Als ich am nächsten Morgen aufwache, fühle ich mich so, als hätte ich nicht eine Sekunde die Augen zugetan. Wie erwartet musste ich die ganze Zeit an Ryan denken, der nur wenige Meter weiter auf unserer Couch im Wohnzimmer schläft. Das hat mich ziemlich vom Einschlafen abgehalten und nicht zuletzt musste er mich auch noch im Traum verfolgen. Ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, nur, dass es sinnloser, zusammenhangloser Mist gewesen sein muss, anders kann ich mir nicht erklären, warum ein riesiger Hase darin vorkam, den ich auf unserem Schulklo gefunden habe.
Als ich auf mein Handy gucke und sehe, wie unverschämt früh es noch ist für einen Sonntag, könnte ich um den verschwendeten Schlaf heulen. Bin ich einmal wach, dann bleibe ich das auch. Ich rede mir ein, dass ich so immerhin viel mehr mit meinem Tag anfangen kann, auch wenn ich genau weiß, dass es wieder darauf hinausläuft, dass ich tausend Dinge tun könnte und zu nichts wirklich Lust habe.
Meine Blase gibt mir den letzten Anstoß, um aufzustehen. Wie selbstverständlich mache ich die Badtür auf, da ich weiß, dass meine Mutter noch schläft und nicht da drin sein kann. Allerdings habe ich für einen kurzen Moment vergessen, dass wir nicht zu zweit sind. Ich werde von Ryan überrascht, der nur in Boxershorts über das Waschbecken gebeugt steht und sich rasiert. Ich stehe Sekunden reglos da und starre ihn einfach nur an, ohne mir etwas dabei zu denken. Es kommt mir vor, als würde einfach nur sein Anblick mein Gehirn komplett ausschalten.
"Kannst du nicht anklopfen?", keift er mich an. Ich schiebe es einfach auf die frühe Uhrzeit, vielleicht ist er ein Morgenmuffel. Wenigstens holt er mich damit aus meiner Trance heraus. Um nicht wieder so bescheuert zu starren, konzentriere ich mich auf den Schaum in seinem Gesicht und rede mir ein, dass er damit ganz schön bescheuert aussieht. Natürlich tut er das nicht, wem will ich hier was vorlügen? Er würde wahrscheinlich mit allem im Gesicht noch so gut aussehen. Erst jetzt fällt mir auf, dass meine Haare wahrscheinlich das schlimmste durcheinander abgeben, ich keinen BH trage und mein Schlafanzug total loddrig aussieht, nichts zu vergessen die Augenringe, die heute wahrscheinlich noch schlimmer sind als sonst sowieso schon.
"Dann schließ doch ab, wenn du keinen Besuch willst. Dafür gibt es diesen Schlüssel in der Tür, weißt du?" Ich drehe mich um und will die Tür zumachen, nachdem ich draußen bin, aber schreie noch "Und beeil dich!", hinterher. Die Tür schmeiße ich mit einem gewaltigen Knall wieder zu. Das sage ich nicht nur, weil ich mich ein bisschen verletzt fühle, weil das die ersten und einzigen Worte waren, die Ryan gerade mit mir gesprochen hat, sondern auch, weil meine Blase sich nicht mehr lange gedulden kann. Erstmal bleibt mir nichts anderes als zu warten, deshalb setze ich mich auf den Boden direkt neben der Tür. Manchmal wünsche ich mir eine zweite Toilette.
Aus dem Schlafzimmer kommt verschlafen und gähnend meine Mutter. Durch die offene Tür sehe ich, dass ihr Verlobter noch im Bett liegt und friedlich vor sich hin schlummert.
"Gott, was ist das denn für ein Krach hier um die Uhrzeit?", stöhnt meine Mutter, während sie an mir vorbeiläuft, als hätte sie gar kein Interesse an einer Antwort.
"Ryan blockiert das Badezimmer!", beschwere ich mich, da ist sie schon um die Ecke.
"Vertragt euch, Kinder!", kommt es nur noch von weiter weg, falls ich dieses Genuschel richtig verstanden habe. Vielleicht sollte ich lieber aufpassen, dass sie nicht im Stand einschläft und umkippt. Doch diesen Gedanken verwerfe ich sofort wieder, als sich endlich die Badtür neben mir öffnet. Die Frau ist erwachsen, sie kann schon auf sich selber aufpassen, also remple ich Ryan fast aus dem Weg, um auf Toilette zu kommen. Allerdings hält er mich plötzlich am Handgelenk fest und guckt mich mit einem Blick an, der gleichzeitig angsteinflößend grimmig, aber auch nachdenklich wirkt. Und schon ist mein Handgelenk wieder befreit. Er kann mich nicht länger als zwei Sekunden festgehalten haben, die Frage ist jetzt nur warum. Mit einem Kopfschütteln lässt er mich allein und äußerst verwirrt zurück. Ich glaube, wir sind alle noch nicht richtig wach.
Ich will gerade den Klodeckel hochklappen, da wird die Tür wieder aufgerissen. Diesmal war ich es, die nicht zugeschlossen hat. Ich will mich gerade beschweren, als Ryan auf mich zustörmt, doch dazu kommt es gar nicht mehr, denn schon drückt er seine Lippen auf meine. Ich bin so überrumpelt, dass ich ihn einfach nur wieder anstarren kann, während er die Augen geschlossen hält und weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, in der ich es einfach geschehen lasse und nicht mal mit der Wimper zucke.
"Ich muss mal aufs Klo.", ist das einzige, was mir einfällt, als er wieder von mir ablässt. Dumm, dümmer, das dümmste, was ich hätte sagen können. Als er wieder weg ist, schließe ich panisch dieses verdammte Bad ab. Was zum Teufel war das eben und warum zum Teufel war es? Was soll ich jetzt machen? Die beste Idee ist es wahrscheinlich, mit ihm zu reden. Das klingt sogar sehr vernünftig.
Ich finde ihn im Wohnzimmer wieder, wo er sich mittlerweile mal eine Hose und ein Oberteil angezogen hat, während ich immer noch aussehe wie ein Monster. Aus irgendeinem Grund habe ich mir gerade wenigstens die Zähne geputzt.
"Hey", ist das einzige, was ich rausbringe. "Was war das gerade?", lege ich dann doch die Karten auf den Tisch.
"Keine Ahnung, es war nur so eine Idee.", gibt Ryan zurück, als wäre das nichts gewesen.
"Nur eine Idee? Was soll das schon wieder heißen?" Ich werde patzig, weil er endlich sagen soll, was los ist, anstatt mir nur noch mehr Fragen zu geben.
"Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich es tun sollte."
"Und warum?", bohre ich weiter. Von allein spuckt er ja nichts aus.
"Muss ich dir jetzt wirklich erklären, warum ich dich geküsst habe?" Mein Blick sagt scheinbar genug. "Ich mag dich eben...irgendwie, also mehr als andere. Man, muss das sein? Ich bin echt nicht gut in sowas." Er sieht wirklich verzweifelt aus, weil er entweder nicht die richtigen Worte findet oder sich nicht traut, diese auch auszusprechen.
"Du magst mich also? So richtig?" Es ist nicht das Schönste, was ein Junge einem sagen könnte, aber vielleicht kann man von Ryan einfach nicht zu viel erwarten.
"Ja, ich mag dich und zwar ziemlich, auch wenn du eine nervige Kratzbürste bist und nicht so wirklich weiß, warum ich so fühle, aber es ist nun mal so. Dagegen kann ich nichts machen, hab es schon versucht." Für diese blöde Antwort kassiert er von mir einen Schlag gegen die Schulter. Das schreckt ihn aber nicht ab, im Gegenteil. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich nochmal. Diesmal bin ich nicht ganz so überrumpelt und nehme diesen Kuss ganz anders wahr. Diesmal genieße ich ihn richtig, schließe meine Augen und bewege meine Lippen mit seinen. Ich will gerade gar nicht darüber nachdenken, was das hier zu bedeuten hat, welche Zukunft wir gemeinsam haben, ob er mich verletzen wird oder nicht. Ich will einfach nur diesen Moment ganz in mich aufnehmen.
Als er von mir ablässt, stiehlt sich ein Lächeln auf meine Lippen und auch seine Mundwinkel bewegen sich nach oben.
"Teenager.", kommt es aus einer Ecke der angrenzenden Küche. Meine Mutter läuft ohne ein weiteres Wort an uns vorbei und verschwindet wieder in Richtung Schlafzimmer. Und hat alles mit angesehen.
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Fuck you, Bad Boy!
Teen FictionDie 18-jährige Tess ist die Neue an ihrer Schule. Schon wieder. Und es kotzt sie an. Vor allem dieser total heiße...ähm, Entschuldigung...Super dumme Bad Boy trägt nicht gerade zur Freude in ihrem Leben bei. Doch es ist echt verdammt schwer, seiner...