Feuerball

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Flynn
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Mein Puls war auf 180, als sich die Haustür der Alisons hinter mir schloss. Ich hatte sas Gefühl, mein Kopf würde jeden Moment explodieren wie ein brodelnder Vulkan. Ich hatte die völlige Emotionslosigkeit vorgetäuscht, doch jetzt kam die ganze Verwirrung und ja auch Wut gefühlt zehn Mal so stark wieder hoch. Wütend kickte ich einen Stein weg, sodass es weh tat, doch das spürte ich gar nicht. Ich rannte los. Rannte durch die Straßen, durch das Stadttor, über die Wiesen, durch die Wälder. Ich hatte das Gefühl, mit jedem Schritt meine Problem ein Stückchen mehr hinter mir zu lassen. Es war ein befreiendes Gefühl, den Fahrtwind zu spüren, die Landschaft an mir vorbei fliegen zu sehen. Irgendwann ließ mich mein eigenes Keuchen anhalten. Mitten auf einem mir unbekannten Feld sackte ich zusammen. Es brachte nichts, weg zu rennen. Ich musste mich dem stellen. Ich hatte in Jaras Augen die selbe Wut und Verzweiflung gesehen, die auch ich gespürt hatte. Irgendetwas musste unternommen werden, so konnte das alles nicht weiter gehen. Doch ich wusste nicht was. Ratlosigkeit löste meinen Zorn ab. Plötzlich hörte ich ein Rascheln im hohen Gras und zuckte unwillkürlich zusammen. Langsam richtete ich mich auf. Ein dunkler Schatten schlich durch das Gras auf mich zu. Als er in den Kegel des Mondlichtes trat, erkannte ich den schwarzen Löwen. Aus durchdringend gelben Augen sah er mich an und ich hatte das Gefühl, dass er nur durch diesen einzigen Blick, alle von mir zu wissen schien. Zu meinem eigenen Erstaunen, verspürte ich keine Angst. Langsam streckte ich die Hand aus, doch kurz bevor ich seine rabenschwarze Mähne berühren konnte fuhr er herum und verschwand mit großen Sprüngen in die Schatten der Nacht. Ich weiß nicht wie lange ich noch da stand und nachgedacht habe, doch irgendwann machte ich mich auf den Heimweg mit der festen Gewissheit, dass alles gut werden würde.

"Hi!", sagte ich und begrüßte meine Freundin mit einem sanften Kuss. Diese sah mich verwunderr an. "Achso, der werte Herr kehrt also zu mir zurück?", fragte sie skeptisch. Ich musste lächeln. Sie hatte den Gesichtsausdruck eines kleinen, bockigen Mädchens und erinnerte mich irgendwie an meine kleine Schwester Aria. "Es tut mir leid, du musst dir bei Jara wirklich nichts denken, ich... hatte nur einen Albtraum von dem Morgen, an dem wie beide umgekippt sind und.... ich weiß nicht, das beschäftigt mich eben." Das war wenigstens ein Teil der Wahrheit Melissa zog scharf die Luft ein und wand ihren Blick ab. "Es ist nur so schrecklich... ich will dich mit niemandem teilen müssen!", nuschelte sie und ich glaubte fast, dass sie weinen würde. "Das musst du doch auch gar nicht. Zumindest nicht in sofern, dass ich jemand anderen zur Freundin haben wollen würde.", versicherte ich ihr und schob den blonden Haarvorhang weg, der mir die Sicht auf ihr Gesicht versperrte. Bei diesen Worten spürte ich ein leichtes, undefenierbares Ziehen in der Magengegend. Melissa bedeutete mir etwas, ich wollte sie nicht anlügen. Sie sah mich aus großen Augen hoffnungsvoll an und ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. "Alles wieder gut?", fragte ich vorsichtig. Sie betrachtete mich und schien zu überlegen.... doch dann nickte sie und fiel mir in die Arme. Ich drückte sie ganz fest an mich und zog ihren Duft ein. "He, Flynn! Wir warten!", hörte ich plötzlich Ante hinter mir rufen. Ich drehte mich um und rief: "Schon unterwegs!" Mit einem entschuldigenden Blick verabschiedete ich mich von Melissa und lief zu meinen Kumpels, die am Schultor standen und auf mich warteten. Da lief plötzlich Jara an mir vorbei. Sie sah nicht gut aus. Sue war noch blasser als sonst und tiefe Schatten lagen unter ihren Augen. Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte ihr zu, doch sie senkte schnell den Blick und lief mit einem scheuen Gruß weiter. Ich ließ das möglichst unbeachtet und trat zu Calvin, Ante, Biron und Simon. "Hi Leute!", begrüßte ich sie mit einem Grinsen, "und was machen wir?" "Lasst uns die Gegend unsicher machen!", schlug Biron vor und wir stimmten zu. "Geh du vorraus!", sagte Calvin zu mir und sah mich mit einem unheimlichen Blick an. Ich runzelte die Stirn, aber schließlich gingen wir los. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, Calvins Blicke zerstachen mir den Rücken.

Gähnend stand ich auf, um meine Kerze auszupusten. Ich hatte einen Entschluss gefasst. Morgen würde ich mit Jara sprechen. Müde schlurfte ich zu meinem Bett, das laut knarzte, als ich mich darauf schmiss. Verschlafen horchte ich in die Stille. Das tat auch mal gut, einfach nichts zu hören. Zufrieden schloss ich die Augen. Plötzlich hörte ich ein Rascheln aus dem Gebüsch vor meinem geöffneten Fenster. Sofort war ich wieder hell wach. Sei kein Narr, Flynn. Das ist nur ein Vogel, der nach Nahrung sucht. Dachte ich mir und schloss wieder die Augen. "Flynn? Flynn bist du noch wach?" Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr hoch. Im Mondlicht zeichnete sich eine dunkle Gestalt ab. "Wer bist du?", fragte ich und konnte nicht vermeiden, dass meine Stimme leicht zitterte. "Ich bin's, Jara!", kam die geflüsterte Antwort aus der Dunkelheit. Sofort legte sich meine Anspannung. "Was machst du hier?", zischte ich verwirrt. Sie deutete mir nur an ihr zu folgen und sagte: "Komm mit mir, ich möchte dir etwas zeigen"Mir blieb nichts anderes übrig, als in meine Schuhe zu schlüpfen und Jara durch die Dunkelheit zu folgen. Wir liefen zuerst durch die Gassen der Stadt, doch irgendwann bog Jara auf einen schmalen Weg, der schon halb mit den hohen Grasen der umliegenden Wiese überwuchert war. Wir waren jetzt ganz am Rand der Stadt. Hier war die Stadtmauer schmutzig, in Rillen wucherte Unkraut. Am Rand des Weges stand eine aus grobem Holz gehauene Bank, dahinter kauerte eine alte, eingefallene Hütte. Die Ziegel des Daches lagen zum Teil zertrümmert am Boden. Es sah aus, als wäre due Hütte flüchtig verlassen worden. Vor vielen Jahren. "Wer wohnt hier?", fragte ich vorsichtig und sah Jara an, die mit ernstem Blick neben mir stand. Ihre Augen waren starr auf einen Punkt geheftet, als würde sie über etwas vergangenes nachdenken. Ich sah, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. "Jara?" Erschrocken zuckte sie sich zusammen. "Ist alles in Ordnung?", hakte ich nach. "Ja", sie schniefte und fuhr sich einmal übers Gesicht, "was hast du gefragt?" "Wer hier wohnt.", antwortete ich mit gerunzelter Stirn. Schnell wandt sie ihren Blick ab. "Niemand mehr. Vielleicht finden wir hier Antworten auf unsere vielen Fragen." Ich nickte nur. "Lass uns rein gehen.", sagte sie kurz angebunden und öffnete die Tür, die laut in ihren Angeln quitschte. Im inneren der Hütte, lagen verstaubte Stapel von Büchern, Schriften und alten Fotos auf Regalen, einen Schreibtisch und auf dem Boden. In einer Ecke des Raumes waren alte Karten ausgebreiten. Alles war ziemlich verstaubt und das Mondlicht, das durch ein kleines, verschmutztes Fenster fiel, tauchte alles in ein gespenstisches Licht. Plötzlich ertönte eine kratzige Stimme hinter uns: "Da seid ihr ja."

Das Licht des SchattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt