HARRY
„The truth is rarely pure and never simple."- Oscar Wilde
20. Juli 2016
„Kann ich ein Foto machen?" Das kleine Mädchen sah mich bittend an. Ich nickte langsam und beugte mich zu ihr herunter. Als ich mich wieder aufrichtete, schenkte sie mir ein zahnloses Lächeln. Ich lächelte zurück. Die kleinen Fans mochte ich am liebsten, sie waren weniger aufdringlich und meistens viel zu süß um ihnen etwas abzuschlagen.
Ich warf Meggie einen Blick zu. Sie stand zwei Meter weiter und beobachtete die Szene mit einem Schmunzeln. Es war ungefähr die zehnte Person, die mich nach einem Foto fragte. Dabei waren wir erst seit einer Stunde in den Universal Studios von Orlando unterwegs. Sie duldete die ständigen Unterbrechungen mit einer Engelsgeduld. Sogar den verächtlichen Blicken von ein paar Fans im Teenageralter war sie komplett gleichgültig gegenüber getreten. Mich hingegen hatten sie wütend gemacht. Also hatte ich mich demonstrativ bei Meggie eingehackt und hatte sie weiter gezogen.
Allerdings hatten wir auch nicht wirklich ein Ziel, weswegen man ungeduldig sein könnte. Ich hatte ihr nicht den Grund genannt, warum Louis uns ausgerechnet nach Orlando geschickt hatte. Ehrlich gesagt war ich selbst noch nicht bereit mich den schmerzhaften Erinnerungen zu stellen. Daher hatte ich morgens an Meggies Hotelzimmer geklopft und sie auf einen Ausflug hierher eingeladen. Ihr war wohl klar, dass dies nicht wirklich der Ort war, dem ich mich zu stellen hatte, aber ich hatte Glück. Offenbar war Meggie ein großer Harry Potter Fan, also konnte sie der Versuchung einmal die Nachbildung von Hogwarts zu betreten nicht widerstehen. Und ich konnte die Konfrontation mit meinen Sünden noch eine Weile vor mir herschieben. Die Frage war nur wie lange. Ich hoffte auf eine Ewigkeit.
„Oh Gott, schau dir all diese Zauberstäbe an!" Meggie drehte sich begeistert zu mir um. Wir waren mittlerweile in Ollivanders Zauberstablanden gelandet. „Ich muss unbedingt einen für Riley kaufen." Meggie begann zwischen den Regalen zu stöbern. Zwischendurch stieß sie einen kurzen Begeisterungsschrei aus. Ich folgte ihr mehr oder weniger. Ich hatte definitiv nicht vor einen Zauberstab zu kaufen. "Wer ist Riley? Ein Freund?"
Ich musste zugeben, dass ich immer neugieriger wurde, was Meggie anging. Sie wirkte so unglaublich ausgeglichen. Ich erwischte mich immer wieder dabei wie ich anfing zu labern, weil ihre innere Ruhe mich nervös machte. Und ich war schon ein ruhiger Charakter. Aber offenbar hatte sie beschlossen nicht allzu viel über sich selber zu erzählen. Was mich unruhig machte. Ich wusste immer noch nicht in welchem Zusammenhang sie mit Louis stand. Auch wenn sie in keinem sexuellen Verhältnis stand, hatte ich das Gefühl, dass sie mir etwas Wichtiges verschwieg.
„Nein. Der Sohn meiner Mitbewohnerin und besten Freundin.", antwortete sie abwesend, während sie sich weiter durch die Schachteln wühlte. Irgendwann sprang sie begeistert auf und presste glücklich eine der Schachteln an ihre Brust. „Ich hab den Zauberstab von Grindelwald gefunden. Das ist Rileys Lieblingsfigur.", fügte sie erklärend hinterher. Ich machte eine verständnisvolle Geste. „Wen mochtest du bei Harry Potter am meisten?" Meggie sah ehrlich interessiert aus. Sie war anscheinend wirklich besessen.
Ich überlegte. Ich war nie der große Harry Potter Fan gewesen, aber natürlich kannte ich die Bücher und hatte alles gelesen. „Hermine. Es war ihr immer egal, was andere von ihr hielten. Wen mochtest du?" Jetzt war ich gespannt. Ich persönlich tippte darauf, dass sie einen der Bösen bewunderte. „Ich hab mich immer mit Ron verbunden gefühlt. Nicht nur wegen der Haare." Dabei zupfte sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, die allerdings sofort in ihr Gesicht zurückfiel. Ich widerstand dem Reflex die Strähne noch einmal zurückzustreichen. Offenbar hatte ich falsch gelegen. Sie mochte die loyalen Typen.
Ich räusperte mich kurz verlegen und versuchte die Überlegung in welche Sparte man mich wohl einordnen würde, zu verdrängen. „Also. Lass uns gehen." Meggie bezahlte und als wir aus der Tür traten wirkte sie viel glücklicher als noch vor einer Stunde. Ich sah sie leicht lächeln und irgendwie wirkte ihr Lächeln ansteckend. Auch meine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lachen. Sie wirkte so unbeschwert. Obwohl wir hier waren, weil Louis uns hierher geschickt hatte, schien sie sich nicht viele Sorgen zu machen oder sich zu fürchten, wo wir landen würden. Oder sie war einfach nur eine gute Schauspielerin. Ich hingegen hatte furchtbare Angst, was noch kommen würde. Die Aufforderung Louis, nach Orlando zu fliegen, hatte mir seine Absichten ziemlich klar gemacht. Konfrontation mit meinen dunkelsten Stunden. Ich wusste nicht, ob ich dafür bereit war. Deswegen benutzte ich den Besuch der Studios als Ausrede es noch etwas hinauszuzögern. Wenigstens eine Weile.
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BROKEN SCENE / H. S.
FanfictionDo not pity the dead, Harry. Pity the living and above all those, who live without love. - Albus Dumbledore. Louis ist am Ende. Voll von Enttäuschung, Erschöpfung und Abweisung. All dies sieht er auch in Harrys Gesicht wieder gespiegelt und so trif...