Kapitel 2

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Es war gegen 5 Uhr nachmittags, als John und Mary von der Polizei zurückkehrten.

"Keine Sorge Schatz. Sie werden sie finden, da bin ich mir sicher. Wir werden jetzt erstmal abwarten. Möchtest du...", John traute seinen Augen nicht. "Sh...Sherlock! W...wie bist du hier rein gekommen?!"

Sherlock nahm die Füße von der karierten Tischdecke und nippte an seiner Tasse: "Das Kinderzimmerfenster ist kaputt. Erinnerst du dich? Du hast es kaputt geschlagen."

"W...was ...? Sherlock! Jetzt rede mit mir!", Langsam wurde John ungeduldig. „Wir sollen reden? Okay. Möchtest du Tee?" John schnaubte vor Empörung „Ach, ob ich Tee haben möchte? In meinem eigenen Haus, in meiner eigenen Küche, aus meiner eigenen Teekanne, mit meinen eigenen Teebeuteln gekocht? Gerne BESTER FREUND, der sich monatelang nicht gemeldet hat während ich dachte du wärest gekidnappt, verletzt oder tot oder sonst wo! Tot bist du ja gerne mal für so ein, zwei Jährchen und tauchst dann wieder auf als wäre nichts gewesen!"

Sherlocks Gesicht nahm einen Ausdruck an, den John noch nie gesehen hatte. War das Mitleid? Reue? Oder Scham? Plötzlich tat es John Leid, dass er so barsch gewesen war... jedoch musste es doch mal gesagt werden, oder nicht? Dann nahm Sherlocks Gesicht wieder den typischen, neutralen Ausdruck an und er sagte ruhig: „Ich hätte mich ja gemeldet, aber ich war... verhindert..."

„Verhindert?! Wie meinst du das?", „Mycroft... noch während ich aus England ausgeflogen wurde, rief er mich an. Ich sollte mich mit... dieser Sache...beschäftigen, du weißt was ich meine...oder besser: wen ich meine... Allerdings musste ich undercover gehen, keinen Kontakt zu meinen... Freunden... pflegen, immer versteckt und einsam... bis, nun ja bis jetzt..." ein geheimnisvolles, sanftes Lächeln lag auf Sherlocks Lippen. Zu sanft für Sherlock Verhältnisse, fand Watson.

Mary, die bisher stumm dabei gestanden hatte, ergriff das Wort. Ihre Stimme klang schwach und brüchig als sie sagte: „Sherlock... Bitte. Hilf uns! Shelly!", sie schluchzte auf. John nahm sie in den Arm und flüsterte beschwichtigend: „Mary, alles wird gut ... das verspreche ich Dir. Wir haben schon so viel zusammen durchgestanden! Vertrau mir!" Das: „Schließlich vertraue ich dir auch trotz allem" verkniff er sich. „Pscht, Mary, alles wird gut!", Auch Johns Stimme merkte man die Trauer eindeutig an. In der Umarmung sah er über Marys Schulter hinweg seinen besten Freund flehend an. Tonlos formte er mit den Lippen das Wort „bitte" in Sherlocks Richtung, dieser nickte beschwichtigend und lächelte John aufmunternd zu.

„Wow...", dachte John: „Was ist denn mit dem passiert?" So viel Empathie hatte er bei Sherlock noch nie erfahren... Doch! Als Sherlock von Marys Vergangenheit erfahren hatte. Er schob den Gedanken beiseite und versuchte auch Shellys Verschwinden einen Augenblick lang weitgehend zu vergessen. Stattdessen freute er sich über Sherlocks Wiederkehr und darüber, dass er weder verletzt noch tot war.

„Sooo...", Sherlocks übertriebene Motivation war vielleicht ein wenig unpassend, jedoch definitiv typisch für ihn. Er saß auf der Rückenlehne des Sessels und hatte die Füße auf die Sitzfläche gestellt, was ebenfalls durch aus typisch für den Detektiv war: „Was haben wir denn bisher so... also: Shelly Watson (3 Monate alt), am Abend des 16. April aus ihrem Zimmer verschwunden. Die Pappnasen von der Polizei glauben, der Täter sei durch das Fenster gekommen, in dem keinerlei Einbruchspuren festzustellen waren. Ich weiß besser als jeder andere, dass auf das Gutachten dieser Clowns nur selten Verlass ist, weshalb sie... Meine lieben Eheleute Watson, sich glücklich schätzen sollten, mit einer intelligenten Person arbeiten zu dürfen, nämlich mit dem weltweit einzigen Consulting Detective." Er deutete auf sich selbst. „Also, fangen wir zunächst mit dem offensichtlichen an: Wie ist der Entführer ins Haus gekommen? Also:

• Die Haustür war einbruchsicher verschlossen

• Das Fenster war fest verschlossen

• An keinem von beidem finden sich Spuren eines Einbruchs

 Logische Schlussfolgerung: Der Täter hat... (...Na? Kommt Ihr drauf?) ... einen Schlüssel benutzt.

Ich weiß, unspektakulär... aber die einzige logische Erklärung."

„Das kann nicht sein. Außer Mary und mir besitzt niemand einen Schlüssel für unser Haus!" John schüttelte den Kopf: „Tut mir Leid, Sherlock, aber ich fürchte ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht, selbst für Dich..." Sherlock rollte genervt mit den Augen: „Oh, John, du bist immer so... unflexibel, was Gedankengänge angeht. IHR habt nur zwei Schlüssel machen lassen, also EXISTIEREN auch nur zwei, nicht wahr?", „Wäre das nicht logisch?" fragte Mary, „Nein." Sherlock warf den Beiden einen verächtlichen Blick zu:

„Man kann Schlüssel auch kopieren. Alles was man braucht ist ein Abdruck des Originals.

• Ich bin mir sehr sicher, dass es bei euch in der Praxis das ein oder andere Mal vorgekommen sein dürfte, dass einer eurer Schlüssel auf einem Schreibtisch oder ähnlichem lag.

• Der Täter macht einen Wachsabdruck und lässt den Schlüssel nachmachen.

Ist zwar nicht ganz legal, was der Schlosser tut, aber für den einen oder anderen Pound mehr, drücken die meisten mal ein Auge zu. Schon hat der Entführer freien Zugang auf euer Haus. Er hätte hier alles anstellen können, wir sollten das Haus auch noch auf Wanzen oder ähnliches abchecken."

John sah zwar ein, dass Sherlocks Erklärung relativ plausibel klang und es durch aus häufig vorkam, dass sein Schlüssel unbewacht auf seinem Schreibtisch in der Praxis lag, aber dennoch gab es einen Punkt, den er noch immer nicht verstand: „Und das Fenster?", Sherlock grinste: „Siehst du, der Täter hat genau das erreicht, was er erreichen wollte.", „Was da wäre?" Sherlock genoss es sichtlich, mal wieder allen einen Schritt voraus zu sein: „Verwirrung.", antwortete er mit fast feierlicher Miene. „Selbstverständlich hat er das Fenster nachträglich von innen aufgemacht, weil er wusste, dass das die Polizei für eine Weile beschäftigen würde..." Wie immer, wenn Sherlock ihn in seine logischen Schlussvollgerungen einweihte, erschien John das alles so plausibel, so einfach, dass er sich fast ein wenig ärgerte, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Natürlich war das Unsinn, denn Sherlock war eben Sherlock und sein Gehirn arbeitete um Vieles schneller als das jeder anderen Person, die John kannte, Sherlock war eben der weltweit einzige Consulting Detective und das nicht um sonst.

Sie entschieden, dass es das Beste für Mary wäre, schlafen zu gehen. Sie sah wirklich nicht gesund aus mit ihrem noch immer kreidebleichen Gesicht und den blutunterlaufenden Augen und sie entschieden, dass ein wenig Ruhe ihr sicher helfen würde über den Schock hinweg zu kommen.

Sherlock FF - Tick, Tack, Boom!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt