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Ofelia
╰══• ೋ•✧๑♡๑✧•ೋ •══╯Ofelia stand nun zum wiederholten Mal in der Kälte, den Blick auf den Weg ins Tal gerichtet. Allmählich ging die Sonne unter und von Oberon war nach wie vor keine Spur zu sehen. Langsam aber sicher machte sie sich Sorgen. Seit Oberon sie auf die Reise mitgenommen hatte, waren sie noch nie so lange getrennt gewesen.
Diesen Morgen hatten sie sich nicht einmal zu Gesicht bekommen, denn der Krieger war bereits vor dem Morgengrauen abgereist. Sein Pferd, sein Wolf, seine Ausrüstung – er hatte fast alles mitgenommen und die beiden zurückgelassen. Ofelia bereitete der Gedanke, dass er einfach weitergezogen war, ein unwohles Gefühl im Magen. Vor lauter Nervosität hatte sie kaum Ruhe bekommen und Übelkeit plagte sie.
Die Großmutter hatte ihr mehrmals versichert, dass er wiederkommen würde. Auch wenn Ofelia ihre Angst nicht ausgesprochen hatte, hatte die alte Frau gemerkt, dass es sie beschäftigte. Zum Ablenken hatte sie Ofelia mit in den Stall genommen, um die Hühner zu versorgen und ihre Eier einzusammeln. Serefin war ebenfalls mitgekommen, auch wenn er sich seinem Pferd gewidmet hatte.
Zugegeben, es hatte sie ein wenig abgelenkt und beschäftigt. Doch nun, viele Stunden später, konnte sie nicht anders, als an Oberon zu denken und sich zu fragen, wo er blieb. Sie blinzelte die Tränen aus ihren Augen, die zuvor schon übergequollen waren. Heiß flossen sie über ihre von der beißenden Kälte geröteten Augen.
Ofelia wischte schnell über sie, um die verräterischen Spuren zu beseitigen. Nicht, dass jemand sie so erblicken würde, schließlich war sie kein kleines Mädchen mehr. Bis vor einigen Monaten hatte Ofelia geglaubt, dass all ihre Tränen versiegt waren. Zumindest bis zu dem Tag, an dem Oberon und sie in der Stadt gewesen waren. Nun flossen sie wieder.
Die Elfe zog ihren Umhang fester um sich, als der Wind ihr die Kapuze vom Kopf riss und wütend ins Gesicht peitschte. Ihr Blick hob sich gen Himmel. Dicke, graue Wolken hingen über dem Bauernhof und verdeckten das Sternenzelt, das mit dem Aufgang des Mondes gekommen war.
Wieder wandte sie sich dem Tal zu, wo sich in weiter Ferne die Stadt Fonsa Myma befinden musste. Dort, hinter dem Wald und den Bergen, gut einen halben Tag mit dem Pferd entfernt, sollte sie sein. Ofelia konnte sie nur vage erahnen. Viel zu weit war sie entfernt.
Großmutter – so bat die alte Frau, dass man sie nannte – hatte gesagt, dass Oberon dorthin wollte. Warum genau, wusste sie selbst nicht, das hätte der Fae nicht genau gesagt. Hieß das vielleicht doch, dass er fortgegangen war? So ganz ohne Abschied.
Ofelia konnte kaum noch ihre Zehen spüren, so lange stand sie bereits hier. Die Sonne war in einem Meer aus Flammen untergegangen, sodass sie nichts mehr sehen konnte. Die Wolken verdeckten Mond und Sterne, während die Elfe tapfer auf ihren Krieger wartete. Wie eine Frau, die auf ihren Geliebten wartete, den sie lange nicht mehr gesehen hatte. Dabei waren es nur ein paar Stunden. Ein paar viele und unerträgliche.
Serefin hatte zuletzt vor über einer Stunde nach ihr geschaut und versucht, sie davon zu überzeugen, wieder ins Haus zu kommen. Doch Ofelia hatte ihn vertrieben, nachdem er nicht lockergelassen hatte. Dabei war ihr Bruder so nett gewesen, hatte ihr ein wärmendes Fell gebracht und ihr Gesellschaft geleistet. Jetzt vermisste sie ihm.
»Mädchen! Komm endlich rein!«, rief die Großmutter vom Bauernhof aus. »Du holst dir noch den Tod.«
Ofelia schaute in die Richtung und erkannte die alte Frau dank der Laterne in ihrer Hand. Langsam schritt sie in ihre Richtung, bis sie schließlich vor Ofelia stehen blieb. »Er kommt wieder, ganz sicher.«Die Großmutter nahm Ofelias Hand in ihre und drückte sie leicht. Als sie die Wärme der Alten auf ihrer Haut spürte, zuckte sie beinahe zusammen. Es brannte so unglaublich unangenehm, dass Ofelia sich zusammenreißen musste. Am liebsten hätte sie sich der Berührung entgegen. »Habe mehr Vertrauen in deinen Geliebten, mein Kind.«
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Blut & Seide
RomanceIn einer Welt, in der Elfen kaum etwas wert sind, wachsen die Halbelfen Serefin und Ofelia in einem exklusiven Freudenhaus auf. Geboren aus Verzweiflung und Verachtung, sind sie an eine Existenz gebunden, die ihnen weder Freiheit noch Würde lässt. I...