41. Gras & Gänseblümchen

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Und am nächsten Morgen weckten mich tatsächlich die Sonnenstrahlen, die mich durch die Baumkronen hindurch blendeten.

Blinzelnd setzte ich mich auf und sah neben mich, wo Will lag.
Automatisch musste ich lächeln.
Dass er mich auch liebte und dass ich ihn liebte, war ein riesiges Geschenk.

Seine Haare hingen ihm ins Gesicht und er hatte eine Hand unter seinen Kopf gelegt, um ihn zu stützen.
Seine kantigen Wangenknochen stachen hervor und am liebsten wäre ich sie mit den Fingern nachgefahren.

Mein Blick glitt über den See und dann über den Rest meiner Freunde, die neben uns lagen.
Auf einmal spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich zu Will, der mich verschlafen angrinste.

"Guten Morgen, Liz", murmelte er und seine Stimme war noch tiefer als sonst, so wie morgens immer.

"Hey", lächelte ich und spürte Wills warmen Atem auf meinem Gesicht.

Vorsichtig legte er seine Lippen auf meine und zog mich danach in eine feste Umarmung.

"Gott, ich bin so froh, dass ich dich kenne, Liz. Und noch glücklicher, dass ich deine Hand halten kann und dich küssen kann. Einfach, dass ich dein Freund sein darf", nuschelte er.

"Seit wann bist du religiös?", lachte ich und hörte, wie er ebenfalls leise lachte.
"Du bist also mein Freund, ja? Und ich bin deine Freundin?"

Er löste sich von mir und wickelte sich eine meiner Haarsträhnen um den Finger.
Verträumt schaute er zu, wie sich die Strähne in seiner Hand bewegte.
"Das klingt gut, finde ich. Das klingt perfekt."

Ich nickte und sah rüber zu Nick, der gerade aufgestanden war und sich gähnend die Augen rieb.

"Guten Morgen, Nick", grinste ich und er lächelte nur.

"Hey, ihr beiden. Ich glaube, ich gehe gleich nochmal schwimmen. Damit ich wach werde und so."

*

Kurz darauf waren wir dann alle im Wasser, auch Lola, die mittlerweile immer besser schwamm. Sie war einfach ein Naturtalent und hatte keinerlei Scheu vorm Wasser, dachte ich
Wir hielten uns trotzdem eher im niedrigeren Wasser auf und Nick war die ganze Zeit in ihrer Nähe, damit auch sicher nichts passierte.

Nach einer Weile, in der ich das kühlende Wasser genossen hatte, lief ich klitschnass zu unseren Rucksäcken, schnappte mir einen Satz Kleidung und verschwand hinter einer der Hecken, um mich umzuziehen.
Ich beeilte mich und während ich versuchte, meine Haare auszuwringen, stolperte ich zurück zum Seerand, wo die anderen noch im See plantschten.

Lächelnd ging ich zu unseren Schlafplätzen und suchte ein paar Kekse und Brötchen zusammen, die ich auf meine freigelegte Matte legte.
Dann rief ich die anderen und nachdem sie sich angezogen hatten, setzten wir uns in einen Kreis und aßen.

"Ich liebe es hier", seufzte Lola lächelnd.

"Es ist perfekt", stimmte Nick zu und ich musste schmunzeln.

Will hatte einen Arm um meine Hüfte gelegt und zog mich an sich ran, worauf ich einen fragenden Blick von Bella, Nick und ja, auch von Lola zugeworfen bekam.

Will schien das zu bemerken und lachte auf.

"Ich will ja nicht aufdringlich sein, aber was zur Hölle läuft da zwischen euch?", fragte Bella und grinste.
Das war einfach typisch Bella, dachte ich.
Will übernahm zum Glück das Reden, während ich rot wurde und zu ihm hoch lächelte.

"Zwischenzeitlich war das zwischen uns ziemlich durcheinander. Aber jetzt ist alles so, wie es sein sollte", sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Lippen.
Vollkommen überrumpelt musste ich anfangen zu lächeln und es sah sicher total komisch von außen aus.

Will löste sich von mir und ich sah in die strahlenden Gesichter meiner Freunde.

"Ich hab's gewusst, Freunde", lachte Nick und klatschte in die Hände.

Lola nickte und ihre roten Haare fielen ihr ins Gesicht. "Ihr saht von außen schon immer aus wie ein Pärchen, ich hab mich schon gefragt, wann das endlich passiert."

Bella grinste übers ganze Gesicht. "Jeder von uns hat das gemerkt. Das zwischen euch. Es freut mich so sehr, dass ihr beide das auch endlich gemerkt habt."

Nach den überraschend guten Reaktionen unserer Freunde, könnte ich einfach nur noch froh sein.
Und so lag ich in Wills Armen, während Bella wild umher sprang und die ganze Zeit versuchte, Nick mit Gras abzuwerfen.
Ihre Zielkünste waren wohl nicht die besten, denn Nick lag sich krümmend vor Lachen auf der Wiese, während Lola ein paar Gänseblümchen pflückte und versuchte, Bellas Grasattacken fernzubleiben.

Will lehnte an einem Baum und ich hatte mich daraufhin gegen ihn gelehnt.
Mein Kopf lag auf seiner Schulter und seine Arme hatte er um meinen Bauch geschlungen.
Ich zupfte ein Gänseblümchen aus dem Gras, was direkt neben uns war und drehte es zwischen meinen Fingern.

"Ich will nicht, dass es aufhört", murmelte ich und musterte das Blümchen.

"Was meinst du?", raunte Will in mein Ohr.

"Ich will nicht, dass wir aufhören, umher zu fahren.
Ich will nicht, dass wir aufhören, Dinge zu erleben.
Ich will nicht, dass wir alle getrennt werden."

Meine Antwort lies ihn seufzen.
"Egal, was passiert, wir werden immer der Haufen Freaks bleiben, der aus einer Klinik ausgebrochen ist und zu einem See gefahren ist auf geklauten Fahrrädern. Wir werden immer wir bleiben.
Wir werden uns verändern, ja. Aber irgendein Teil von uns wird sich nicht verändern, daran musst du denken, Liz."

Seine Worte hallten in meinem Kopf nach.
"Abgesehen davon kann uns nichts und niemand trennen.
Keiner bringt uns alle auseinander. Und wenn, dann finden wir einen Weg, uns zu sehen, glaub mir."

Will beruhigte mich auf eine Art, wie es sonst niemand schaffte. Er baute mich auf und half mir wieder auf die Beine und ich war ihm so dankbar dafür.

"Ich liebe dich", sagte ich leise und lies das Gänseblümchen zwischen meinen Fingern tanzen.

Will nahm mir die Blume aus den Händen.
"Dreh' dich um", forderte er mich auf und so setzte ich mich auf und wandte mich zu ihm.

Er lächelte mich mit seinem wunderschönem, schiefen Lächeln an, beugte sich vor und steckte mir das Gänseblümchen hinters Ohr.

"Ich liebe Rosen, Liz. Und wenn ich jetzt eine hätte, würde ich sie dir schenken. Aber Gänseblümchen sind viel freier, weißt du?
Wie sie wild und überall wachsen, wo sie wollen...", murmelte er.

Lächelnd nahm ich eine seiner Hände und verschränkte unsere Finger ineinander.

"Was rede ich hier schon wieder?! Tut mir leid, Liz", lachte er und fuhr sich mit der freien Hand durch die wuscheligen Haare.

"Warum entschuldigst du dich? Ich möchte alles hören, was du sagen willst. Egal, ob es dir dumm erscheint, okay?"

Er nickte und plötzlich flog ihm ein riesiger Grashaufen ins Gesicht, der aus mehreren Grashalmen zusammen geformt war.
Lachend über seinen völlig überraschten Gesichtsausdruck, drehte ich mich um und wurde schon attackiert.

"Fühl' die Macht des Grases!", lachte Bella und schon hing grünes Zeug in meinen Haaren.

"Das gibt Rache", lachte Will und erhob sich, um das ganze Gras aus seinen Haaren zu entfernen.

"Ihr kriegt mich eh nicht", grinste Bella und schon war ihr blonder Lockenkopf verschwunden.

"Das werden wir ja sehen", rief Nick, der ihr schon hinterherrannte.

Hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, was passieren würde, hätte ich sie vorher gestoppt.

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