46. Besuch & Dankbarkeit

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Dieses Krankenhaus war eigentlich komplett weiß, nur hin und wieder entdeckte ich Teile, die blau waren.

Ich spürte förmlich die Einsamkeit, die das Krankenhaus ausstrahlte, obwohl hier so viele Menschen waren.
Während ich durch die Gänge lief, erblickte ich lächelnde und weinende Gesichter.
Krankenhäuser waren einfach nichts für mich, denn ich spürte das große Loch in meiner Magengrube und legte eine Hand auf meinen Bauch, weil ich dachte, so könnte ich das nicht existierende Loch stopfen.

Doch das Loch blieb. Die Leere breitete sich in mir aus und ich hatte urplötzlich den Drang, wegzurennen und einfach nur zu verschwinden.

Eben ging es mir doch noch so gut. Was war jetzt wieder los?!
Mein Körper rebellierte und es fiel mir schwer, zum Aufzug zu gelangen, der mich in den dritten Stock zu der Station führte, wo Bella lag.

Ich hielt mir immer noch den Bauch, während ich aus dem grauen Aufzug ausstieg und zur der nächst besten Rezeption ging.

Gerade wollte ich fragen, wo Bella lag, da hörte ich eine bekannte Stimme.

"Ally!"

Bellas Lockenkopf tauchte auf. Sie trug die typische Krankenkleidung und tapste barfuß auf mich zu.

Sie wurde von einer Schwester ermahnt und so gingen wir auf ihr Zimmer.
Während sie sich auf ihr Bett fallen lies, erzählte sie mir, dass sie das Zimmer sogar für sich alleine hatte und wir so nicht gestört wurden.

Mein Blick fiel auf die Uhr, die auf einem kleinen Holztisch neben dem Bett stand.

14:37 Uhr
16. August

War die Zeit so schnell vergangen?
Schon August?
Wir hatten so viel erlebt und mir kam es vor, als ob die Zeit in Klinik Woods Jahre her wäre.
Wir sind älter geworden, dachte ich und Bella riss mich aus meinem Gedanken.

"Was denkst du?"

"Die Zeit vergeht so schnell..."

Bella seufzte und wechselte das Thema. "Will hat mir eine SMS geschrieben, dass er gleich da ist. Nick und Lola kommen erst später. Die beiden kommen mit dem Zug."

Ich nickte und lies mich neben Bella aufs Bett fallen.

"Wie geht's dir? Und wie geht's deiner Mutter so?", fragte sie.

Ich überlegte. Eben hatte ich noch dieses Loch, diese Leere gespürt, und davor ging's mir noch gut.

Meiner Mutter ging es trotz der Trennung von Richard gut. Die Trennung war eine gute Entscheidung gewesen, hatte sie selbst gesagt.
Erst vor ein paar Tagen hatte sie sich von dem Idioten getrennt und ich hatte kurz darauf mit Bella telefoniert gehabt, weshalb sie jetzt wahrscheinlich nochmal nachfragte.

"Bei mir ist alles okay. Und bei meiner Mutter auch. Und bei dir? Wie ist es hier so? Und wann wirst du genau entlassen?"
Bella lächelte mir zu und ihre blauen Augen strahlten mir entgegen.

"Bei mir ist soweit auch alles okay.
Es könnte viel schlimmer sein, nicht wahr?"
Ihre Stimme wurde zum Ende hin immer brüchiger.
Ich drehte mich auf die Seite und sah sie besorgt an.

"Bella? Rede mit mir darüber. Wie fühlst du dich?"
Diesmal würde ich aufpassen.
Diesmal würde ich alles geben, um für sie da zu sein, dachte ich.

"Ich hab eine Essstörung. Ich fühle mich wie jemand, der eine Essstörung hat."
Auf einmal war das Strahlen, die Freude in ihren Augen weg und sie sah noch hagerer und noch zerbrechlicher aus, wie sie so gekrümmt neben mir lag und mit dem Zipfel der Decke spielte.

Freaks [wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt