10. Darf ich?

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Neben einem Kaffee, konnte ich noch ein Kleid in einem kleinen Laden ergattern. Hier in Barcelona sind scheinbar alle im Renn-Fieber. Ich kann zwar kein Spanisch, aber hier können glücklicherweise viele Leute Englisch.

"Scheinbar sehe ich auch einfach typisch amerikanisch aus." sage ich lachend und denke an den Verkäufer zurück, der direkt auf seine Amerikanische flagge gezeigt hat, nachdem ich den Laden betreten hatte, als ich den dünnen Stoff des weißen Kleides über meine Oberschenkel ziehe. Eva sitzt auf ihrem Bett und sieht katastrophal aus. Ihre Haut ist total Blass und sie gibt mir nur flüchtig einen Daumen hoch, als Reaktion auf meine neue Errungenschaft. Beim Blick in den Spiegel bin ich echt froh, dieses Kleid mitgenommen zu haben. Die dünnen Spagettiträger schmeicheln meinen doch muskulären Schultern und lassen sie feminin wirken. Es ist bis zur Taille enger geschnitten und fällt dann leicht über meine Hüften.

"Ich kann mich jetzt nicht zwei Stunden da hin setzen." Eva stöhnt und lässt sich zurück in ihr Bett sinken. Über meine Schulter sehe ich sie an, drehe mich dann aber doch mit meinem Körper zu ihr und setzt mich an den Bettrand. "Kein Problem Eva, ich schreib mit und erzähle dir dann alles." Vermutlich hat sie sich erkältet oder sich während dem Flug was eingefangen. Mitfühlend streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und lege meinen Kopf zur Seite, bevor ich aufstehe und leise in meine Zimmerhälfte gehe.

Bevor ich zum Info-Abend gehe, will ich mich wenigstens noch kurz ausruhen. Naja, zumindest kann ich die halbe stunde noch entspannt auf dem Balkon genießen. Eva hat zwar die Rennstrecke auf ihrer Seite, ich hingegen den Sonnenuntergang. Ich atme einmal tief durch und genieße den Moment, als eine brise kühlere Luft ankommt. Auf meinem Balkon stehen zwei Stühle und ein kleiner runder Tisch. Auf einem nehme ich Platz und lege mein Handy in meinen schoß, bevor ich die Beine auf den anderen Stuhl lege. Unbemerkt bin ich weiter gelaufen, als ich eigentlich wollte und jetzt schmerzen mir die Füße etwas. Um die Zeit zu überbrücken, öffne ich Instagram und es öffnet sich die unbeantwortete Nachricht von Lando. Shit. Ich habe mich über ihn aufgeregt, weil er nicht antwortet und sein Ego zu groß dafür ist und jetzt bin ich kein stück besser. Verdammt..

"Ich bin nicht bereit abzutauchen.." waren seine letzten Worte.

Mir fällt nichts produktives ein. Ich würde am liebsten schreiben, dass alles mit seine Ego und Macho gehabe zu tun hat, aber hätte ein Macho einer Frau ein neues Handy gekauft, nachdem Sie ineinander gelaufen sind? Bailey, was denkst du da?! Er wollte, dass ich für ihn Tanze.. er ist ein Macho.. aber ein verdammt gut aussehender..

Ich schließe kurz die Augen und Atme scharf ein um meine Gedanken zum schweigen zu bringen. Danach tippe ich einfach das, was mir als erstes einfällt..

"Warum?"

"Hast du jetzt ernsthaft 3 Stunden gebraucht um diese Frage zu formulieren??"

"Und du antwortest wieder mit einer Gegenfrage."

"Wie lange bleibst du in Barcelona?"

Unsere Konversation ist ein reines Katz und Maus- Spiel, das ist Glasklar, trotzdem erwische ich mich schmunzelnd an meinem Fingernagel knabbern. Ich beschließe den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, vielleicht lässt er mich dann in ruhe und ich muss nicht mehr so oft an ihn denken.. Aber auf der anderen Seite will ich wissen, was sich bei ihm unter dem Eisberg befindet. Wer ist Lando ohne seine Mauern?..

"Zwei Wochen"

"Warum?"

"Vorschlag; Ich zeige dir meinen Eisberg und du siehst selbst warum ich nicht abtauche."

"Und nennst du mir auch einen Grund warum ich das tun sollte?"

"Die Brutale Wahrheit?"

"Gegenfrage!!! aber ja, die brutale Wahrheit."


Stille. Fuck.. Grade wo es spannend wurde, antwortet er mir wieder nicht. Ich schaue noch ein paar Minuten auf den geöffneten Chat, aber die erwarteten drei kleinen Punkte kommen nicht mehr zum Vorschein. Mit einem Blick auf die Uhr ziehe ich die beine vom Stuhl und stehe stöhnend auf. Ich freue mich zwar auf die Möglichkeit, hier zu Tanzen, aber habe grade keine Lust auf dieses erste Meeting. Auf dem Plan, den Eva und ich zugeschickt bekommen haben, steht der Raum und die Raumnummer drauf. Mit dem weißen Kleid und passenden Sneakern, schnappe ich mir meine dünne Jacke und begebe mich auf den Weg zum Raum 114.

Die Tür unten im Keller ist weit geöffnet und eine ältere Frau bewaffnet mit einem Klemmbrett zieht meine Aufmerksamkeit direkt auf sich. Mit schnellen Schritten kommt sie auf mich zu.

"Buenas Noches! Guten Abend! Sie sind?" sie blickt mich kurz lächelnd an, danach direkt auf ihren Zettel auf dem Brett. Sie hat den Stift bereit und streicht vermutlich meinen Namen damit durch.

"Bailey Jones. Eva lässt sich entschuldigen, Sie ist erkältet." Mit einem Nicken öffnet die Frau ihren Arm und zeigt auf eine mittlere Stuhlreihe, mit der bitte mir einen Platz auszusuchen. Der Raum ist riesig und es sitzen bereits viele Menschen. Einige wenige stehen noch und ein älterer Mann mit grauen Haaren steht bereits auf der Bühne, die links vom Raum steht. Er ist relativ klein, hat einen runden Bauch und sein Schritt eiert. Ich lasse meinen Blick über den Raum schweifen, um jemanden zu entdecken, der mir für die paar Stunden Sympathisch genug erscheint. Eine brünette, sehr junge, Frau lächelt mich kurz an.

Das ist mein Zeichen und ich bewege mich in ihre Stuhlreihe. "Darf ich?" ich zeige mit meiner rechten Hand auf den freien Stuhl neben ihr. Ihre Gesichtszüge sehen müde aus und bei einem Blick neben ihr, vermute ich, dass ihre Eltern neben ihr sitzen.

"Hallo." ich lächle sie ebenfalls kurz an, bevor ich der jungen Frau neben mir die Hand hinhalte. Sie erwidert direkt, was mich kurz erleichtert. "Ich bin Bailey." "Flo! freut mich."

Eine Frau die Flo heißt, finde ich spannend. Leider kann ich sie nicht darüber fragen, da der Mann auf der Bühne auf das Mikrofon tippt und somit die Aufmerksamkeit von allen anwesenden auf sich zieht.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen blassen Schimmer, wer da neben mir saß...

Wenn er wüssteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt