Hundertzwanzig Mal...

Memory / Erinnerung ( Berglay )

PoV Delay

"Dario, was willst du jetzt von mir hören... Du weißt wie die Sachen liegen... Ich bin nicht schwul. Ich habe Marie. Ich mag dich, ja, aber nicht so... nicht so wie du dir das vermutlich wünschst...Es..tut mir leid..." flüsterte Bergi, und es herrschte Stille.

Tränen standen in meinen Augen, eine machte sich nun auf den weiten Weg, meine Wange herab.

"Sch-Schon okay, ver-... verstehe ich schon.." schluchzte ich, und mutete mich.

Dann legte ich den Kopf auf meine Arme, und weinte. Ich hörte ein Summen, eine neue Nachricht. Doch es war mir egal. Ich hatte all meinen Mut zusammengenommen, und es ihm gesagt. Vorher hatte ich mit Manu gesprochen, er hatte mich bestärkt, mir die Kraft gegeben, Tim endlich meine Gefühle zu gestehen. Und das hatte ich nun davon.

Es fühlte sich an, als würde mein Herz zerreißen. Ich wollte nicht mehr. Gar nichts. Wieder brummte mein Handy und ich hob meinen Kopf ein Stück, zog es zu mir. Zwei Nachrichten von Manu. Ein Schluchzer entkam mir, und ich legte meinen Kopf wieder zurück. Ich wollte jetzt mit niemandem reden, nicht mal meinem besten Freund.. Es war nicht nur so, dass ich gerade einen Korb bekommen hatte, was schon ausreichte, um mich begraben zu wollen.

Sicherlich hatte ich jetzt auch unsere Freundschaft zerstört. Kein Berglay mehr..

Immer neue Tränen liefen über mein Gesicht, und mein Hals schmerzte schon. Ich zitterte und konnte nicht anders, als an alle gemeinsamen Erinnerungen mit ihm zu denken. War das jetzt für immer vorbei ?

Langsam verpuffte meine Trauer ein wenig, und wandelte sich zu Wut.

Warum war ich auch so dumm ? Wieso musste ich schwul sein, warum ausgerechnet er ? Und warum, verflixt nochmal, hatte ich es ihm gesagt ? Ich hatte unserere Freundschaft aufs Spiel gesetzt, wie bei einem Pokerspiel. Und ich hatte haushoch verloren. Ich beherrschte das Pokerface einfach nicht...

Schon wieder riß mich mein Handy aus den Gedanken, und jetzt reichte es mir. Wütend schmiß ich es gegen die Wand.

"Jetzt halt doch einmal mal deine verdammte Fresse !! Ich will nicht reden !" schrie ich es an.

Dann stand ich vom Schreibtisch auf und mein Blick fiel auf Fotos. Mit ihm. Verzweifelt riß ich sie ab und zerknüllte sie in meiner Hand.

"Was tust du da ...?" hörte ich die leise Stimme der Vernunft, doch ich ignorierte sie. Warf die gemeinsamen Erinnerungsstücke in den Müll.

"Wie unsere Freundschaft.." dachte ich, und fühlte eine Welle des Schmerzes. Sie drohte mich zu überrollen, und ich fiel in mich zusammen, rollte mich auf dem Boden zusammen.

"Verdammt,verdammt,verdammt..VERDAMMT " schrie ich, und haßte mich einfach nur. Dafür dass Ich ich war. Scheinbar hatte mein Smartphone meine schändliche Behandlung überlebt, denn es klingelte nun unbeeindruckt.

Ich wurde also angerufen. Es konnte eigentlich nur Manu sein, trotzdem meldetet sich ein winzig kleiner Hoffnungsschimmer.

Vielleicht, nur ganz vielleicht,hatte er es sich ja anders überlegt... Langsam krabbelte ich durchs Zimmer, rüber zu meinem standhaftem Kameraden. Zitternd drehte ich ihn um, schaute auf das Display. Manu...

Sofort sackte ich wieder in mich zusammen. Selber schuld, warum war ich auch so albern.. Bergi würde es sich nicht anders überlegen, er war nicht schwul... Das Klingeln verstummte, und es war wieder still im Raum, unterbrochen nur von meinen Schluchzern. Dann ertönte ein Summen. Wieder eine Nachricht. Ein Blick verriet mir, dass mein bester Freund nicht locker ließ.

Genervt öffnete ich Whatsapp, und schaute nach.

Das Lesen erwies sich als nicht so einfach, mit verheulten Augen, doch nach einiger Zeit konnte ich es entziffern.

00:47: "Und ??? Was hat er gesagt? "

00:51: "Hallo?? Schreib mir jetzt zurück, sonst ruf ich an !!"

01:15: "Gut, wenn du bei mir nicht dran gehst, sag ich jetzt Bergi, er soll anrufen "

Mein Herz machte einen Sprung. Bergi ? Bevor ich diese Info verarbeiten konnte, wurde ich schon angerufen. Diesmal war er es. Tim...

Kurz zögerte ich, dann tippte ich zittrig auf den grünen Hörer.

"J-Ja ?" stotterte ich.

"Mensch, Dario. Mach uns doch nicht so Sorgen. Manu dachte schon, du stellst sonst was an..." Er hatte uns gesagt. Mach UNS nicht so viel Sorgen... Also hatte er sich auch welche gemacht ?

"Neee, a-alles okay. Also, nicht okay,aber...also, es- es geht schon"schluchzte ich, und die Tränen, welche kurz pausierten hatten, erinnerten sich wieder an ihre selbstgestellte Aufgabe, möglichst schnell und zahlreich über mein Gesicht zu rollen.

"Dario, hör mir bitte zu." Er schluckte, und ich spürte wie mein Herz sich zusammenkrampfte. Wollte er nun noch einen draufsetzen, und die Freundschaft beenden ?

"T-Tue ich.." flüstere ich, und schniefte leise.

"Also..I- Ich.. Es- Es tut mir wirklich leid..Ich-" Er räusperte sich, und ich nutzte die kurze Pause um auszusprechen, was mich am meisten bedrückte.

"Können..- Können wir wenigstens.. Freunde..bleiben ?" Mein Atem beschleunigte sich, während ich verzweifelt auf seine Antwort wartete.

"JA, klar ! Dario, mach dir keine Sorgen. Ich würde wegen so etwas niemals unsere Freundschaft beenden !" sagte er nachdrücklich, und mir fiel zumindestens ein kleines Stück des riesigen Felsens vom Herz.

" Und noch etwas. Eben, also als Manu meinte, dass du nicht dran gehst und so- Also, da habe ich mir echt Sorgen um dich gemacht. Dario, ich weiß was ich gesagt habe, aber vielleicht habe ich mich getäuscht..Du bedeutest mir wirklich viel. Ein Leben ohne dich...könnte ich mir nicht vorstellen...Noch weniger als eines ohne Marie..". Seine Stimme begann zu zittern und ich stockte den Atem. Sogar meine Tränen stoppten kurz ihre Mission.Meinte er damit dass, was ich glaubte ? Niemals...Oder.. ?

"W-was meinst du ?" fragte ich verunsichert nach.

"Naja, ich weiß nicht. Ich habe mir einfach so Sorgen um dich gemacht. Und da habe ich erst gemerkt.. wie viel du mir bedeutest..Gott, klingt dass jetzt schwul !" Er lachte kurz trocken, dann keuchte er erschrocken auf.

"Tschuldigung, was rede ich denn hier ? ", er atmete tief ein, und ich sah ihn vor mir, wie er sich gerade nervös durch die Haare fuhr. "Also, um auf den Punkt zu kommen... Und ich sage das jetzt nicht einfach so, echt nicht.. Ich möchte dir nichts versprechen, und es gäbe auch viel zu regeln, und du müsstest mir Zeit geben...Ich könnte verstehen, wenn du darauf keine Lust hast, aber ich bin mir halt noch nicht hundertprozentig sicher...".

Meine Tränen waren nun endgültig versiegt, und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Verstand ich das richtig ?

"Ich würde ewig warten, wenn du solange brauchst. Also...also, willst du es versuchen ? " Meine Augen glänzten vor Freude.

"Ja. Lass mir Zeit, um mit Marie zu sprechen. Was hältst du davon, wenn ich dich danach besuche ? "

"K-klar. Okay... Also dann.. " "Also dann..."

Es herrschte etwas peinliches Schweigen, dann verabschiedeten wir uns voneinander. Euphorisch legte ich auf, sprang auf die Beine und holte schnell die Fotos aus dem Mülleimer. Behutsam strich ich sie wieder glatt und hängte sie zurück an ihren Platz an die Wand. Glücklich betrachtete ich sie, freute mich auf all die Erinnerungen, die nun noch diesen folgen würden.