Kapitel 4

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Es wurde bereits hell, als Sherlock John dazu kriegen konnte, dass ein wenig Schlaf jetzt hilfreich wäre. John sah schließlich ein, dass er für die Rettung seiner Tochter, all seine Kräfte benötigen würde. „Fährst du noch in die Baker Street oder bleibst du über Nacht hier?"

Sherlock gähnte übertrieben laut und sagte: „Ich fahre in die Baker Street, ich will keine Umstände machen..."

Damit verließ er das Haus der Watsons und nahm die nächste U-Bahn, diese fuhr allerdings keineswegs in die Baker Street, sondern zum Sankt Bart's, wo Sherlock die Beweisstücke, die er in Shellys Zimmer sichergestellt hatte überprüfen wollte.

Als Sherlock dort ankam, war es bereits halb 6 morgens. Er war müde, seine Augen brannten, genauso sein Zorn auf Moriarty. Er war der festen Überzeugung ihn diesmal zu kriegen. Er wollte es. Er musste es. Für John, der einzigen Person, die ihm jemals etwas bedeutet hatte. Wobei... nicht ganz. Da gab es noch jemanden, eine Person, die ihm unglaublich viel bedeutete... Miss Molly Hooper, einer Pathologin am St. Bart's, mit der er zusammenarbeitete.

Er trottete, die Treppe hinab, in die Pathologie, stieß die Tür auf und ließ sich auf den nächstbesten Bürostuhl fallen.

Seine Lider waren so schwer, dass er seine Augen nur mit großer Mühe offen halten konnte. Sonst hatte er so etwas nie... „He, Sherlock!", dachte er: „Nicht einschlafen! Ich muss doch noch... ich will... ich muss..." Er war eingeschlafen.

Als Molly Hooper an diesem Tag pünktlich um 9 mit ihrer Arbeit beginnen wollte, traute sie ihren Augen nicht. Sie hatte gerade ihre Jacke aufgehängt und war bereits mit einem Ärmel in ihrem Laborkittel, als sie plötzlich etwas hörte. Leise, nur ganz leise hörte sie jemanden atmen. Wäre sie ein abergläubischer Mensch, würde die Tatsache, dass sie ein Atmen vernahm, so nah an einem Leichenkühlhaus, sie vermutlich abschrecken.

Aber Molly Hooper glaubte nicht an Geister. Mit ihrem Regenschirm bewaffnet, folgte sie den merkwürdigen Geräuschen. Langsam und sehr tief konnte sie eindeutig ein Atmen vernehmen. Ein... Aus... Ein... Aus... Ein... „SHERLOCK!", Der Detektiv hob erschrocken den Kopf, der bis gerade auf seiner Brust geruht hatte und auf seinem Hemd einen kleinen Speichelfleck hinterlassen hatte. Er blinzelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Träumte er? „M...Molly... Du ... bist hier!", stammelte er.

„Nein, nein, nein Sherlock. Das ist nicht Wunderns wert. Aber DU bist hier!", Molly warf den Regenschirm beiseite, um sich nun voll und ganz ihrem unerwarteten, jedoch dringend erwünschten Besuch zu widmen.

Ihr Herz klopft wie wild. Er war wieder da. Nach fast einem halben Jahr, in dem sie geglaubt hatte, ihn niemals wiederzusehen. Und nun saß er einfach da. In ihrem Bürostuhl. Verschlafen und mit zerknitterter Kleidung. Zugedeckt mit seinem Mantel und das lockige schwarze Haar, dass sie so liebte stand in alle Richtungen ab. Er sah so ganz anders aus als sonst. Nicht dieser kalte, gleichgültige Gesichtsausdruck, keine gebügelte, ordentlich Kleidung, gar nicht autoritär, sondern klein und verletzlich.

Nach einigen Sekunden war Sherlock wieder halbwegs auf dem Stand. „Ich muss wohl gestern... äh heute Morgen... eingeschlafen sein ... ich ...ähm" Was war das nur für ein Sherlock-untypisches Gestammel? Sherlock war die schlagfertigste Person, die Molly kannte! Er war nie um eine Antwort verlegen. Kommentierte alles und kannte dabei keine Grenzen. War er etwa verlegen?

„Ich geh mich dann mal... frischmachen...", er stand auf und machte sich auf den Weg zu den Toiletten.

Sherlock stand vor dem Waschbecken und sah in den Spiegel. Sein Herz klopfte wie wild und seine Wangen waren leicht gerötet. „Was ist bloß los mit mir?" Er musterte sein etwas chaotisches Spiegelbild „Werde ich krank?" Sein Blick fiel auf den kleinen, nassen Fleck auf dem hellblauen Stoff seines Hemdes. Er schüttelte den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit seinen ungebändigten Locken. Vergeblich versuchte er, sie zu bändigen. Aus irgendwelchen Gründen, war es ihm peinlich, so vor Molly gestanden zu haben. „Vollgesabbert, verschlafen und verstrubbelt! Und das alles vor ihr..."

Warum machte er sich darüber überhaupt Gedanken? Er war Sherlock Holmes, der Mann, der nur mit einem Laken bekleidet im Buckingham Palace erschienen war! Damals hatte er sich keine Gedanken über sein Aussehen gemacht... Was war nur los? Natürlich wusste er, was los war...

Kurzerhand hielt er seinen gesamten Kopf unter den laufenden Wasserhahn. Das eiskalte Wasser rann seinen Nacken herab und brachte ihn ins frösteln. Einige Zeit stand er einfach nur da und genoss den Moment der Ruhe, als das leise Plätschern des Wassers die Stimme in seinem Kopf halbwegs übertönte.

„Gefühle sind nur ein Defekt in unserem Gehirn!" Hatte er das wirklich so gesagt? „Sie schwächen dich, schenke ihnen kein Vertrauen!" Er hob den Kopf und rieb sich die Augen. Nein, nein, NEIN! Die Stimme in seinem Kopf verstummte. „Ja, vielleicht empfinde ich etwas für Molly!", hatte er das gerade wirklich laut ausgesprochen? „Vielleicht liebe ich sie sogar...", dachte er weiter.

Der Konflikt in seinem Kopf verursachte ihm Kopfschmerzen. Von seinem nassen Haar tropfte es hinab auf sein Hemd und verursachte nasse Flecken auf seinen Schultern. Kurzerhand zog er es aus und wusch bei dieser Gelegenheit auch noch den Speichelfleck aus dem blauen Stoff heraus. Anschließend hängte er es zum Trocknen an die Heizung.

Sherlock FF - Tick, Tack, Boom!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt