39. Endlich

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Der See wirkt größer als früher, dachte ich, als ich das Fahrrad fallen lies und zum Wasser rannte, was sich vor mir erstreckte.

Endlich waren wir da, dachte ich.

Ich sah zum anderen Ende des Sees herüber und lies meinen Blick dann einmal komplett über den See schweifen.
Das Wasser wirkte ruhig, so wie früher.

Außerdem war der ganze See immer noch von hohen Bäumen umringt, die einem an einem heißen Tag Schatten spendeten.

Meine Freunde gesellten sich zu mir und Lola entwich ein leises 'Wow'

"Das ist wunderschön hier", sagte Bella schließlich.

Ich stand einfach nur da und sah meinen Vater vor mir, wie er im See schwamm und wie er lachte und wie er lebte.
Es tat so unfassbar weh, an ihn zu denken und trotzdem dachte ich gern an ihn.

Ich liebte es, ihn mir vorzustellen, wie er Dinge tat, die er früher immer getan hatte, obwohl es schmerzte.

Die Sonne kam sogar zum Vorschein hinter den Bäumen und strahlte uns entgegen.
Das trübeWasser schimmerte leicht im Licht und Nick seufzte.

"Leute? Ich geh jetzt schwimmen und ihr kommt alle mit."

Nick streifte sich das Sweatshirt über den Kopf und zog seine Jeans aus.
Überrascht schaute ich ihm zu, wie er geradewegs in den See stürmte. Nur in Boxershorts.

Seine Knochen waren zu sehen, vor allem sein Schlüsselbein, doch er lächelte so breit, dass ich das gar nicht weiter beachtete.

"Kommt schon, Freunde.
Vergesst doch mal alles für'n Moment.
Jeder von uns hat Narben. Es ist nicht schlimm, sie zu zeigen.
Also worauf wartet ihr? Das Wasser ist toll. Kommt schon!", forderte uns Nick auf und Will war der nächste, der sich seine Kleidung abstreifte und in seiner blauen Shorts hinterher ins Wasser hüpfte.

Wir Mädchen schauten uns zweifelnd an.

Und dann überkam mich ein seltsames Gefühl.
Komm schon, Allison, sagte es zu mir und dann ergriff mich dieses Gefühl und ich tat etwas, was mir gar nicht ähnlich schien.

Ich schlüpfte aus meiner Hose und während ich meinen Pulli auszog, tat Bella es mir gleich.

Mir war es unangenehm in Unterwäsche ins kalte Wasser zu springen.
Mir war es überhaupt unangenehm, weil ich in Unterwäsche war. Doch dieses packende Gefühl hatte mich fest im Griff und ich konnte nichts dagegen tun.

Egal, dachte ich.
Scheiß drauf, dachte ich.
Vergiss' einfach mal alles und leb' endlich, Allison, dachte ich.

Dann sprang ich ins Wasser und unter Wasser öffnete ich die Augen.
Um mich herum war alles grün und blau und ich entdeckte durch das trübe Wasser Nick, der mir entgegen schwamm.

Dann schaute ich nach oben und das Licht färbte das Wasser in eine wunderschöne Farbe.
Als ich auftauchte, musste ich mir erstmal die Haare aus dem Gesicht streichen, bevor ich irgendwas sehen konnte.

Dann sah ich Lola, wie sie im hüfttiefen Wasser stand und ihren Bauch mit ihren Armen verdeckte.
Sie wirkte genauso, wie ich mich eigentlich fühlen sollte.
Unsicher.
Doch ich fühlte mich nicht unsicher. Ganz im Gegenteil. Dieses ergreifende Gefühl nahm mir all die Unsicherheit.

Dieses Gefühl gab mir Mut. Was war es für ein Gefühl?

Nick nahm Lola bei der Hand und ich entdeckte Bella, die in der Nähe der beiden stand.

Ihre Rippen zeichneten sich deutlich vom Rest ihres dünnen Körpers ab und sie sah wirklich zerbrechlich aus.

Bella und Nick halfen Lola ins Wasser, diese strampelte erst einmal wie jemand, der zum ersten Mal ins Wasser kam.
Naja, das stimmte ja auch irgendwie.

Freaks [wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt