Kapitel 30

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Zwei Tag später lag ich noch immer in diesem Raum aus Beton und Eisenketten auf dem kühlen Boden. Ich zitterte nicht mehr. Damit hatte ich längst aufgehört. Mein Körper schien gar nicht mehr zu leben. Ich konnte meine Glieder überhaupt nicht mehr spüren. Ich war regelrecht ein Wrack. Das Einzige, was ich noch fühlte waren Schmerzen, die ausgiebig an meinem Leib zerrten, die ich jedoch nicht zuordnen konnte.

Dass Vampire nicht grade leicht starben, wusste ich durch Edan. Nun wollte ich lieber tot sein, anstatt in diesem Loch dahinzuvegetieren. Warum holten sie mich überhaupt her? Ich war erst seit geringem Zeitraum kein Mensch mehr, ich wusste nichts und war auch sonst zu nichts zu gebrauchen. Weswegen stecke ich dann hier unter der Erde? Niemand kam in diesen Raum und auch sonst zeigte mir keiner, dass da überhaupt noch jemand hinter den Mauern existierte. Es war dunkel. Kein Licht. Keine Geräusche. Außer ein paar vereinzelte Menschen, die an der Tür vorbeiliefen. Wollen sie, dass ich vergessen werde?

Hinzukommend riss ständig die Bewusstlosigkeit an meinem Geist, wollte mich vereinnahmen und immer wieder war ich kurz davor diesem inneren Impuls nachzugeben, bis mir schließlich wieder einfiel, dass ich so erst recht nicht von diesem Ort wegkam. Anbei probierte ich mich zu konzentrieren und versuchte irgendwie Edan zu erreichen. Das muss doch zu schaffen sein. Langsam aber sicher huschte nicht bloß Angst durch meinen Körper, sondern auch Wut, weil er mich nicht hörte, die dann in Frust und Trauer umschlug, aber vor allem Hoffnungslosigkeit.

Warum rettet er mich nicht? Suchte mich Eric ebenso? Was machte meine Mutter in dieser Stunde? War sie auf Arbeit? Was tat Henry? Half er Edan herauszufinden, wo ich mich befand, oder hatten sie es schon aufgegeben? Doch das konnte ich nicht glauben. Er war alles für mich und ich für ihn. Er durfte mich nicht im Stich lassen, aber umso mehr noch weitere Stunden vergingen, umso unsicherer wurde ich mir auch, dass mir jemand zur Hilfe eilt.

Zwar hatte ich den Vorteil nicht krank zu werden wie ein Mensch, aber dafür war mein Körper in keiner guten Verfassung. Ich war schwach und meine Wunden, die man schnellstmöglich mit Blut versorgt hätten müssen, waren nun verkrustet und erholten sich kaum. Dreck und Staub klebte daran, was noch mehr schmerzte und meine Zuge glich einer Wüste. Ich war durstig und hungrig außerdem. Schade das ich mich nicht selbst erhängen konnte, denn das wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit nichts mehr zu spüren. Langsam verlor ich nämlich auch die Geduld. Des Weiteren überschwemmten mich die Gefühle, die mich innerlich explodieren lassen wollten. Ich wusste weder wo oben, noch wo unten war. Dabei bekam ich mehr mit, wie ich wollte.

Die Einsamkeit machte mich ebenso irre und ich versuchte mich mit der Kette wenigstens ein paar Schritte zu bewegen. Ich wollte schreien, heulen und fluchen. Alles gleichzeitig, aber was brachte es mir? Nichts. Irgendwie verpuffte mein Lebenswille komplett. Womöglich lag es daran, dass da die Gewissheit war eine halbe Ewigkeit in diesem Raum zu hocken und ziemlich schnell wurde mir bewusst, dass ein Vampir nicht so schnell draufging. Möglicherweise verschluckte ihn zuvor der Wahnsinn.

Zitternd schlang ich die Arme um meine Knie, so gut wie es die Ketten um meinen Körper zu ließen und rollte mich irgendwie zusammen. Es war besser in der Hocke zu sitzen, als auf meinem Hintern, denn dann nagte die Kälte noch mehr an mir und so saß ich wieder einige Stunden da. Oder waren es lediglich Minuten? Vielleicht sogar auch Tage. Ich verlor Rum und Zeit. Eine Statue, die hier vollkommen fehl am Platz war. Ein Mädchen, das doch bloß wieder nach Hause wollte. Erst jetzt vermisste ich die Schule so wahnsinnig, obwohl wir nie Freunde waren. Liebend gern saß ich Stunden im Unterricht, wo es mollig warm war, oder lag zu Hause im Bett. Ein Traum.

Ich fing an von Suppen zu schwärmen. Zum Beispiel Graupen. Ich hasste sie. Total. Aber in diesem Moment hätte ich dafür getötet, nur um einen Löffel davon in meinem Munde zu spüren, wie er mir langsam die Kehle hinunter rann und sich in meinem Magen ausbreitete. Schon eine rohe Kartoffel, wäre eine kleine Genugtuung gewesen. Das hätte mich einen Moment glücklich gemacht. Andererseits versuchte ich die Vorstellung auszublenden, dass ich womöglich auch Ratten oder Mäuse gefressen hätte, aber irgendwie kamen die entweder nicht an diesen Ort, oder wollten es schlichtweg nicht.

Someday II - be a VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt