Prolog

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LOUIS

„Die wahren Besiegten sind diejenigen, die aufgehört haben zu kämpfen"           - Pepe Mujica

3. März 2016

Ich war nass. Triefend nass. Aber das passierte wenn man über zwei Monate in Los Angeles verbrachte und dann nach England zurückkehrte. Man vergisst, dass es plötzlich anfangen kann zu regnen und nimmt natürlich keinen Regenschirm mit. Dennoch hatte ich England vermisst. Nicht nur, weil ich hier der Verantwortung, zu der ich in LA gezwungen wurde, entfliehen konnte. Es war unverantwortlich, aber ich hatte es einfach nicht länger ausgehalten. Also hatte ich mit der Begründung, dass die Jungs mich dringend beim Schreiben des nächsten Albums brauchten, in den nächsten Flieger gesetzt.

Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass ich schon über zehn Minuten zu spät war und hoffte, dass Harry nicht allzu sauer sein würde. Zu meiner Verteidigung, ich war immerhin erst vor drei Stunden am Heathrow Airport gelandet.

Als ich schließlich das „Le Gavroche" erreichte, waren es 20 Minuten nach der verabredeten Zeit und ich sah aus wie ein begossener Pudel. Der Mitarbeiter am Eingang musterte mich leicht skeptisch, doch ich ignorierte ihn eiskalt und ließ meine Augen durch den Raum schweifen, auf der Suche nach meinem besten Freund. Hinten in der Ecke, hinter ein paar sehr wichtigen Business- Typen und rechts neben ein paar Frauen, die zu viel Schminke und zu wenig Stoff am Körper trugen, saß Harry, schaute leicht abwesend in sein Weinglas und bemerkte die aufreizenden Blicke ebenjener Frauen am Nebentisch rein gar nicht. Oder er versuchte sie nicht zu beachten um zu verhindern, dass er den ganzen Abend von fremden Leuten belagert wurde. Eilig bahnte ich mich durch das Restaurant, vorsichtig dabei niemanden nass zu spritzen und damit den Unmut der Besucher auf mich zu ziehen. Vor dem Tisch stoppte ich und versuchte mit einem schlechten Witz Harrys Aufmerksamkeit zu gewinnen, der immer noch nicht aufgeblickt hatte. „ Und? Was erzählt dir der Rotwein? Etwas Beunruhigendes?" Harry blickte auf und schenkte mir ein breites Lächeln. „ Es ist mein erstes Glas. Bis jetzt hat der Wein noch nicht angefangen zu sprechen", sprach er stand auf und schloss mich in eine Umarmung. Nachdem wir uns wieder gesetzt und unsere Essensbestellung aufgegeben hatten, goss ich mir auch einen Schluck Wein ein. Ich hasste Rotwein, aber das war mir gerade egal. Hauptsache etwas mit Alkoholgehalt. Ich merkte wie ich begann mich zu entspannen.

„Ich habs schon am Telefon gesagt, aber ich denke eine persönliche Gratulation ist angebracht. Also alles Gute zum Kind."

Ich seufzte schwer. „Ehrlich gesagt will ich nicht darüber reden."

„So schlimm?", Harry stimme schwankte zwischen Besorgnis und Amüsement.

„ Ich war mir im Kreissaal, Harry. Ich hab sie schreien hören. Ich gebe dir einen Tipp. Wenn deine zukünftige Frau ein Kind bekommt, lehne freundlich ab wenn sie dir anbietet bei der Geburt dabei zu sein. Du entgehst einem lebenslangen Trauma."

Es war wirklich traumatisch gewesen. Ich hatte Krankenhäuser schon immer gehasst und über 14 Stunden in einem zu verbringen, während du auf deinen Sohn wartest, war nicht unbedingt das, was ich mit 24 Jahren zu tun erwartet hatte. Als ich daran dachte, Kinder zu bekommen, hatte ich mich immer als einen älteren, weisen Mann vorgestellt, der ausgeglichen und liebevoll die Hand seiner Frau hält. Und die Hand, die ich hielt, hatte immer Eleanor gehört.

Doch das Leben hatte  eine andere Richtung eingeschlagen.

„Lass uns nicht über mich reden." Das ist nur deprimierend. „Was war bei dir los? Irgendjemanden kennen gelernt? Warst du auf Caras Party?" Als ich die erste Frage stellte, verdunkelte sich Harrys Blick und er überging sie eiskalt.

„ Cara hatte sich wie immer selbst übertroffen. Sie hatte überall Leinwände aufgestellt, die alte Filme zeigte. Hab Nick seit einiger Zeit mal wieder gesehen und um vier Uhr nachts kam Ed noch vorbei. Wir haben dann bis um sechs einen Song geschrieben."

BROKEN SCENE / H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt