Emotionless / Emotionslos ( Verzögerter Tumor Teil 2 )

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PoV Glp

"Na, alles fit im Schritt ?" fragte ich Dario gutgelaunt, welcher gerade auf den Ts gejoint war.

"Ja, alles klar." murmelte er, und hustete. Obwohl er es sich nicht anmerken lassen wollte, spürte ich, dass es ihm schlechter ging. Die Lebensfreude in seiner Stimme fehlte. Die Chemo machte ihm wohl doch stark zu schaffen...

"Irgendetwas neues..?" erkundigte ich mich vorsichtig. Diese Frage war immer sehr riskant, war offen für gute und schlechte Nachrichten.

"Nein...Naja, doch...Die- Die Chemo..sie..schlägt nicht an. Die Ärzte wissen nicht, was sie machen sollen. Diese neue Behandlung funktioniert bei mir auch nicht..."

Trotz dem zögerlichen Sprechen war seine Stimme fest und irgendwie teilnahmslos. Mir stiegen bei seinen Worten Tränen in die Augen. Was sollte das heißen ?

"Und..-Und was passiert jetzt ?". Ich bemühte mich, nicht allzu schockiert zu klingen, schließlich wollte ich ihn nicht unnötig aufwühlen. Doch meine Sorge schien merkwürdigerweise unberechtigt.

"Weiß ich nicht. Vielleicht garnichts. Vielleicht lassen sie mich jetzt endlich einfach in Ruhe."

Was redete er da ? Warum verhielt er sich plötzlich so unbeteiligt, so emotionslos ? Er war mein bester Freund, ich kannte ihn schon ewig, diese Reaktion war nicht normal für ihn..

"Dario, was redest du da bitte ? Du klingst, als hättest du schon aufgegeben..!"

Obwohl ich dagegen angekämpft hatte, sammelten sich nun doch Tränen in meinen Augen. Zuerst blieb es still, ich hörte nur sein unregelmäßiges Atmen, dann erwiderte er etwas, dass mir sofort eine Gänsehaut am ganzen Körper bescherte.

"Habe ich auch..."

Was war mit ihm ? Das war nicht mehr Dario, mit dem ich hier sprach.. Er hatte immer so einen Lebensmut gehabt, und sogar einmal den Krebs besiegt. Und jetzt hatte er sich aufgegeben, mit seinem Tod arrangiert ?! Das konnte nicht sein Ernst sein !! Wut staute sich in mir, und ich machte mir keine Mühe, sie zurückzuhalten.

"DARIO!! Du hörst mir jetzt Mal gut zu ! Was soll das ? Seit wann kämpst du nicht mehr, sondern arrangierst dich einfach mit Dingen ?! Jetzt hör gefälligst auf, in deinem Selbstmitleid zu baden, und alle damit runterzuziehen...! Solange du hier bist, kämpst du gefälligst ! " schrie ich ihn an, während Tränen über mein Gesicht liefen. Achtlos wischte ich sie weg, und wartete. Erst war es still, dann hörte ich ein Schluchzen.

"D-Du denkst, das wäre so einfach ?! Jeden Tag kämpfen zu müssen, auf die Gefahr hin, dass es völlig nutzlos ist ? Jeden Tag mit euch zu reden, wissend dass euer Leben noch lange so weiter geht ?! Ihr plant die nächste Varo Staffel, wisst noch nicht sicher, mit wem ihr in einem Team seid...                       Ich weiß noch nicht mal sicher, ob ich sie überhaupt erlebe...Kannst du dir überhaupt vorstellen, WIE scheiße das ist ?! Nein, kannst du nicht... Also hör auf, mir sagen zu wollen, wie ich mich zu verhalten habe...." redete er sich in Rage, atmete am Ende schnell und flach.

Einerseits war ich froh, dass ich ihn wenigstens aus seiner Apathie gerissen hatte, anderseits bereute ich meinen Wutausbruch.. Er hatte vollkommen Recht, was wusste ich schon...Für mich war es immer selbstverständlich gewesen, dass er jetzt zwar eine schlechte Zeit hatte, aber kämpfen würde.        Dass er es überleben würde, wie beim ersten Mal. Die Möglichkeit, dass dem vielleicht nicht so wäre, hatte ich nie auch nur bedenken wollen....

Ich hörte ihn schluchzen. Was war ich für ein Idiot ?

Immer hatte ich seine Situation nur aus meiner Sicht gesehen, er war der tapfere Held, er würde das schon schaffen. Nun versuchte ich das erste Mal, das ganze aus seiner Sicht zu sehen, doch der Gedanke, dass er es nicht schaffen, nicht mehr da sein könnte, war zu viel für mich. Es war wie eine Blockade in meinem Kopf, ich konnte es mir nicht vorstellen, selbst wenn ich es versuchte.

"Du...Du hast Recht" schluchzte ich." Es tut mir so leid...Ich..Ich bin so dumm..Ich habe..nie darüber nachgedacht...wie es für dich ist. Ich.. habe immer einfach..geglaubt dass du... es schaffen wirst. Wie beim ersten Mal...".

"Nein." erwiderte Dario, und seine Stimme war wieder fester geworden. "Du hast schon vollkommen Recht. Ich bemitleide wirklich nur mich selber. Solange ich noch hier bin, sollte ich dass auch nutzen..Videos machen...Raus gehen...Freunde treffen.. Danke Manu, dass du mir die Augen mal wieder geöffnet hast. Du bist wirklich ein guter Freund !".

Unwillkürlich musste ich lächeln, und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Er hatte Recht. Ich sollte jede Minute mit ihm nutzen, statt hier sinnlos vor mich hin zu flennen.

"Du bist auch ein guter Freund. Mein Bester." antwortete ich, und flüsterte :"Und der wirst du auch immer bleiben, egal was passiert..."


Hundertzwanzig Mal...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt