Kapitel 25

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Im Wald war es dunkel und feucht. Von den Ästen der Bäume tropfte der Regen der vergangenen Tage herab und hüllte alles in eine nasse Kälte. Das Laub auf dem Boden war aus dem vergangenen Herbst und durch den Regen- und Schneefall des letzten halben Jahres aufgeweicht und zerfallen. Der Untergrund fühlte sich rutschig und weich an, als Sherlock den Geräuschen des Waldes lauschte, einen Schrei, einen Schuss oder ein verräterisches Knacken im Gebüsch erhoffend, damit er Moriarty oder einen der Anderen im nächtlichen Wald orten konnte. 

Die geladene Pistole stets erhoben, schlich Sherlock durch den Wald, als seine Hoffnung endlich erfüllt wurde: links vor ihm vernahm er ein stetiges Rascheln und Knacken, dem Sherlock sich noch immer schleichend näherte. Vorsichtig schob er die erste Schicht aus Zweigen beiseite und schlüpfte durch die so entstandene Lücke im Geäst. 

Etwa drei Meter vor ihm, hinter der nächsten Schicht aus Ästen und Blättern, sah Sherlock einen Schatten. Es war die Silhouette eines Mannes, so viel stand fest. Dieser stand mit dem Rücken zu Sherlock und war ein gutes Stück kleiner als er. Da Moriarty und John von der Größe her im Vergleich zu Sherlock ähnlich klein waren, konnte Sherlock nicht mit Sicherheit sagen, um wen der Beiden es sich handelte, aber die Person trug offensichtlich kein Baby mit sich, was darauf schließen ließ, dass es sich um John Watson handelte. 

Dennoch harrte Sherlock noch einen Moment im sicheren Schatten des Gebüschs aus, um sich zu vergewissern, dass er richtig lag, bevor er auf die Person zu gehen würde. Aber anscheinend hatte er Recht gehabt, denn einige Meter entfernt tauchte eine zweite Person aus dem Gebüsch auf und lief auf die erste zu. Anhand ihrer Größe und Gangart konnte Sherlock die zweite Silhouette zweifelsfrei als Greg Lestrade identifizieren als trat auch er aus den Büschen hervor auf die dahinter liegende Lichtung.

"Wo ist er hin?", fragte Sherlock, üblicherweise ohne ein Wort der Begrüßung. John und Greg, die mit dem Rücken zu ihm gestanden hatten, fuhren erschrocken herum. "Sherlock!", John atmete erleichtert auf, als er in das Gesicht seines besten Freundes sah und nicht in das eines von Moriarty angeheuerten Killers, wie er es sich ausgemalt hatte. "In Fleisch und Blut.", antwortete Sherlock. Greg sah ihn ernsthaft besorgt an. "Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut genug geht?", er meinte natürlich Sherlocks Verletzung und den daraus resultierenden Blutverlust: "Sie sehen nämlich... nicht so aus..." Sherlock warf ihm einen genervten Blick zu und entgegnete: "Ich denke, dass hier hat weitaus höhere Priorität als meine kleine Verletzung." 

John und Greg warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Dennoch nickte John und sah die Beiden fest an: "Na dann los." Als wäre das ein Stichwort gewesen, hallte in dieser Sekunde ein schriller Schrei durch den nächtlichen Wald."Mary!", entfuhr es John und die drei rannten los, in die Richtung, aus der sie den Schrei vernommen hatten. 

Nach einiger Zeit rastlosen Rennens erreichten sie eine zweite Lichtung, durch deren Mitte sich eine sichtlich tiefe Schlucht zog. Auf der Seite, von der Sherlock, John und Greg die Lichtung betraten, stand auch Mary. Sie hatte den Blick auf einen Punkt an der anderen Seite fixiert, welcher offenbar auch der Grund für ihren Schrei war, denn dort stand Moriarty, locker an einen Baum gelehnt und grinste ihnen frech entgegen. 

Am Rand der Schlucht lag ein Bündel auf dem Boden und man konnte eindeutig das Baby erkennen, das darin eingewickelt lag. Moriarty hatte den Fuß danach ausgestreckt und musste ihm nur noch einen kleinen Stoß versetzen, um es in den Tod stürzen zu lassen.

"Ich gebe es zu!", grinste Moriarty: "Ich habe gelogen, Shelly lebt noch, aber das lässt sich ja zum Glück sehr schnell ändern." Er zwinkerte Mary zu. Diese bemühte sich, sich zusammenzunehmen und John trat an ihre Seite und drückte bestärkend ihre Hand: "Was wollen Sie denn noch?", fragte Lestrade eindringlich und Moriarty lachte bitter: "Haben Sie das denn noch immer nicht geschnallt?"

Er winkte Sherlock zu sich an die Schlucht. "Ist es nicht urkomisch", fragte er ihn: "Dass wir uns immer am Abgrund befinden, wenn es hart auf hart kommt? Umso besser, du kennst das Prozedere dann ja schon, Sherl, nicht wahr? Ein kleines Schrittchen nach vorn und... schwupps!"

"Sie wollen also, dass Sherlock springt. Mal wieder.", stellte John nüchtern fest: "Und dann lassen Sie meine Tochter frei?" Moriarty zog überrascht die Augenbrauen hoch: "Aber selbstverständlich, Johnnyboy! Sehen Sie mich an, ich bin ein Geschäftsmann!", er strich sich den Anzug glatt: "Sieht man das nicht?"

"Ich könnte Sie auch hier und jetzt erschießen.", stellte Lestrade fest: "Ich könnte einfach meine Waffe heben und abdrücken." Moriarty nickte: "Natürlich könnten Sie das. Ich bitte Sie, Greg, fühlen Sie sich frei, alles zu tun, was sie wollen, nur es wäre doch schade, wenn ich im Sterben versehentlich das Baby anstoßen würde, nicht wahr? Wieso sollten Sie dieses Risiko eingehen, wenn Sie sie auch hundert prozentig retten könnten?"

Plötzlich lachte Sherlock verächtlich auf. Er trat noch einen Schritt an den Abgrund heran: "Ich wähle den Sprung!", er grinste Moriarty an und tat noch einen Schritt. Seine Fußspitzen ragten bereits in die Leere, als er Johns Hand auf der Schulter spürte: "Sherlock, tu das nicht! Nicht schon wieder...", Sherlock drehte sich um und griff John bei den Schultern, um ihn in eine feste Umarmung zu ziehen, um ihm ungehört ins Ihr flüstern zu können. "Vertrau mir.", wisperte er: "Ich verspreche dir, es wird alles gut gehen, John."

John schluckte schwer und sah seinen besten Freund an. Sherlocks Augen waren voller Überzeugung und Zuversicht. "Seb.", sagte Sherlock scheinbar zusammenhanglos, doch John verstand und nickte. Er umarmte Sherlock: "Wenn du dich irrst, bring ich dich um!" Sherlock nickte grinsend und wandte sich wieder dem Abgrund zu. 

Dann sprang Sherlock. Aber nicht nur das: Bereits im Fallen, streckte er den Arm aus und griff nach Moriartys Ärmel. Die Schlucht war im Vergleich zu ihrer Tiefe eher schmal und so konnte Sherlock problemlos an den Consulting Criminal herankommen. Moriarty schrie erschrocken auf, als drei Körper die Schlucht hinunterstürzten: Sherlock Holmes, James Moriarty und Shelly Watson.

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Zitat des Kapitels: "Nicht schon wieder..." :D

Hoffe das neue Kapi gefällt euch ^^


Sherlock FF - Tick, Tack, Boom!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt