Morgentau

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Flynn

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Ich war total verwirrt von meinen Gefühlen. Die Wahnvorstellungen, die ich während meiner Ohnmach gehabt hatte, ließeb mich einfach nicht los, raubten mir den Schlaf, nahmen mir die Gelassenheit. Es hatte alles so echt gewirkt. Als ich dann auch noch von Simon erfuhr, dass Jana.... äh entschuldigung Jara im selben Moment wie ich umgekippt war, raubte mir das endgültig die Nerven. Jara... in letzter Zeit musste ich immer öfters an sie denken. An ihre strahlendblauen Augen und ihren entsetzten Blick in meiner Vision, in der sie sich an mich gekrallt hatte... Immer wieder ertappte ich mich bei solchen Gedanken und redete mir immer wieder ein: "Das war alles nicht real, Flynn, du musst diesen Traum vergessen und auch alle wad mit Jara zu tun hat!!! Sie ist..." "Flynn, kannst du uns bitte mitteilen, in welcher Beziehung König Luthorn und die Göttin Selta standen?" Nervös biss ich mir auf die Lippe. Und sah mich hilfesuchend um. "Ich wusste es! Ich erwarte dich nach der Stunde bei mir.", dröhnte Mr. Kinaki. Zum Glück wandte er sich jedoch wieder der Tafel zu und brach in einem weiteren endlosen Redeschwall aus. Stöhnend versank ich ganz tief in meinem Stuhl und lauschte mehr oder weniger interessiert den Erzählungen unseres Lehrers. Als ich nach der Stunde an Mr. Kinakis Tisch trat, war ich sichtlich nervös. Mr. Kinaki duldete es nicht, wenn jemand in seinem Unterricht nicht aufpasste, obwohl die Geschichte Costaciens ja eines der wichtigsten Fächer ist. Zumindest behauptet er das immer. Seit meinem ersten Schuljahr hatten wir in diesem Fach keinen anderen Leher und die ganze Zeit prügelte er es immer wieder in uns hinein. In alles andere als freudiger Erwartung sah ich meinen Lehrer an und wartete ab, dass er mit seiner Moral-Predigt beginnnen würde. Doch der räumte nur geschäftig seine Sachen zusammen und ließ sie in seiner ausgebeulten Tasche verschwinden. Lamgsam wurde ich ungeduldig. Endlich räusperte sich Mr. Kinaki und sah mich ernst an. "Flynn Benson..." Er machte eine lange, bedeutsame Pause. Am liebsten hätte ich jetzt die Augen verdreht, aber das wäre wohl nicht sonderlich gut angekommen. "Ich will nicht behaupten, dass du ein schlechter Schüler geworden bist. Das warst du nie und das wirst du hoffentlich auch nie sein.... dennoch bin ich der Annahme, dass deine Aufmerksamkeit im Unterricht die letzte Zeit stark nachgelassen hat." Er durchbohrte mich mit einem, für ihn typischen, fragenden Blick. Ich wollte schon zu einer einigermaßen logischen Erklärung, die ich mir noch eben so aus den Fingern saugen konnte, ansetzten, als er mich unterbrach: "Du musst jetzt gar nichts sagen, Junge. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich dich im Auge behalte. Ich hoffe in den nächsten Stunden, wieder den alten Flynn in der letzten Reihe sitzen zu haben." Ich konnte mir ein erleichtertes Ausatmen nicht verkneifen. "Ich möchte, dass du zur übernächsten Stunde eine Präsentation über das Verhältnis über König Luthorn und König Oskar vor den großen Kriegen vorbereitest." Alamiert fuhr mein Kopf in die Höhe. Das war jetzt wirklich das letzte, was ich wollte. "Aber ich...", wollte ich sofort prtestieren, doch Mr. Kinaki unterbrach mich forsch: "Keine Widerrede! Und jetzt: Geh nach Hause. Deine Mutter fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst." Nein, das tat sie nicht. Sie kam immer erst am frühen Abend von der Schneiderei zurück, dieser Job raubte einen Großteil ihrer Zeit. Trotzdem nickte ich und wandte mich zum Gehen. Das konnte so nicht mehr weiter gehen. Ich hatte auch noch ein Leben und sollte nicht die ganze Zeit in meinem verwirrenden Gedankenlabyrinth gefangen sein. Kurzerhand etfasste ich einen Entschluss, als ich Melissa sah, die auf dem Schulhof gerade ihre Freundin Jamie verabschiedete. Ich wartete, bis diese weg war und lief dann auf Melissa zu, die gerade in ihrer Tasche herum kramte und irgendetwas zu suchen schien. Mit einem lauten Klappern fiel eine Haarbürste auf den Beton-Boden unseres Schulhofes. Ohne zu zögern bückte ich mich danach und hob es auf. Mit einem Lächeln reichte ich es ihr. "Suchst du das?", fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Sie schien leicht überrascht, als sie die Bürste annahm und zögerlich anfing ihre Haare zu kämmen. Ich versänkte meine Hände in den Taschen meiner Jacke und betrachtete sie einfach nur. Ein roter Schimmer schlich sich auf ihre Wangen, als sie das bemerkte und sie sah mich fragend mit ihren stechend grünen Augen an. Sie war schon süß.... "Ich finde, wir sollten unser gescheitertes Date nachholen. Hast du Morgen Zeit?", fragte ich und meine Stimmer klang fester, als ich mich fühlte. Freudig überrascht nickte Melissa und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. "Nach der Schule am Stadttor. Ich möchte dir etwas zeigen...", fügte ich noch hinzu, dann drehte ich mich um und machte mich auf den Heimweg. Das leichte Nagen in meinem Inneren ignorierte ich.

Unwillkürlich musste ich husten, als ich den Staub von dem Einband eines alten Buches abwischte. Als sich die winzig kleinen Staubkörnchen langsam in der Luft verteilt hatten, öffnete ich das Buch und blätterte durch die verglibten Seiten. Und stieß zum wiederholten Mal auf nichts Brauchbares. Deprimiert schlug ich das Buch wieder zu, worauf eine weitere Staubwolke aufwirbelte. Neben mir auf den Kostatisch stapelten sich alte Schinken über die frühe Geschichte unseres Landes, die ich schon nach brauchbaren Information für die Präsentation, die Mr. Kinaki mir aufgebrummt hatte, durchsucht hatte. Nach dem Essen war ich in die Stadtbibliothek gegangen und hatte bis jetzt noch nichts erreicht. Deprimiert stand ich auf und suchte in dem Regal nach einem weiteren Buch. Reihe für Reihe standen sie hier und ich hatte keine Ahnung wie lange es dauern würde, bis ich endlich das richtige gefunden hätte. Bei einigen waren die Einbände schon zerfressen, bei anderen konnte man die Schrift nicht mehr lesen Verzweifelt zog ich wahllos irgendein Buch aus dem verstaubten Holzregal und blätterte es durch. Dabei flogen Zettel hinaus. Gernervt bückte ich mich, um sie wieder aufzuheben. Dabei fiel mein Blick auf eine, mit schwarzer Tinte geschriebene, Überschrift.

König Oskar der 1.

Stand da. Neugierig geworden sah ich mir das dünne Papier genauer an. Das Porträt eines Mannes, der mir irgendwie bekammt vorkam zierte das Blatt. Das sollte also Oskar sein... Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern, woher ich diesen Mann kannte. Unschlüssig wand ich das Blatt in meinen Händen und entdeckte auf der Rückseite ein weiteres Porträt, über dem stand:

König Luthorn der 1.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wie vom Schlag getroffen stolperte ich zurück und musste mich an der Lehne des Stuhls festhalten, auf dem ich vorhing gesessen hatte. Zitternd steckte ich das Blatt in meine Tasche und verließ die Bibliothek mit einem flauen Gefühl im Magen. Die Präsentation konnte warten.

Sie sind überfordert mit ihrer Aufgabe. Dies alles wirkt für sie zu irreal. Was ist, wenn auch sie scheitern? Muss die Welt weitere Jahre warten? Bis jemand kommt und das Geheimnis lüftet? Bis die Prophezeiung sich erfüllt? Bis das Blut der Feine sich endlich wieder vereint? Bis die Zeit sich bessern werden? Bis die Menschheit endlich wieder den Sinn des Lebens verstehen? Wir wissen es nicht. Alles steht im Ungewissen, niemand kann uns Antwort geben. Niemand kann uns erlösen von dem ewig wehrenden Leid der Unwissenheit. Niemand wird uns erhören. Niemand wird uns helfen können. Wir können nur abwarten. Wir können nur Hoffen. Hoffen, dass die Zeiten sich bessern werden. Hoffen, dass die Menschheit die Augen öffnet. Die Augen öffnet, um die grundsätzlichen Dinge zu sehen und sie zu verstehen. Verstehen, dass alles ein ewiger Kreislauf ist, den niemand unterbrechen kann. Das verstehen, was noch niemand versteht. Wir können nur zu sehen. Wir können nichts tun. Wir, die die Welt erschaffen haben.

Das Licht des SchattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt