Am nächsten Morgen, als die Sonne gerade erst über den Horizont kroch, hörte ich ein leises Klopfen an meiner Tür. Noch völlig verschlafen schlurfte ich zur Tür, öffnete sie und – „AHHH!" – da stand Obanai direkt vor mir, sein kaltes Gesicht ausdruckslos, während Kaburamaru sich träge auf seiner Schulter zusammenrollte. Ich stolperte fast zurück. „Verdammt, Obanai! Kannst du nicht einmal wie ein normaler Mensch klopfen und nicht wie ein Geist hier auftauchen? Es ist noch nicht mal Halloween!"
Obanai sah mich aus seinen halb geschlossenen Augen an, als wäre ich diejenige, die verrückt war. „Halloween? Was soll das sein? Und seit wann erschrecken dich Menschen, Kazuko?" Kaburamaru zischte leicht, als ob er meine Reaktion kommentieren wollte.
Ich verdrehte die Augen und lehnte mich gegen den Türrahmen. „Das ist so ein Fest, wo Leute sich verkleiden und Süßigkeiten fordern. Egal, wieso bist du hier? Und vor allem so früh?"
„Wir müssen reden", sagte er trocken, als wäre es die offensichtlichste Sache der Welt. „Und ich wollte sicherstellen, dass du nicht wieder mit Tengen abhängst."
Ich verschluckte mich fast an meinen eigenen Worten. „Was soll das jetzt heißen? Ich 'hänge' nicht mit Tengen ab. Er hat gestern nur... ach, vergiss es. Was willst du wirklich, Obanai?"
Er trat näher, seine Augen schmal. „Ich habe gesehen, wie Tengen dich gestern in die Ecke gezogen hat. Was war das?"
„Das geht dich gar nichts an", antwortete ich scharf und verschränkte die Arme. „Er wollte sich nur für etwas entschuldigen, was in der Vergangenheit passiert ist."
„Nur entschuldigen?", fragte Obanai und sein Blick wurde noch stechender. „Er sah aus, als wollte er dich küssen."
Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich daran dachte, wie knapp Tengen gestern davor gewesen war. „Er hat es nicht getan. Und wenn er es versucht hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich bewusstlos auf dem Boden."
Obanai schnaubte. „Gut. Ich hoffe, du hast einen scharfen Verstand und lässt dich nicht von seinem großen Mund verführen."
Ich musste lachen. „Tengen? Verführen? Er ist so laut und auffällig, dass ich kaum eine Sekunde in seiner Nähe verbringen kann, ohne Kopfschmerzen zu bekommen."
Obanai zuckte mit den Schultern. „Man weiß nie. Er hat drei Frauen. Vielleicht denkt er, er könnte eine vierte hinzufügen."
„Nicht, solange ich atme", sagte ich entschieden. „Was ist mit dir? Du klingst fast eifersüchtig."
Er wich meinem Blick aus und murmelte: „Ich bin nur besorgt, dass er wieder jemandem wehtut, der dir nahe steht. So wie damals."
Mein Herz zog sich zusammen bei der Erinnerung an meine Schwester Megumi. „Das ist nicht so einfach zu verzeihen, Obanai. Aber... ich versuche, nach vorne zu sehen."
„Ich verstehe", sagte er leise, dann fügte er hinzu: „Ich wollte nur sicherstellen, dass du okay bist."
„Danke, Obanai", sagte ich sanft, überrascht von seinem Mitgefühl. „Aber das nächste Mal kannst du mich vielleicht vorwarnen, bevor du einfach so vor meiner Haustür auftauchst?"
Obanai nickte knapp und wandte sich zum Gehen. Doch bevor er ging, drehte er sich noch einmal um. „Und Kazuko... pass auf dich auf. Tengen ist nicht der Einzige, der gefährlich ist."
„Das weiß ich", erwiderte ich, und obwohl er es nicht sagte, konnte ich spüren, dass er sich wirklich Sorgen machte.
Als Obanai weg war, lehnte ich mich gegen die Tür und seufzte. Diese ganze Sache mit Tengen und der Vergangenheit wühlte mich mehr auf, als ich es zugeben wollte. Und jetzt auch noch Obanai, der sich offenbar mehr Sorgen machte, als ich je gedacht hätte.
„Was für ein Tag... und er hat gerade erst angefangen", murmelte ich vor mich hin, bevor ich mich entschloss, mich endlich anzuziehen und den Tag zu beginnen.
Ich stand vor Muichiros Tür und schmunzelte. "Das wird großartig," dachte ich. Immerhin wollte ich sehen, ob ich diesen Trick, den Obanai an mir angewendet hatte, auch bei Muichiro durchziehen konnte. Also schlich ich mich ganz leise an seine Haustür und klopfte nur ganz leicht. Keine Reaktion. Noch einmal, dieses Mal etwas fester, aber immer noch so, dass es kaum zu hören war.
Plötzlich öffnete sich die Tür, und bevor ich reagieren konnte, knallte Muichiro mit vollem Schwung gegen mich. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings zu Boden, Muichiro direkt auf mich drauf.
„WAAAH!" rief ich und sah ihn entgeistert an.
Muichiro blinzelte nur schläfrig. „Kazuko? Was machst du hier... auf dem Boden?" murmelte er, ohne sich von mir zu erheben.
„Ehm, das könnte ich dich auch fragen! Warum bist du so früh wach und... warte, warum bist du noch halb am Schlafen, wenn du die Tür öffnest?!"
Muichiro, immer noch halb bewusstlos, sah mich an, als ob er überlegen müsste, wie man atmet. „Ich... war... nicht wach. Du hast mich geweckt... glaube ich."
Ich stöhnte genervt und versuchte ihn von mir runterzuschieben. „Gut gemacht, Kazuko. Prima Idee", murmelte ich zu mir selbst, während ich ihn mühsam zur Seite schob. „Du bist ja total wie ein Stein. Wie schläfst du überhaupt so fest?"
„Ich bin müde...", sagte er einfach und legte sich fast wieder auf mich. Ich konnte es nicht fassen.
„Muichiro, ernsthaft! Du kannst doch nicht einfach so... Oh mein Gott, steh auf!" Ich trat ihn leicht gegen die Seite, um ihn aufzuwecken.
Er blinzelte noch einmal und schien dann plötzlich aufzuwachen. „Oh... Kazuko? Was machst du hier?" fragte er verwirrt, als ob er mich zum ersten Mal gesehen hätte.
„Ich wollte dich erschrecken, aber... naja, wie du sehen kannst, ging das wohl nach hinten los", sagte ich mit einem Seufzen.
Muichiro setzte sich auf und rieb sich die Augen. „Erschrecken? Warum?"
„Weil es lustig ist, wenn du erschreckst! Aber das hab ich wohl falsch eingeschätzt." Ich setzte mich ebenfalls auf und klopfte mir den Staub von den Klamotten. „Ich hab irgendwie vergessen, dass du morgens mehr schläfst als jeder andere Mensch."
Muichiro blinzelte langsam und nickte dann. „Ja... vielleicht solltest du das das nächste Mal bedenken."
Ich lachte und stand auf, während ich meine Hand ausstreckte, um ihm zu helfen. „Komm, steh auf. Du hast einen langen Tag vor dir. Wenn du dich nicht beeilst, wird Obanai dich mit seiner Schlange wecken, und glaub mir, das willst du nicht."
Muichiro nahm meine Hand und stand ebenfalls auf, schüttelte dabei den Kopf. „Obanai und seine Schlange... Er erschreckt mich mehr als du."
„Kaburamaru macht mir auch Angst", sagte ich schmunzelnd und schüttelte den Kopf. „Er hat mich neulich fast gefressen."
„Das überrascht mich nicht", murmelte Muichiro und gähnte dabei. „Aber... warum bist du eigentlich hier? Wolltest du wirklich nur erschrecken?"
Ich grinste breit. „Ja... und nein. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, heute ein paar Dämonen zu jagen."
Muichiro nickte langsam, noch nicht ganz wach. „Das klingt gut. Aber erst... brauche ich noch fünf Minuten Schlaf." Und mit diesen Worten ließ er sich fast wieder auf den Boden fallen.
„Muichiro!" rief ich lachend und zog ihn wieder auf die Beine. „Keine Chance, das kannst du später machen!"
Er blinzelte noch einmal müde und sah mich an. „Okay, okay... Du bist ziemlich energisch heute."
„Natürlich! Ich hab gut geschlafen – im Gegensatz zu dir. Also, los geht's, bevor Obanai wieder auftaucht!"
Muichiro gähnte, aber dann folgte er mir, während er leise murmelte: „Ich hätte nie gedacht, dass du so eine Frühaufsteherin bist, Kazuko."
„Überraschungen gehören zum Leben dazu!" antwortete ich und grinste, während wir gemeinsam losgingen. „Du wirst dich daran gewöhnen."
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I wait for the day you find me [Muichiro FF]
FanfictionNach dem plötzlichen Verschwinden der Blutsäule Kazuko Nakamura war Muichiro am Boden zerstört. 3 lange Jahre lang suchte er nach ihr, doch sie wurde nie gefunden. In der Hoffnung, dass sie noch lebte, riskierte er sein Leben und suchte vergeblich n...