Kapitel 10

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Die Statur war wie bei den meisten Vampiren groß und breitschultrig. Nicht ganz so enorm, aber auch nicht zu wenig. Die Muskelstränge an seinen Unterarmen waren aber deutlich zu erkennen, dennoch sah er nicht einmal annähernd wie diese Muskelprotze aus. Dieser Vampir, der da vor mir stand, musste jedoch schon einiges älter sein. Älter als Edan oder Eric. Keine Ahnung warum ich das wusste, denn sein Aussehen zeigte, dass er mit Anfang zwanzig verwandelt wurde. Trotzdem war da ein Gefühl in mir, ein Respekt, der mich regelrecht in die Knie zwang.

»Wie lange?«, fragte er plötzlich. »Was, wie lange?«, wollte ich mit gerunzelter Stirn wissen. »Ich verstehe nicht...« Die Frage überrumpelte mich vollkommen. Nicht, weil überhaupt jemand mit mir sprach, sondern seine Worte für mich keinen Sinn ergaben. »Wie lange bist du schon eine von uns? Lass mich raten...« und er lächelte freundlich. »Seit einer kurzen Zeit?« Womit er schließlich Recht hatte. Deshalb nickte ich bloß; hielt aber erst einmal den Mund. »Woher kommst du, wenn ich fragen darf?« und mit einer fließenden Bewegung legte er eine Hand unter sein Kinn. Mit dem anderen Arm stützte er den Ellenbogen auf dem Tresen ab. 

Im Anschluss fuhr er fort: »Wenn du mir keine Antwort darauf geben möchtest, akzeptiere ich das natürlich, aber ich kenne die Gäste hier. Jeden Einzelnen und dich sehe ich hier zum ersten Mal. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir uns etwas unterhalten könnten und du mir etwas über dich erzählst! Das ist doch in Ordnung, oder?« Er war noch immer freundlich, zeigte keinerlei Anspannung. Ganz im Gegenteil. Er wirkte sicher, selbstbewusst und eigentlich ziemlich nett, aber ich wusste nicht, was ich in diesem Moment tun sollte. Eric war immer noch nicht zu sehen, als ich den Kopf hob und durch die Menge schaute. 

Aus dem Grund war es mir auch nicht möglich zu verschwinden. Aber wenn ich schon die Erfahrung sammeln konnte andere Vampire vor mir zu haben, war es an der Zeit das auszunutzen. Zumindest was das Wesen im Allgemeinen betraf. Es interessierte mich nämlich schon ziemlich, wo da die Unterschiede lagen und ob man so viel anders, wie die Menschen lebten. Immerhin gab es bisher nur Edan für mich und der hielt sich ja lieber im Hintergrund. Und nun befand sich dieser Mann vor mir... Ich musterte seine elegante Art, wie er sich bewegte, sowie Gestik und Mimik. Anders wie bei mir: fließender; schöner. Sofort breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus, denn eigentlich freute ich mich, dass ich mich mit Gleichgesinnten unterhalten konnte und endlich die Möglichkeit herantrat. Aber durfte ich über meine Person so viel Preis geben oder sollte ich lieber mit meinen Antworten wage bleiben? 

Und da war es wieder. Meine Unsicherheit. Ich kannte nichts und niemanden; bei dem wie ich nun war. Nur Edan und Eric. Das war nicht gerade viel. Keiner sagte mir, was ich zu tun oder zu lassen hatte und bevor mein Begleiter, mit dem ich hier landete, mit einer Blondine verschwand, erzählte er mir auch nichts weiter. Überfordert und völlig aus dem Konzept gebracht stand ich dumm da und überlegte, was ich nun tun sollte. Ich muss es darauf ankommen lassen, aber etwas von mir zu wissen, ist ja nicht verkehrt und solang es bei Oberflächlichkeiten bleibt, ist es doch in Ordnung, dachte ich so bei mir. »Ich komme aus einem kleinen Kaff hier in der Nähe«, berichtete ich diesem fremden Vampir, der sich nun neben mich auf einen Barhocker setzte, auf dem ich kurz zuvor noch hockte und verdrehte die Augen. 

Meine Lebensgeschichte war nicht gerade interessant. Deshalb sprach ich auch nicht gern von mir. »Lass mich dein Alter schätzen... Hm... Neunzehn?« Er war gut im Schätzen. »Fast. Ich bin achtzehn!«, grinste ich leicht und nippte an meinem Drink. »Wunderbares Alter«, überlegte er laut. »Die Verwandlung ist immer gut zu diesem Zeitpunkt. Man ist kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen und in der Blüte seines Lebens. Man wird immer das Aussehen behalten. Man sieht es bei mir«, lachte er und legte den Kopf etwas schief. »Wie alt warst du, wenn ich fragen darf?«, wollte ich neugierig wissen. »Zwanzig!«, gab er locker zurück. Das war ein paar Jahre jünger als Edan, doch man sah es ihm nicht an. Sie hätten beide gleichen Alters durchgehen können. »Und wie alt bist du wirklich?« Das war erst recht von großem Interesse.

Someday II - be a VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt