Kapitel 2

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▪ Gül Bahcesi~ Ali Baran

Viel Spaß beim Lesen

An diesem Abend war ich schluchzend und weinend zum Haus meines Onkels gegangen. Ein höllischer Schmerz machte sich in meinem Unterleib breit. Nach dem Kemal das beendet hatte was er angefangen hatte, hatte er gelacht und war gegangen. Er hatte mich in dieser Gasse alleine gelassen, niemand hatte meine Schreie gehört. Niemand hatte mir geholfen. Niemand war gekommen, um mir zu helfen. Wer bin ich denn? Ich bin ein Waise, ich bin es nicht Wert gerettet zu werden. An diesem Gedanken konnte ich nicht anders und schluchzte laut auf. Anne? Baba? Nerdesiniz? (Mama? Papa? Wo seit ihr) , dachte ich mir. Zitternd und schluchzend schloss ich die Tür auf. In meinem Leben hatte ich mich noch nie so armselig gefühlt, noch nie so dreckig. Das Erste was ich auch tat war direkt in die Dusche zu gehen. Ich fühlte immer noch wie seine Hände sich überall auf meinem Körper befanden. In der Hoffnung auch die Erinnerungen weg zu schrubben, hatte ich nur meinen Körper gewaschen. Auch während der Dusche hatte ich Tränen vergossen. Nachdem ich aus der Dusche raus war, zog ich mir frische Unterwäsche und meinen Pyjama an. Ich hatte keine Lust noch Anschiss von meinem Onkel zu bekommen, weil ich so spät nach Hause gekommen war. Deswegen versuchte ich so leise wie möglich in mein Zimmer zu gelangen. Doch zu meinem Pech erwischte mich mein Onkel ,,Gülüm was bist du noch um diese Uhrzeit wach?", fragte er und schien plötzlich aggressiv zu sein. Ich wischte meine Tränen weg. ,,A-Amca ich musste noch lernen wegen den Prüfungen." (Onkel), log ich ihn an. Als er meine Tränen sah fragte er verwirrt: ,,Ist was passiert?" Wow zum Ersten mal schien ihm mein wohl ergehen zu interessieren, das hätte er auch fragen können nach dem er mich jeden zweiten Abend Bewusstlos schlug. ,,N- Nein nichts ist los.", sagte ich und drehte ihm den Rücken zu, um in mein Zimmer zu gehen. Stundenlang lag ich wach im Bett und hatte geweint. Warum ich nicht zur Polizei ging? Weil die Polizisten meinen Onkel kontaktieren würden und er hätte dann noch einen Grund mich zu verheiraten. Naja dann hätte er einen Grund um mich dieses mal Krankenhausreif zu verprügeln. An dem Gedanken zuckte ich heftig zusammen. Noch zwei Wochen und du hast dein Abitur in der Tasche sowie genügend Geld, um endlich abzuhauen, dachte ich mir und betete zu Gott, um Geduld, betete dass er mir die Kraft geben könnte zu Überleben. In dieser Nacht gab es für mich keinen Schlaf, weswegen ich auf stand, um die Gebets- Waschung zu nehmen, um anschließend dann zu beten. Stundenlang hob ich meinen Blick nicht vom Boden, riss mich zusammen damit ich nicht wieder in Tränen ausbrach. Doch vergeblich ,,Allahim benim günahim neydi?" (Gott was war meine Sünde?), flüsterte ich ins Dunkele. Immer wieder blitzten die Erinnerungen von heute Nacht auf. Es tat so weh, so unglaublich weh. Dieser Schmerz in meinem Unterleib war nichts zu der klaffende Wunde in meinem Herzen. Meine Hand wanderte zu meinem Mund, um die aufkommenden Schluchzer zu dämpfen. Wieder fing ich an zu weinen. Mit letzter Mühe beendete ich das Gebet ,,Allahim lütfen beni Affet" (Lieber Gott bitte verzeih mir), sagte ich schluchzend. Zitternd war ich zurück in mein Bett geklettert und hatte mich ganz klein zusammen gerollt, so als ob jeden Moment Kemal kommen könnte. Seit diesem Tag an, hasste ich ihn so sehr. Dieser Hass in mir ballte sich zu einem Ball, er ging in Flammen auf und schien mit jeder Sekunde, Minute, Stunde größer zu werden. Ich schloss meine Augen und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Als sich mein Atem endlich beruhigt hatte, ließ ich die Augen immer noch geschlossen. Erinnerungen kamen auf wie mich Kemal damals in der sechsten Klasse vor diesen Mädchen gerettet hatte.
Flashback
,,Bitte hört auf", sagte ich und hielt die Tränen zurück. Wieder bewarfen sie mich mit Papier und Stiften. Dabei lachten sie, sie lachten mich aus. Ich drückte mich mehr in die Ecke und flehte innerlich, dass sie aufhören sollten. ,,Hey! Hört auf!" erklang die Stimme eines Jungen. Alle drehten sich verwirrt zu ihm um. Der Junge kam auf mich zu und packte mich am Handgelenk. Er zog mich nach draußen und fragte lieb: ,,Geht es dir gut?" Ich nickte einfach und flüsterte ein piepsiges ,,Danke" bevor ich mich umdrehte und weg rannte...
Flashback zu Ende
Eine letzte Träne rollte meine Wange entlang. Du bist für mich gestorben Kemal! Das war der letzte Gedanke, bevor ich vor lauter Erschöpfung in den Schlaf fiel.

Am nächsten Morgen stand ich hektisch auf. Frühstück musste gemacht werden, die Zimmer mussten Blitzblank aussehen. In eile rannte ich ins Badezimmer und wusch mein Gesicht. Als ich in den Spiegel schaute schrie ich leicht auf. Mein Hals war mit blauen Flecken übersät, dunkele Augenringe umrandeten meine Grauen Augen, die auch noch gerötet waren. Ich hatte einen rote Wange, weil er mich auch geschlagen hatte. ,,Halt die Fresse" hatte er gesagt und seine Hand traf heftig meine Wange. Ich zuckte zusammen. Wie in Trance griff meine Hand nach dem Make up meiner Tante. Vorsichtig deckte ich die Stellen ab, dabei riss ich mich zusammen nicht wieder los zu weinen. Als auch das erledigt war, ging ich in die Küche und setzte den Tee auf. Schnitt Gurken und Tomaten, holte aus dem Kühlschrank Brötchen raus die ich dann in den Ofen schob. Währenddessen machte ich Ei mit Wurst in einer Pfanne. Nachdem ich den Tisch auch gedeckt hatte, holte ich Käse, Oliven, Marmelade und weiteres raus. Dann goss ich noch den Schwarztee in kleine Gläser und fertig. Da mir nicht nach essen war, ging ich in mein Zimmer und zog mich um. Aus meinem Schrank nahm ich mir eine lockere dunkelblaue Jeans und ein graues T-shirt raus. Dazu kombinierte ich noch meinen schwarzen Cardigan. Meine Welligen pechschwarzen Haare flechtete ich zu einem Fischgräten Zopf. Zu Frieden mit mir selber, schnappte ich mir meine Schultasche und verließ das Haus. Normalerweise würde mich Kemal zwei Straßen weiter abholen, doch ich ging zu Fuß zur Schule. Ich lief mindestens eine halbe Stunde, bevor ich an meiner Schule ankam. Noch einmal atmete ich tief durch und betrat dann das Gymnasium, an dem ich mein Abitur machte. Noch zwei Wochen ermutigte mich meine innere Stimme. Ding Dong klingelte es zur ersten Stunde und ich begab mich ins Klassenraum. Der Unterricht begann, doch ich hörte nicht zu. Ich war so tief in Gedanken versunken, sodass ich nicht mal mitbekam wie sich die Tür öffnete. ,,Entschuldigung die Verspätung, Frau Schenke ich habe verschlafen.", ertönte die Stimme von Kemal. Schlagartig bildete sich eine Gänsehaut auf meinen Armen und ich fing unkontrollierbar an zu zittern. Frau Schenke nickte ihm zu und wollte den Unterricht fortfahren, aber als sie mein Zittern sah fragte sie besorgt: ,,Gülüm geht es dir gut?" ,,J-Ja Frau Schenke", sagte ich und riss mich zusammen. Sie war zwar nicht überzeugt doch nickte im Nachhinein. Nachdem ich einigermaßen mein Zittern unter Kontrolle hatte, fragte mich mein Tischnachbar Florian ,,Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?" ,,Ja, es sind nur die Nachfolgen der Prüfungen.", sagte ich und lächelte ihn an. Falls man sowas als Lächeln bezeichnen konnte. Er nickte und überflog seinen Text. Meine Hände wanderten zu meinen Cardigan und zogen ihn enger um meinen Körper. Tief atmete ich ein. Ich spürte schon förmlich seinen Blick auf mir, sodass ich zusammen zuckte. Es klingelte zur Pause und alle Schüler packten die Sachen ein, um so schnell wie möglich den Klassenraum zu verlassen. Auch ich gehörte zu diesen Schülern. Plötzlich packte mich jemand am Handgelenk und drehte mich zu sich um. ,,Gülüm bitte hör mir zu.", flehte mich Kemal an. Ich wand mich in seinem griff ,,Bırak beni!" (Lass mich los), sagte ich zornig. Mit Tränen in den Augen schaute ich ihm in die Augen ,,Wir haben nichts mehr zu bereden.", sagte ich und rang dabei um Atem. ,,Çünkü." (Weil), fing ich an zu reden ,,Benim artık." (ich ab jetzt keinen) wieder rang ich nach Atem. ,,Kemal diye bir Arkadaşım.", sagte ich ,,Yok." (Besten Freund, habe der Kemal heißt) Meine Hand schellte hoch und landete mit Wucht auf seiner Wange. Die Backpfeife war so hart, sodass man ein Schallen hörte. ,,Eğer, seni benim etragfimda görürsem, beni takip edersen, Polise veririm seni!" (Wenn ich dich in meiner Nähe sehe, wenn du mir folgst werde ich die Polizei einschalten) drohte ich ihm und zeigte ihm meinen Zeigefinger. ,,Duydunmu beni?!" (Hast du mich verstanden?!), brüllte ich ihn mit weit aufgerissenen Augen an. ,,Evet." (Ja), sagte er mit gesenktem Blick. ,,Iyi" (Gut), sagte ich und kreiste die Schultern. Ich warf ihm noch einen angeekelten Blick zu, bevor ich mich umdrehte und in die Frauen Toilette flüchtete. Noch rechtzeitig schloss ich mich in der Kabine ein, um dann in Tränen auszubrechen.

Gülüm- Meine RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt