehen kann. Außerdem habe ich grade nur Mona in meinem Kopf. Ihr Blick ist gefüllt mit Wehmut und Sorge. Selbst mit ihren Augenbrauen zusammen gezogen und einem verweinten Gesicht ist sie einfach wunderschön. An meinem Zeigefinger hängt noch der Pulsmesser, aber ich muss sie berühren, ihre Haut spüren. Meine Finger streichen über ihre Wange und sie gibt sich der Berührung hin. Sie schmiegt sich an meine Hand und schließt kurz die Augen. Es fühlt sich so an, als würde sie tief durchatmen und ich kann ihre Erleichterung spüren. "Ich hatte solche Angst." flüstert sie so leise, dass ich es fast nicht gehört hätte.
Sie schaut über ihre Schulter, als mein Vater, Henry und Clara sich entschuldigen und uns alleine lassen. "Mona", wiederhole ich mich zum dritten mal und als sie mich ansieht, realisiere ich, wie sehr ich sie eigentlich mag. Das Gefühl, dass sie sich um meine Person sorgen macht, lässt wärme in mir aufsteigen. Natürlich habe ich eine Wunderbare Familie die in jeder Situation hinter mir steht, aber das Gefühl, welches Mona mir vermittelt, ist ein gänzlich anderes.
"Ich habe es gesehen.. alles.. ich dachte du stirbst..ich.." sie sprudelt wie ein Wasserfall. "Bin ich aber nicht." Unterbreche ich sie, so laut es mir meine Stimme ermöglicht. Ihre Augen brennen sich in meine und sie setzt sich etwas aus die Bettkante. Meine Hand lasse ich durch ihre Haare spielen als sie tief Luft holt, um ihre Emotionen zu zügeln. "Du hast keine Ahnung, was du mit mir anstellst, Mona!", beginne ich. Wenn ich ihr jetzt nicht meine Gefühle und Gedanken sagen kann, wird es wohl kein passenden Moment mehr geben. In diesem Moment bin ich mir so sicher wie noch nie. Ich brauche Mona. Ihre Anwesenheit bringt das gute in mir zum Vorschein und ich kann mein Image ablegen und einfach ich selbst sein. Ich möchte ich selbst sein, für sie, aber vor allem für mich!
"Ich habe mich entschieden.." sie pausiert und ihr Gesicht verrät mir nichts gutes. Fuck..
"Lando, die letzen Monate meines Lebens waren eine Qual für mich. Mein Leben hat sich einmal komplett gedreht, als ich die Dokumente gefunden hatte. Das meine Eltern mir auf meine Fragen keine Antworten geben konnten, habe ich ihnen bis vor kurzem vorgehalten. Mir ist aufgefallen, dass ich ihnen aber auch keine Chance gegeben habe, dies zu tun.. ich bin weggelaufen.. Mein Lichtblick, das Work und Travel mit Luise, wurde mir über eine Lüge auch genommen. Meine ehemalige beste Freundin und meine erste Liebe haben mich so verletzt, dass.. dass ich weggelaufen bin.. Ich habe mich von dir meilenweit entfernt, nachdem du mich.. naja.. ich verdränge diesen Tag am liebsten." sie atmet so schwer, dass ich das Bedürfnis habe sie in den Arm zu nehmen. Ich will sie halten, ihr den halt geben, den sie jetzt braucht. Verfluchte Scheiße. Sie darf nicht gehen. Ich kann sie nicht nochmal verlieren.
"Ich muss in meinem Leben jetzt einiges anders machen. Ich kann nicht immer abhauen und hoffen, dass meine Probleme damit ebenfalls verschwinden. In einem anderen Land lösen sich auch keine Probleme in Luft auf.." Jetzt senkt sie den Blick und ich sehe eine Träne über ihr Gesicht rollen. Aber ich bin verwirrt und verwundert über ihre Worte. Was meint sie damit? Will sie gehen? Ich beschließe nichts zu sagen und ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken weiter auszusprechen.
"Ich habe beschlossen mein Leben aufzuräumen. Aber dafür muss ich zurück nach England und bei meinen Eltern anfangen. Ich muss ihnen die Möglichkeit geben, sich zu erklären. Ich habe viel zu schnell reagiert und ich glaube ich bin bereit mir ihre Sichtweise anzuhören." sie zuckt etwas mit den Schultern, blickt danach wieder in mein Gesicht.
"Ob ich Luise und Patrick jemals verzeihen kann, weiß ich jetzt noch nicht, aber ich möchte trotzdem mit ihnen reden um auch ihre Erklärung anzuhören.. Aber..", Gedanklich bereite ich mich auf den schlimmsten Schmerz am heutigen Tag vor. Ich stelle mich darauf ein, dass sie ohne mich geht. Mir schießt wärme durch den Körper und ich habe das Gefühl ich kann nicht mehr Schlucken.
"Aber ich habe mich auch für dich entschieden. Für uns. Ich liebe dich, auch wenn du mir auch wehgetan hast. Wenn ich mein chaotisches Leben aufräume, gehörst du auch dazu. Ich kann nicht auch vor dir weglaufen."
Mein Mund steht offen, weil ich genau das Gegenteil erwartet habe. Ihre Worte hallen in meinem Kopf wieder, 'Ich liebe dich'. Immer und immer wieder und ich merke wie meine Mundwinkel nach oben wandern. Die Erleichterung in meiner Brust fühlt sich an wie ein Feuerwerk. "Du liebst mich also?" Frage ich sie sarkastisch, aber um ehrlich zu sein, fällt mir einfach nichts besseres ein. Ich bin schlichtweg überfordert mit diesen letzten Stunden und meinem Gefühlschaos im inneren. Sie grinst jetzt auch und haut mich spielerisch in die Seite. Ich stoße einen schmerzerfülltes grunzen aus und sie sieht mich direkt wieder bemitleidend an.
Ich hebe meine Hände an ihre Wangen und bemühe mich meinen Kopf so weit wie möglich zu ihr zu bewegen. Ich muss keine kraft anwenden, um ihren Kopf zu meinem zu ziehen. Ihre Augen wandern zwischen meinen schnell hin und her. Einen Augenblick genieße ich diesen Moment. Unsere Gesichter wenige Zentimeter auseinander, wie ich ihren Atem auf meinem Lippen spüren kann, wie glücklich ich bin in dieser Miserablen Situation. Als ihr Blick für eine Sekunde auf meine Lippen springt, lege ich meine auf ihre.
Mein Herz springt mir fast aus der Brust, als ich ihre Lippen auf meinen spüre. Dieser Kuss ist unglaublich gefühlvoll und weich. Unsere Emotionen spiegeln sich in diesem wieder und für diesen Moment vergesse ich alles um mich herum. "Ich liebe dich auch." flüstere ich an ihre Lippen, nur so leise, dass sie es hören kann.
Eine Schwester öffnet schwungvoll die Türe und Mona zieht sich erschrocken zurück. Mona ist diese Situation unangenehm, denn sie läuft rot an. Mit einem lauten ausatmen rolle ich die Augen, kann mir das lächeln aber nicht verkneifen. Ich verfluche diese Pflegerinnen jetzt schon.
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Meilenweit entfernt (Teil2)
Hayran Kurgu-Der härteste Kampf ist zwischen dem, was du in deinem Kopf weißt, und dem, was du in deinem Herzen fühlst.-