22. Jakett

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Seine Bestimmtheit macht mich wütend. Alexandras Blick hilft mir dabei nicht wirklich. Sie ist vollends begeistert von sich selbst und ihre offensichtliche Verkupplung scheint für sie jetzt richtig zu funktionieren. Charles hat einen neutralen Blick.. keine Ahnung ob er zu müde ist oder vielleicht einfach zu besoffen. Also muss ich mich allein verteidigen, denn der nette Lando von eben scheint verschwunden zu sein.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und drehe mich langsam um, um ihn anzusehen.

„Bitte was?" Ich sehe ihn herabfallend an. Schlendernd kommt er auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Eine Hand hat er in seiner Hosentasche und die andere hängt an seinem Körper herunter. Sein Hemd hat der etwas geöffnet und der Anfang seiner Brust kommt hervor. Ihn bedeckt ein leichter schweiß Film, aber sein Parfüm steigt mir wieder in die Nase. Lässig führt er den hängenden Arm zum Mund und.. raucht er?!
Jetzt hebe ich meine Augenbrauen. Ich habe ihm alles zugetraut, aber nicht, dass er raucht..

„Nenn mir einen Grund, warum ich mit dir fahren sollte?" fahre ich ihn an.

„Ganz einfach, wir müssen in die gleiche Richtung." sagte Lando trocken. Ohne eine Miene zu verziehen zog er an der Zigarette. Charles und Alexandra verabschieden sich von uns flüchtig und ich komme nicht dazu, mich ihnen anzuschließen. Alexandra wimmelt mich ab und so stehe ich mit Lando allein in diesem Club.
Na toll..

Ich verziehe das Gesicht und wenn ich alleine wäre, würde ich jetzt gerne wie ein kleines Kind wütend auf den Boden stampfen. Verdammte Scheiße!

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig." mein Blick trifft seinen und für eine Sekunde verliere ich mich in seinen Augen. Selbstgefällig grinst Lando und ich verdrehe die Augen und gehe Richtung Ausgang, ohne auf ihn zu warten. Das kann ja eine tolle Autofahrt werden.

Draußen ist es Menschen leer und als ich die schwere Tür aufdrücke, merke ich erst wie kalt es geworden ist. Direkt bekomme ich eine Gänsehaut und halte die Arme schützend vor meinen Bauch, um ihn so lange wie möglich warm zu halten.

Ich spüre einen Stoff auf meinen Schultern und schrecke einen Schritt nach vorne. Als ich mich schnell umdrehe sehe ich Lando. Die Zigarette von eben entpuppt sich als Joint, der jetzt in seinem Mundwinkel sitzt. Er hält sein Jackett zu mir geöffnet, damit ich es anziehen kann. Mein erschrecktes Gesicht entspannt sich und ich drehe mich wieder mit dem Rücken zu mir, um sein Angebot anzunehmen.

Mit meinen Armen schlüpfe ich in die Ärmel und Lando zieht das Jackett langsam höher. Mit seinem Zeigefinger berührt er dabei meinen Oberarm und fährt damit bis zu meiner Schulter. Nur langsam drehe ich meinen Kopf in seine Richtung, denn unsere Köpfe sind sich näher als mir lieb ist.
Im Augenwinkel sehe ich Landos Blick über meine Schulter, mein Schlüsselbein bis hin hoch zu meinem Gesicht wandern. Er lässt das Jackett los, schiebt eine Hand wieder in die Hosentasche und mit der anderen nimmt er den Joint aus dem Mund.
Langsam pustet er mir den Rauch ins Gesicht und ich drehe meinen Kopf schnell nach vorne.

„Du Schwein." sage ich lachend, obwohl es mein voller ernst ist. Ich drehe mich anschließend zu ihm um, behalte aber etwas mehr Abstand.
Obwohl noch mehr als die Hälfte übrig ist, schmeißt er den Joint auf den Boden und zerdrückt ihn mit seinem Schuh. Den Rest pustet er in die Luft und sieht mich danach an.
„Mh, heute mal kein Egoist?" fragt er mit einem sarkastischen Unterton.

Ein abgedunkelter Van parkt vor uns und die Schiebetür öffnet sich automatisch.
„Du wirst immer einer bleiben." sage ich ihm und er geht grinsend an mir vorbei. Vor dem Auto bleibt er stehen und streckt den Rücken durch. Eine Hand legt er an sein Steißbein und die andere hält er mir nach oben geöffnet hin.

„Immer ein Egoist also?.. na dann jetzt nur noch förmlich.. darf ich bitten die Dame?" Ich sehe, dass er sich ein Lachen verkneifen muss, aber ich spiele mit.

Ich nehme die Hand, die er mir zum einsteigen angeboten hat an und klettere vor ihm in das Auto. Ich setze mich ganz nach links und schnalle mich direkt an. Lando setzt sich auf die rechte Seite, so dass zwischen und noch Platz ist.

Als ein schwarzes kleines Schiebefenster zwischen uns und der Fahrerkabine geöffnet wird, spricht Lando erst meine Adresse und danach seine aus.
Das Fenster schließt sich genau so schnell wieder, wie es geöffnet wurde und mein Kopf dreht sich schnell zu ihm.
Mein Mund steht etwas offen.
„Du Stalker!", Ich warte einen Augenblick, „das ist nicht sehr formal von dir!"

„Was? Zu wissen wer du bist, oder was du machst, oder warum du hier bist?"

Die Aussage versetzt mir einen kalten Schauer. Natürlich hat er mich und mein Leben auf den Kopf gestellt. Warum sollte er auch sonst mit mir reden, oder mich mit nehmen? Innerlich lasse ich mein Leben in Zeitraffer laufen und denke an alle wichtigen Entscheidungen die ich bisher getroffen habe. Vermutlich kennt Lando meine Eltern auch bereits.. oder sogar meine Großeltern. Mir wird schlecht, aber ich versuche mir einen Überblick zu verschaffen, was er alles weiß.

„Und? Was sagst du so zu meinem Leben?" Was eine lächerliche Frage, Bailey..

Ich sehe Lando an, aber er sieht nur gradeaus. Kurz sieht er auf seine Finger und dann wieder hoch, als wäre es ihm unangenehm.
„Ich finde dein Leben beneidenswert." sagt er bündig.

„Ooookay?" Ich verstehe nicht ganz und will mehr wissen.

„Familie.." er flüstert und das Geräusch des Motors übertüncht ihn fast. Er dreht seinen Kopf und sieht mich an.

„Familie?" flüstere ich zurück. Die Arroganz von eben ist vollkommen verschwunden und er sieht fast.. verletzlich aus.. Ich denke an den Eisberg und glaube, dass er grade unter taucht..

„Ich habe keine, Bailey, nicht mehr.."
Ich bin überrascht von seiner Offenheit, da er bei den letzten Nachrichten immer so kalt war. Die Worte sind ihm schwer gefallen, denn er blickt direkt aus dem Fenster.

Ich weis nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ich will auch nicht weiter nachfragen. Mit seiner Familie könnte alles mögliche passiert sein. Hat er Eltern? Hat er Geschwister? Sind sie zerstritten, oder, im schlimmsten Fall.., sind sie verstorben?

Da ich keine Worte finde, um ihm mein Mitgefühl zu vermitteln, nehme ich seine Hand. Es war eine impulsive Reaktion, aber er lässt es zu.

Wenn er wüssteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt