Hundertzwanzig Mal...

Me Time/ Zeit für mich ( Verzögerter Tumor Teil 4 )

  PoV Delay

Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster.
Die Sonne ging gerade unter, und tauchte den kleinen Park in einen wunderschönen See aus leuchtenden Farben.
Die bunten Blätter lagen verstreut auf der Wiese, als hätte ein zerstreuter Professor sie achtlos fallen gelassen.
Ein altes Ehepaar spazierte über den Kiesweg, sonst war alles leer.
Traurig überlegte ich, wann ich dass letzte Mal draußen war.
Es war bestimmt schon wieder eine Woche seitdem vergangen...

Ich schaute mich in dem kleinen Raum um, welcher seit Wochen mein Hauptaufenthaltsort war.
Dieses dumme Krankenhaus...
Ich hatte Manu versprochen zu kämpfen, doch ich konnte nichts dagegen tun, mein Wille war fast gebrochen.
Am meisten nervte mich meine Schwäche. Bei allem brauchte ich Hilfe, mein abgemagerter Körper schaffte fast nichts mehr alleine.
Dieser bescheuerte Krebs...

Wieder wanderte mein Blick nach draußen, und mein Herz füllte sich mit Sehnsucht.
Was würde ich dafür geben, einfach rausgehen zu können, frische Luft zu atmen, den Wind in meinem Gesicht, die Sonne auf meiner Haut zu spüren.
Mit jeder Zelle meines Körpers wünschte ich mich hier fort, zurück zu meinem alten Leben.
Doch das war so unfassbar weit weg...
Was, wenn ich es nicht schaffen würde?
Wenn mein Zimmer einfach leer wäre, mein Youtubekanal unbenutzt, der TS um eine Person ärmer?
Wie lange würden sie mich vermissen?
Wie lange würde ich fehlen, wann würden sie über mich hinweg sein?

Ich konnte nichts dagegen tun dass mein Sichtfeld wiedermal verschwamm, und Verzweiflung mich übernahm.
Diese Situation war einfach ausweglos, ich schlichtweg wehrlos.
Und Manu...Ich hatte es ihm gesagt. Meinen Wunsch, vielleicht meinen letzten.
Vor drei Tagen, seitdem hatte er sich nicht mehr gemeldet...
War er sauer auf mich? Ich wusste, dass meine Bitte viel verlangt war, sehr viel.
Doch ich hätte alles hergegeben, um zumindestens einmal meine größte Stütze, meinen besten Freund, in die Arme zu schließen.
Er fehlte mir, ich brauchte ihn so sehr. Und er meldete sich nicht...

Wie aufs Stichwort vibrierte mein Handy.
Rasch wischte ich mir die albernen Tränen weg und griff zum Nachttisch.
'Hast du gerade Zeit?'. Es war Manu...
Gruselig, als könnte er meine Gedanken lesen...
Ich hatte Angst, was wenn er mir jetzt eine Absage erteilen wollte?
Was, wenn ich nie die Gelegenheit bekommen würde, ihm einmal zu sehen?
Schon der Gedanke schmerzte so unglaublich, ich wollte es garnicht wissen...
'Ne, ich brauche gerade Mal ein bißchen Zeit für mich...Sorry, vielleicht später',
tippte ich mit zittrigen Fingern. Starrte auf seinen Namen auf meinem Handy...
"Manu...", flüsterte ich traurig.

'Schade, dann bin ich also den ganzen Weg umsonst gefahren ?' ploppte plötzlich eine Nachricht auf, und mein Herz hüpfte. War das sein Ernst? Niemals...
Und wenn doch?! Mit vor Aufregung zitternden Fingern schrieb ich zurück.
'Bist du wirklich hier, oder war das ein Witz?!'.
Nervös wartete ich auf seine Antwort. Jetzt bloß nicht zu viel Hoffnung machen, Dario...
'Natürlich ist das mein Ernst. Ich bin fast da. Hast du jetzt Zeit, oder nicht?'
'Klar habe ich Zeit. Wo bist du? Weißt du überhaupt, in welchem Krankenhaus ich bin? Und in welchem Zimmer? Oh Mann, ich bin so aufgeregt...'
Ich war so nervös, ich hatte das Gefühl, ich würde platzen.
Und ich könnte fliegen, so leicht fühlte ich mich...
Manuel, GLP, der sich niemandem außer seiner Familie zeigte, der mein bester Freund seit ewiger Zeit war, würde hierher kommen. Zu mir...
'Ich steh schon vor deiner Tür! Bereit, von Schönheit geblendet zu werden?'
Mein Atem beschleunigte sich, und mein Herz raste. Träumte ich...?
'Immer', schrieb ich rasch.
Schon klopfte es an der Tür...