Am nächsten Morgen, als ich aus dem Haus trat, fiel mein Blick sofort auf Kazuko, die mit Obanai sprach. Ihr Lachen schallte durch den Garten, während er mit seiner üblichen grimmigen Miene dastand, aber in seinen Augen lag etwas, das ich nicht recht einordnen konnte. War das... Zuneigung? Oder vielleicht sogar mehr? Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus, und ich ballte unwillkürlich die Fäuste.
Obanai war ihr Lehrer gewesen, das wusste ich. Er hatte sie ausgebildet, ihr geholfen, die Blutatmung zu entwickeln, und er hatte sie immer respektiert. Aber jetzt... jetzt sah es anders aus. Seine Blicke lingerte zu lange auf ihr, und ich konnte die Spannung zwischen ihnen förmlich spüren. War er in sie verliebt?
Kazuko lachte wieder, und Obanai schien tatsächlich – auf seine verschlossene Art – darauf zu reagieren. Er beugte sich leicht zu ihr vor, seine Stimme tief und fast sanft. Es war, als würde die ganze Welt um sie herum verschwinden. Ich biss die Zähne zusammen. Er ist in sie verliebt. Ich konnte es nicht ertragen.
„Muichiro!", rief plötzlich eine laute Stimme hinter mir, und ich zuckte zusammen. Es war Tengen. Natürlich. „Was machst du da, Kleiner? Träumst du etwa?"
Ich drehte mich um und sah ihn auf mich zukommen, sein gewohnt übertriebenes Grinsen auf dem Gesicht. „Nein", murmelte ich, „ich... dachte nur nach."
Tengen folgte meinem Blick und sein Grinsen schwand ein wenig, als er Obanai und Kazuko sah. „Ah, verstehe", sagte er, und ich konnte förmlich spüren, wie seine Stimmung sich änderte. „Scheint, als hätten sie eine enge Verbindung, nicht wahr?"
Ich sah ihn an. Da war etwas in seiner Stimme, das mich aufhorchen ließ. War auch er in sie verliebt? Natürlich – Tengen, der immer alles mit einem gewissen Prunk und Glanz betrachtete, konnte jemanden wie Kazuko nicht übersehen. Sie war stark, schön und klug. Sie passte perfekt in sein extravagantes Weltbild.
„Vielleicht", sagte ich knapp und wich Tengens Blick aus.
„Weißt du", fuhr er fort, „Kazuko ist etwas Besonderes. Es ist schwer, nicht von ihr angezogen zu werden. Sie hat diesen Glanz, der jeden um sie herum in den Schatten stellt. Sogar mich." Er lachte, doch in seinen Augen lag ein Funke Ernsthaftigkeit, den ich nicht übersehen konnte.
Auch er...? Das war zu viel.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, kam auch Sanemi hinzu. „Hey, was ist hier los? Warum stehen wir hier rum?", fragte er, aber auch er folgte meinem Blick zu Kazuko und Obanai. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und ich bemerkte, wie seine Hände zu Fäusten wurden.
„Obanai", knurrte er leise, „der Typ kann einfach nicht anders. Immer muss er sich in alles einmischen."
Ich starrte Sanemi an. „Was meinst du?"
Sanemi war nie jemand gewesen, der seine Gefühle offen zeigte, aber in diesem Moment wirkte er fast... besitzergreifend. Er verzog das Gesicht, als ob allein der Gedanke, dass Kazuko so vertraut mit Obanai sprach, ihm Unbehagen bereitete. „Nichts", murrte er schließlich, „ich sag' nur, dass er sie nicht die ganze Zeit für sich beanspruchen sollte."
Es war, als hätte er laut ausgesprochen, was ich die ganze Zeit gefühlt hatte. Sanemi war auch in sie verliebt.
Ich atmete tief durch. Überall, wohin ich sah, Männer, die Kazuko begehrten – Obanai, Tengen, Sanemi. Und ich... ich fühlte mich, als würde ich sie verlieren, bevor ich sie überhaupt richtig gehabt hatte.
Ich spürte, wie mein Magen sich verkrampfte. „Ich werde das nicht zulassen", murmelte ich, während ich den Blick auf die beiden fixierte, die immer noch sprachen.
„Was?", fragte Tengen und legte eine Hand auf meine Schulter. „Hast du was gesagt?"
„Nein", antwortete ich leise. Doch ich wusste es besser.
Ich versuchte, möglichst unauffällig an Obanai und Kazuko vorbeizugehen, als wäre alles völlig normal. Doch mein Herz schlug viel zu schnell, und meine Gedanken waren überall – bei Obanai, bei Tengen, bei Sanemi... und natürlich bei Kazuko. Es war, als würde mich die Eifersucht von innen zerreißen. Und in diesem Moment knallte ich direkt gegen einen Baum.
„Verdammt", murmelte ich, als ich abrupt stehen blieb und mir den Kopf rieb.
„Muichiro!" Kazukos Stimme klang besorgt, und ich hörte, wie sie schnell auf mich zulief. Ich hob den Blick und sah, wie sie mich mit großen Augen ansah, während Obanai, Tengen und Sanemi mich alle mit einem Blick durchbohrten, den ich nur zu gut kannte – der klassische „Verrecke in der Hölle"-Blick.
„Alles in Ordnung?", fragte Kazuko und kniete sich neben mich, während sie ihren Blick über meinen Körper gleiten ließ. „Tut dir irgendwas weh?"
„Nein, ich...", begann ich, aber dann zuckte ich zusammen, als sie ihre Hand auf meine Rippen legte. „Warte, das..."
„Halt still", sagte sie ernst, und ich konnte den Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen sehen, während sie vorsichtig abtastete, ob irgendwas gebrochen war. „Ich will nur sicherstellen, dass nichts gebrochen ist."
Doch in dem Moment, als ihre Hand meine schmerzenden Rippen berührte, fuhr ich erschrocken hoch. Mein Kopf stieß mit einem dumpfen Schlag gegen ihre Stirn, und bevor ich mich versah, trafen unsere Lippen aufeinander. Für einen kurzen Augenblick blieb die Welt stehen.
Ich spürte, wie mein Gesicht brannte, und ich sah, wie Kazukos Augen sich weiteten, genauso überrascht wie ich. Es war ein Versehen, aber dieser Moment – so kurz er auch war – fühlte sich ewig an. Die Zeit schien stillzustehen, und alles, was ich wahrnahm, war die sanfte Wärme ihrer Lippen.
Dann kam die Realität zurück. Und sie traf hart.
„Was zur Hölle...!" rief Obanai wütend, und noch bevor ich reagieren konnte, bekam ich einen heftigen Schlag direkt in den Bauch. „Was glaubst du, was du da machst, Muichiro?!"
Ich keuchte und fiel fast zu Boden, hielt mich jedoch mit letzter Kraft auf den Beinen. „Es... es war ein Unfall!"
Kazuko stand immer noch da, die Hand an ihrer Stirn, wo wir zusammengestoßen waren, und sah zwischen uns hin und her. „Obanai! Es war wirklich keine Absicht!", versuchte sie ihn zu beruhigen, doch Obanai funkelte mich nur weiter wütend an.
„Unfall, ja?", knurrte Sanemi, der sich inzwischen dazugestellt hatte. „So sah das aber nicht aus."
Tengen, der immer noch mit verschränkten Armen dastand, grinste leicht. „Muichiro, du solltest ein bisschen besser aufpassen, wem du solche ‚Unfälle' machst. Vor allem, wenn Obanai in der Nähe ist."
Ich konnte die Hitze in meinem Gesicht nicht mehr unterdrücken. Das war das Peinlichste, was mir je passiert war. „Es... es war wirklich keine Absicht", murmelte ich erneut, aber Obanai schien nicht überzeugt zu sein. Sein Blick war wie ein Messer, das sich in meinen Rücken bohrte.
„Muichiro, ehrlich, das war dumm von dir", fügte er hinzu, während er die Faust schüttelte, als wäre er bereit, noch einen Schlag zu landen.
„Obanai, hör auf!", sagte Kazuko jetzt laut und stellte sich direkt zwischen uns. „Es war nur ein Missverständnis, mehr nicht."
Obanai seufzte schwer, doch der Zorn in seinen Augen war unverkennbar. „Du hast Glück, dass Kazuko sich für dich einsetzt", knurrte er, bevor er sich schließlich umdrehte und ein paar Schritte zurückging.
Sanemi schüttelte nur den Kopf und murmelte etwas Unverständliches, während Tengen immer noch grinsend dastand. „Das war ja mal dramatisch", sagte er mit einem Augenzwinkern. „Aber keine Sorge, Muichiro, wir alle haben solche ‚Unfälle' mal. Nur vielleicht nicht so vor den Augen eines eifersüchtigen Sensei."
Ich wollte etwas sagen, aber mir fiel nichts ein. Kazuko, die inzwischen wieder ruhiger war, drehte sich zu mir um und lächelte leicht verlegen. „Nächstes Mal solltest du besser aufpassen", sagte sie, ihre Augen immer noch leicht erschrocken.
„Ja", murmelte ich, während ich meinen Blick auf den Boden richtete. „Definitiv... nächstes Mal."
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I wait for the day you find me [Muichiro FF]
FanfictionNach dem plötzlichen Verschwinden der Blutsäule Kazuko Nakamura war Muichiro am Boden zerstört. 3 lange Jahre lang suchte er nach ihr, doch sie wurde nie gefunden. In der Hoffnung, dass sie noch lebte, riskierte er sein Leben und suchte vergeblich n...