Kapitel 29

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Kemal schaute mir unglaublich zu. Seine blauen Augen waren geweitet, sein Mund leicht geöffnet. Und dann regte sich etwas in seinen Augen als ich weiter den Strampler zerriss. Ich sah förmlich wie er wütend wurde. Seine Augenbrauen verzogen sich und in seinen Augen blitzte was auf. Auch als ich Angst bekam, zerriss ich den Strampler weiter. „Irgendwann komme ich hier raus und du wirst dein Kind nie sehen.", sagte ich wütend, dabei schaute ich ihm tief in die Augen. Ich lachte auf, sammelte an Selbstbewusstsein. „Du wirst nie ein Teil von seinem Leben sein und er wird dich nie kennenlernen. Wer will denn schon einen Vergewaltiger als seinen Vater?" Ich wusste, dass ich mit meinen Worten ihm weh tat. Das ich mit meinen Worten ihm tief Wunden schnitt und seine tiefsten Ängste ihm präsentierte. „Was redest du da?!", schrie er mich wütend an. Seine Hände ballte er zu Fäusten, seine blauen Augen schauten mich aggressiv an. „Du wirst immer hier bleiben und mit mir hier leben. Glaub mir, es wird so kommen und vergiss deinen scheiss Freund, er wird nie auf die Idee kommen dich hier zu suchen." Ein böses Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Er lachte auf „Ich an deiner Stelle würde mich vernünftig verhalten. Hier in der Gegend ist keiner weit und breit. Niemand würde deine Schreie hören.", sagte er und kam mir immer näher. Mit jedem Schritt den er auf mich zumachte, ging ich einen Schritt zurück. Als ich die Wand an meinem Rücken spürte, wusste ich das er mich schlagen würde. Meine Knie wurden zittrig und Angst machte sich in mir breit. „Heute ist dein erster Tag, ich verschone dich. Morgen nicht mehr.", sagte er und sah mir wütend in die Augen. Ich hielt seinen Blick stand, bis er sich umdrehte und das Zimmer verließ. Zitternd atmete ich erleichtert aus und stützte mich an der Wand hinter mir ab.

Ich stand so unter Strom, sodass ich kein Auge zu bekam. Neben mir schlief Kemal, dabei lag sein Hand auf meinem Bauch. Ich atmete zwar, aber es kam mir so vor als würde ich ertrinken. Jede Minute, die verstrich während ich mit Tränen gefüllten Augen die Decke des Schlafzimmers anstarrte, starb ich. Mir kam die Idee ihn umzubringen. Aber könnte ich das? Bin ich bereit für so einen krassen Schritt? Eine Träne lief mir an der Wange runter. Mir blieb keine Wahl. Langsam setzte ich mich auf. Zitternd griff ich nach meinem Kopfkissen. Wieder fiel eine Träne. Mein Atem stockte und wurde schneller. Ist das hier richtig was ich mache? Fragte ich mich selbst als ich das Kissen über sein Gesicht hielt, kurz davor ihn zu ersticken. Ein kleiner Schluchzer verließ meinen Mund. Wimmernd warf ich das Kissen auf den Boden. Ich schüttelte meinen Kopf und raufte an meinen Haaren. Nein, dass wäre nicht richtig. Es musste einen anderen Ausweg geben, aber diesen Weg würde ich nicht gehen. Weinend rüttelte ich Kemal wach. Verwirrt schaute er mich an. „Was ist denn los?", fragte er besorgt. „Ich muss mal.", log ich und zuckte mit den Schultern. „Deswegen muss du doch aber nicht weinen.", sagte er und stand auf. Ich knipste die Lampe an, sodass Kemal die Tür aufschließen konnte. Als wir dann zusammen in Richtung Badezimmer gingen, blieb Kemal vor dem Badezimmer stehen. Ich schaute ihn noch einmal kurz an, bevor ich das Badezimmer abschloss. „Mach keine Dummheiten.", brummte Kemal vor der Tür. Kommentarlos lief ich zum Waschbecken und wusch mein Gesicht. Ich sah so müde aus, so erschöpft. Meinen Kopf schüttelnd setzte ich mich auf den Klodeckel. Ich brauchte jetzt diese fünf Minuten für mich. Nur für mich, meine Privatsphäre. Fünf Minuten kein Kemal, nur mein Baby und ich. Mir wurde klar dass ich stark bleiben musste. Für mein Baby, damit es gesund blieb. Das hieß ich muss regelmäßig essen, trinken und mich fügen. Was wenn ich Kemal zu sehr wütend mache und er ausrastet und mich verprügelt? Ich konnte es nicht riskieren dass meinem Baby etwas passiert, nur weil ich Dummheiten machte. Tief ein und aus atmend stand ich wieder auf und lief zur Tür. Ich werde hier einen Ausweg finden, egal was kommt.

Sicht von Said

Etwas stimmte nicht als ich am Abend an der Tür von Gülüm klopfte. Sie ging nicht an ihr Handy, antwortete nicht auf meine Nachrichten. Ich hatte sogar ihre Freundin Semiha angerufen und gefragt ob sie etwas wüsste. Ich klopfte härter an der Tür. „Gülüm mach die Tür auf, was ist denn los?", schrie ich schon beinahe. Als ich dann noch härter gegen die Tür hämmerte, öffnete sich die Tür von selbst. Quietschend ging sie ein Stück auf. Verwirrt öffnete ich die Tür ganz und trat in die Wohnung von Gülüm ein. Die Wohnung von ihr war verwüstet, vor allem ihr Zimmer. Ihr Handy lag auf dem Tisch. Hektisch schaute ich mich um. Wut stieg in mir. Sie konnte nicht gegangen sein, nicht ohne sich zu verabschieden. Während ich mich umschaute, ihren Kleiderschrank durchwühlte, verstand ich plötzlich. Sein Name schoss mir in den Kopf. Kemal. Wutentbrannt raufte ich an meinen Haaren. Meine Gedanken kreisten. Ach du scheiße. Zitternd vor Wut griff ich nach meinem Handy und rief meinen Kollegen an. „Arif wir haben ein Problem.", sagte ich schnell ins Telefon.

Sicht von Gülüm

Am nächsten Morgen frühstückten wir im Wohnzimmer. Brav saß ich neben Kemal und aß mein Nutella Brot. Wir schwiegen uns an, was ich auch gut fand. Ich wollte nur noch eine Sache herausfinden. Nachdem ich aufgegessen hatte legte ich mein Besteck bei Seite. „Hat dieses Haus auch einen Garten?", fragte ich plötzlich und unterbrach die Stille. Er hob seinen Blick und lächelte. „Ja es hat einen kleinen Garten, da ist auch eine Hollywoodschaukel." Ich nickte nur und ich wusste schon direkt das er diesen Garten irgendwie so gestaltet hatte, sodass ich nicht fliehen könnte. „Ich kann dir den Garten ja gleich zeigen, vielleicht können wir zusammen Blumen oder Gemüse dort einpflanzen." Ich verzog eine Grimasse und stand auf. Nahm mein Geschirr in die Hand und brachte es in die Küche. Als ich das Geschirr in die Spülmaschine einräumte, hörte ich wie Kemal in die Küche kam. Er legte sein Geschirr auf den Tisch und schaute mir zu. „Ist was?" fragte ich zickig. „Ich muss gleich los, du wirst alleine hier sein. Der Fernseher hat auch deutsche Kanäle und den Garten zeige ich dir jetzt.", sagte er und lächelte. Ich nickte, bevor ich ihm folgte. Oben befand sich das Badezimmer, das Schlafzimmer und das Kinderzimmer. Unten habe ich bis jetzt nur die Küche und das Wohnzimmer gesehen. Wir gingen aus der Küche raus, es befand sich aber unten noch ein Zimmer in dem ich noch nicht drin war. Nun waren wir in der Eingangshalle und direkt gegenüber der Haustür befand sich eine Tür. Kemal nahm seinen Schlüssel raus und schloss diese Tür auf. Ein grüner Garten erstrahlte, mitten drin eine Hollywoodschaukel. Ich hätte jetzt mit einem Wald gerechnet doch die Riesen große Mauer versperrte mir die Sicht. Hart schluckte ich. Noch konnte ich vielleicht klettern, aber wie wird es in ein paar Wochen sein? Mein Blick suchte den ganzen Garten ab. Es stand noch ein kleiner Gartentisch und zwei Stühle sowie ein Grill in einer Ecke, das war's dann auch. Verzweifelt versuchte ich die Höhe der Mauer abzuschätzen. Eindeutig zu hoch für eine Schwangere. „Sieht nett aus.", sagte ich zu Kemal und blinzelte die Tränen weg.

Gülüm- Meine RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt