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"Übrigens kommt heute Harry zum Abendessen und da bald Herbstferien sind, dachten wir, dass wir doch alle gemeinsam für ein paar Tage wegfahren können. Ich bin dafür, mal in die Berge zu fahren. Dort ist es schön ruhig und beruhigt euch vielleicht, wenn du oder Ryan wieder austicken. Ich will testen, wie wir zu viert alle miteinander klarkommen, wenn wir länger als einen Abend miteinander verbringen müssen. Von da aus könnt ihr nicht so einfach nach Hause abhauen. Wenn alles gut läuft, will ich gerne, dass wir alle zusammenziehen, insofern Harry es auch unbedingt will.", erzählt mir Mom und klingt von ihrer Idee wahrlich begeistert. Seit dem Abend der Offenbarung sind mittlerweile drei Tage vergangen, in denen sie sich etwas beruhigt hat, was ihren Schock zu meinen blauen Haaren betrifft. Sie ist immer noch ziemlich sauer, auch wegen meiner Reaktion auf Harry, aber sie redet wieder mit mir, obwohl sie sonst extrem nachtragend ist. Vermutlich hält mein neuer Stiefvater nicht mal zwei Monate aus.
"Aus welchem Ratgeber hast du das denn? Erwarte von mir nicht, dass ich einen auf glückliche Familie mache, ich will gar nicht erst mitkommen. Habt ihr uns eigentlich mal gefragt, was wir davon halten oder ist euch das vollkommen egal, wie wir uns dabei fühlen?", beschwere ich mich, auch wenn ich weiß, dass es an ihr abprallen wird.
"Gegenfrage: Interessiert es dich eine Sekunde mal, ob ich glücklich bin? Seit ich Harry habe, bin ich jedenfalls und das konnte ich schon lange nicht mehr von mir behaupten, seitdem mich dein gottverdammter Vater einfach sitzengelassen hat. Für dich ist doch sowieso nichts gut genug, was ich dir biete, du meckerst mir so oder so die Ohren voll, egal, mit wem wir zusammen leben. So wie ich dich kenne, willst du nach deinem Abi sowieso schnellst möglich hier ausziehen, dann geht dich das gar nichts mehr an. Das einzige was du tun musst, ist ein paar Monate noch auszuhalten. Dein jetziges Leben wird schließlich in keinem Punkt eingeschränkt werden. Und jetzt entschuldige mich, deine Dienerin muss das Geld verdienen gehen." Diese Ansage hat gesessen. Ich habe sie noch nie mit so strenger Stimme reden gehört. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, so haben ihre Worte mich doch hart getroffen und ein Funke Schuldgefühle nagt an mir, aber ich weiß nicht, was ich an unserer Situation ändern könnte. Ich will und kann mich nicht ändern, genauso wenig wie meine Mutter sich. Es ist schwierig, wenn zwei diese Dickköpfigkeit besitzen.

Dann wäre da noch Ryan. Er ignoriert mich entweder oder er provoziert mich. Im Prinzip war es vorher auch schon so herzlich zwischen uns, nur wirkt es, als hätte er jetzt eine wahre Abneigung gegen mich entwickelt, anstatt nur einen auf dicke Hose zu machen. Für unsere bescheuerten Eltern kann ich doch nichts und dass er so eine Mimose ist.
"Kommt er allein oder sein verdammter Sohn auch?" , frage ich Mom mit beherrscht neutraler Stimme an der Tür, als sie schon in der Tür steht.
"Ihr solltet euch vertragen, was auch immer da zwischen euch nicht stimmt. Das tut dem Familienklima nicht gut. Und ja er kommt selbstverständlich auch."
"Noch sind wir keine Familie und ich will unter keinen Umständen Ryan meinen Stiefbruder nennen müssen.", nörgele ich weiter herum.
"Ihr seid doch schon ach so erwachsen, klärt das unter euch und jetzt muss ich wirklich los." Damit lässt sie mich einfach stehen, jedoch bin ich erstaunt, dass ich die Tür nicht hinter ihr zuknalle.

Hallo, kleine Stalkerin.

Die Nachricht ist von Ryan und schon eine Stunde alt. Er schreibt mich jetzt wohl jeden Tag an?

Selber Stalker. Was gibt es denn oder hast du mich einfach nur vermisst?

Ich mache mich auf den Schulweg, während ich die ganze Zeit nur auf mein Handy starre.

Bekomme ich heute wieder was interessantes über dich zu wissen?

Für seine Verhältnisse klingt Ryan aber erstaunlich gut gelaunt. Während er mich in realen Leben wie Dreck behandelt, ist er zu der Fake-Tess ein wahrer Prinz.

Das kommt ganz darauf an, wie du interessant definierst.

Bist du noch Jungfrau?

Typisch, so eine "interessante" Frage kann nur von einem schwanzgesteuerten Jungen wie ihm kommen.

Nein.

Ich bin nicht gerade prüde, deshalb halte ich diesen Fakt nicht für ein Geheimnis.

Das heißt also, dass ich ein paar von den Strebern und so wegstreichen kann, aber mit mir hast du noch nicht gevögelt, sonst wärst du nicht so schüchtern mit mir persönlich zu schreiben. Das grenzt das Ganze schon mal ein.

Verdammt, er hat sein Hirn benutzt. Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, was dieser Fakt für Informationen mit sich bringen könnte.

So, jetzt geht die Schule vor. Vielleicht bin ich ja trotzdem einer dieser Streber.

Meine Haare sind am Abend zu einem unordentlichen Knoten gebunden, ich habe einen zu großen Schlabberpulli an und eine Jogginghose. Das bin ich nun mal, nur so fühle ich mich zu Hause richtig wohl, da ist es mir mehr als egal, ob wir heute Abend Besuch bekommen, ganz besonders dieser Besuch. Diesmal erspart sich Mom die Standpauke und verleiert nur genervt die Augen.
Als es klingelt, mache ich auf, gehe aber sofort wieder. Stillschweigend bringen wir das Essen hinter uns und lassen unsere Eltern anschließend allein, worauf sie sofort mit dem Gerede anfangen. Ich flüchte in mein Zimmer, was Ryan macht, ist mir egal. Er hat noch kein einziges Wort mit mir gewechselt, mich nicht einmal angesehen.

In meinem Zimmer spiele ich Tomb Raider auf der Xbox, um mich etwas aufzumuntern. Da ich den Ton sehr laut eingestellt habe, kriege ich gar nicht mit, dass Ryan mein Zimmer betreten hat.
"Ich ertrage das da unten nicht." Es kann reden, ein Wunder.
"Tja, das tut mir sehr leid und jetzt geh wieder. Kannst du die Tür wieder zumachen?" Ich bemühe mich gar nicht erst aufzusehen.
Eigentlich meine ich damit, dass er wieder abhauen soll, stattdessen schließt er die Tür und setzt sich unerlaubt neben mich auf den Boden. Ich stelle schnell das Spiel auf Pause, das hier könnte etwas dauern.
"War nicht nötig.", meint er und zeigt keine Anstalten seinen Hintern aus meinem Zimmer zu schaffen, trotz meiner vernichtenden Blicke.
"War es nötig hier zu bleiben?", frage ich genervt. Ignorantes Arschloch.
"Vielleicht, ich brauche Ablenkung." Und plötzlich drückt er so schnell seinen Mund auf meinen, dass ich nicht mal mehr Blinzeln kann.

Fuck you, Bad Boy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt