33. Tag Drei - 2/2

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Gegen 16 Uhr befanden wir uns in einem kleinen Dorf und suchten nach einem Kiosk, weil wir dringend Trinken brauchten.

Das Dorf war klein und in der Mitte stand eine große Kirche auf dem Dorfplatz.
Sie war groß und die Fenster waren aus verschiedenen, bunten Scherben, was mir wahnsinnig gut gefiel.

Wir schlenderten durch die Gegend und schoben unsere Fahrräder nebenher.
Das ständige Holpern, was durch die Pflastersteine entstand, nervte mich total, doch da anscheinend alle Straßen in diesem Dorf gepflastert waren, musste ich es wohl oder übel ignorieren.

Nick steuerte direkt auf das kleine Kiosk zu, vor dem ein junger Mann in Latzhose stand.
Ich hatte echt gedacht, dass es in Dörfern nicht so wäre, wie man es immer erzählt bekommt, doch der Typ sah aus, wie ein richtiger Bauer und das ist keineswegs böse gemeint.
In seiner Latzhose und dem Grashalm zwischen den Zähnen sah er schon etwas albern aus, dachte ich.

"Was habt ihr denn hier verloren?", nuschelte er und lies seinen Kopf etwas in den Nacken fallen, damit der Grashalm zwischen seinen Zähnen blieb.

"Wir machen eine Fahrradtour mit unserer Klasse und wir wollten uns schnell was zu Trinken kaufen, bevor's weiter geht", erklärte Nick und die Ausrede war wirklich gut, fand ich.

"Aha. Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft verklickern, dass ihr 'ne Radtour macht. Schaut euch mal an! Ihr seht aus als ob ihr Jahre im Wald verbracht hättet."

Nicks Augen weiteten sich.
"Ähm. Unser Lehrer ist da hinten, wir wollen wirklich nur schnell was zu Trinken", sagte Nick und deutete hinter die Kirche.

"Jaja. Is schon gut. Mir müsst ihr nix erzählen", brummte er. "Wie wärs, wenn ihr erst mal mitkommt und was gescheites esst und euch mal duscht?"

Verwirrt schaute Nick in die Runde. Ich fand die Idee gar nicht mal schlecht, denn meine Haare waren schon total strähnig und mein Magen sehnte sich nach etwas Warmem.

Nachdem wir ein paar zweifelnde Blicke ausgetauscht hatten, gingen wir letztendlich mit dem Typen.

Ich hörte meine Mutter, wie sie sagte: "Geh niemals mit Fremden!"

Scheiß' drauf, dachte ich. Wir hatten eh nichts zu verlieren.
Außerdem wirkte der Typ nicht so, als ob er uns verschleppen und einsperren würde, wie in den Filmen, die spät abends auf meinem früheren Lieblingskanal im Fernsehen liefen.

*

Wir saßen bereits in der Küche des riesigen Hauses und aßen Kartoffeln, die der Typ gekocht hatte.

"Also, Freunde. Ich bin Alex. Und wer seid ihr?", fragte er und setzte sich an die Ecke des Holztisches.

Nacheinander stellten wir uns vor und Alex nickte nur, während er auf seinem Grashalm herum kaute.

"Ich frag einfach nicht, was ihr wirklich hier macht, okay?
Aber ihr seid doch keine Schwerverbrecher, oder?
Wenn doch, dann muss ich euch leider wegschicken, weil das wär dann doch 'n bisschen viel", nuschelte er und Lola lachte auf.

"Nein, keine Sorge. Wir sind keine Mörder oder so. Alles gut", kicherte Lola und ihre Grübchen kamen zum Vorschein.

"Dann geht das klar.
Egal, was ihr habt: Ich verrate euch nicht, keine Sorge", sagte er.
"Ihr könnt in der Scheune pennen. Ich geb euch 'n paar Kissen und ein paar Decken. Die Dusche ist oben, falls wer duschen will.
Achso, versucht bitte, nichts kaputt zu machen, das wär toll. Und wenn was ist, dann gebt Bescheid.
Und zu guter Letzt: Willkommen in meinem trauten Heim!"
Alex grinste, soweit das mit dem Grashalm ging und verschwand dann, weil er noch was einkaufen musste.
Ich war überrascht, dass er nicht mehr von uns wissen wollte, als unsere Namen, denn ich würde höchst wahrscheinlich keine Gruppe Jugendliche einfach so bei mir aufnehmen.

Nachdem wir alle nacheinander geduscht hatten, war Alex bereits wieder da und holte Decken und Kissen aus einem riesigen, grünen Schrank.

Ich stand mit noch nassen Haaren hinter ihm und er stapelte die Kissen auf meinen Händen, bis ich nichts mehr sehen konnte, weil der Kissenturm so hoch war.

"Okay. Das müsste reichen. Wie heißt du noch gleich?"

"Allison", sagte ich und lächelte freundlich.

"Okay, Allison. Weißt du, eigentlich mach ich das nie. Dass ich Fremde aufnehme und so.
Aber ich hab beschlossen, dass ich hilfsbereiter werde.
Außerdem saht ihr echt so aus, als ob ihr mal ne Unterkunft bräuchtet."

Ich lächelte wieder, weil er mir trotz der Latzhose, die halb herunter hing und dem albernen Grashalm, wirklich sympathisch war.
"Tausend Dank, dass wir hier sein dürfen. Das ist echt nett."

"Kein Ding", sagte er und wir trugen die Decken und Kissen in die benachbarte Scheune.

Die Scheune war größer als das Haus und wie erwartet voller Stroh.
Wir legten die Decken und Kissen aus und die anderen kamen zu uns in die rot gestrichene Scheune.

"Wow", hörte ich Bella, die sich auf eine Decke warf und mit dem Stroh spielte.

"Okay, Freunde. Ich würd sagen, ich lass euch dann mal alleine.
Wie gesagt: Wenn was is', ich bin neben dran.
Und ihr könnt ruhig etwas länger bleiben. Hab ich kein Problem mit", grinste Alex und zog die Scheunentür mit einem Knarren hinter sich zu.

Nun waren wir unter uns.

"Ich mag ihn", sagte Lola und legte sich seufzend neben Bella.

"Ja, ich auch. Ich meine, wer lädt schon wildfremde Menschen ein?", lachte ich und warf mich ebenfalls neben Lola.

"Wie wärs, wenn wir morgen noch hier bleiben und mal Pause nehmen vom Fahrradfahren?", fragte Nick.

"Find ich gut", antwortete Will und der Rest und ich stimmten auch zu.

"Okay. Dann lass uns schlafen legen. Wir sind ziemlich viel gefahren und haben immer viel zu wenig geschlafen, also lasst uns jetzt mal ausschlafen", meinte Nick und legte sich auf die äußerste Matte, was hieß, dass Will neben mir schlafen musste. Was anderes blieb ihm nicht übrig.

Kurz darauf spürte ich, wie er neben mir landete und sich zudeckte.
Als ich mich umdrehte, mich zudeckte und gerade die Augen schließen wollte, fiel mein Blick auf ihn und ich konnte nicht mehr wegsehen.
Seine Augen ruhten auf mir und unsere Blicke trafen sich.

"Liz", murmelte er durch die Decke, die er sich bis zum Mund gezogen hatte. Drei Buchstaben und mir lief schon ein Schauer über den Rücken.

"Gute Nacht, Will", murmelte ich zurück.

"Nicht Will. Heute bin ich Luis."

"Dann gute Nacht, Luis", seufzte ich und ich sah kurz einen Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht, als er die Decke etwas beiseite schob.

"Gute Nacht, Liz."
Und mit dem Klang seiner rauen Stimme, die in meinem Kopf nachhallte, schloss ich meine Augen.

Freaks [wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt