Hundertzwanzig Mal...

Innocence / Unschuld ( Kelay Teil 2 )

Dario :

Ich wollte nicht. Und das nicht, weil ich Angst hatte. Das war es nicht. Gut, er hatte mich fast umgebracht, aber das war nicht er gewesen. Das war seine Besessenheit . Sein Glaube, er sei falsch, er wäre ein Fehler. Die Wahrheit, warum Ich ihn nicht sehen wollte, war viel simpler.

Ich wollte ihn nicht noch unglücklicher machen.

Nur meine Anwesenheit könnte schon dafür sorgen, dass Dominik ausrastete. Und das wollte ich um keinen Preis der Welt. Nie wieder wollte ich ihn so erleben. Und was würde das mit meinem Freund machen ? Mich wieder zu sehen, die Person, die er fast ermordet hätte... Diese Schuldgefühle würde er niemals aushalten. Doch eben hatte der Psychater angerufen. Von Dominik. Er meinte, der Kontakt, meine Vergebung, sei unerlässlich für seine Heilung. Nur so hätte er genug Kraft die Therapie anzufangen. Schweren Herzens hatte ich also zugesagt. Doch dann kam der Schock. Dominik weigerte sich.

Er wollte mich nicht sehen.

Nächtelang lag ich wach und fragte mich, warum ? Er wusste, dass es seine einzige Heilung sein könnte, er sich von seiner Sünde reinwaschen, seine Unschuld zurück erlangen könnte.

Um damit gegen sein zweites Ich anzukämpfen.

Warum wollte er das nicht ? Warum, warum, warum... Nun lag es an mir, fast täglich rief ich in der Psychatrie an, und erkundigte mich nach ihm. Doch jeden Tag bekam ich nur die gleiche niederschmetternde Antwort.

Er wollte nicht.

Dominik :

Warum ? Warum machte er das ? Verstand er nicht, dass ich keine Rettung wollte ? Ich verdiente sie nicht.

Meine Tat war furchtbar gewesen, meine Sünde zu grausam.

"Er ruft immer noch jeden Tag an " sagte mein Psychater und warf mir einen langen, musternden Blick zu. Ich senkte traurig den Kopf und schaute auf die Holzdielen. Tränen verschleierten mein Sichtfeld.

"Er soll damit aufhören " murmelt ich. Denn er verdiente das nicht.

"Verrecken sollte er, eine Schande dass er es überlebt hat..." flüsterte eine kleine Stimme in meinem Kopf. Wütend schüttelte ich den Kopf und hielt mir die Ohren zu.

"Nein,nein,nein,NEIN!"

"Herr Keßler, ist sie wieder da ? Die Stimme ?" drangen leise die Worte des Arztes zu mir durch.Er legte eine Hand auf meine Schulter und zwang mich ihn anzusehen.

"J..Ja. Bitte, machen sie sie weg. Bitte. Ich will das nicht mehr hören..."

Tränen liefen schnell über mein Gesicht und tropften auf meine Brust.

"Das kann ich nicht, das wissen sie. Das kann nur ihr Freund. Sie müssen sich mit ihm konfrontieren, sonst werden sie es niemals verarbeiten können."

"WAS SOLL ICH DA BITTE VERARBEITEN ? ICH HABE IHN FAST UMGEBRACHT, DA GIBT ES NICHTS ZU VERARBEITEN!!"

Verzweifelt sprang ich aus dem Stuhl auf, und hockte mich in eine Ecke des Raums. Langsam schaukelte ich vor und zurück, und versuchte mich zu beruhigen. Als es wieder einigermaßen ging, ließ ich meine Hände sinken und stand auf. Der Psychater saß an seinem Schreibtisch und hatte sich irgendwelche Notizen gemacht.

"Darf ich jetzt gehen ?" fragte ich ihn leise.

Er nickte nur knapp und betätigte einen Summer. Sofort betrat ein Mann den Raum, legte mir Handschellen an und führte mich durch das Gebäude. Wir liefen an vielen Metalltüren vorbei, und wieder einmal fragte ich mich, welche Personen sich wohl da hinter verborgen.

Manchmal hörte ich sie Nachts schreien...

Als wir wieder in meiner Zelle angelangt waren, ließ ich mich erschöpt auf mein Bett fallen und raufte mir die Haare. Warum wollte Dario so gerne meine Heilung ? Ich hatte ihn eh verloren, und deswegen war es sinnlos. Wozu sollte ich versuchen, der Stimme Einhalt zu gebieten ? Selbst wenn ich das könnte, und selbst wenn Dario mir vergeben würde, was ich für unmöglich hielt, wer garantierte uns dass es so blieb ?

Ich würde auf ewig eine tickende Zeitbombe bleiben, und damit gefährlich.

Ich hatte eine Sünde begangen, und diese war nicht zu bereinigen.

Meine Unschuld war fort.

Für Immer.