Genutzte Gitarrensaiten

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"Los kommt schon!", schrie ich den anderen. Die anrollende Meute von kreischenden Fans war wie eine Welle, die niemand stoppen konnte. Meine Hände schmerzen schon von dem vielen Autogramme schreiben. Ich schnappte mir meine zwei Gitarren und rannte los. In den Bahnhof. Paul, George und Ringo folgten. Sie rannten auch. Was deren Füße hergaben. Schnell an den wenigen Leuten vorbei. Um Haaresbreite hätten wir den Zug versäumt. Als wir drinnen standen, rollte er langsam an und wir ließen die kreischende Menge hinter uns. Zuerst verstauten wir unsere Koffer in dem Gepäckwagen und später suchten wir uns eine Kabine. Alles belegt. "Auf dem Gang will ich jetzt nicht versauern.", sagte ich sarkastisch. "Da ist doch noch Platz.", entgegnete Paul. Eine junge Frau, mit blondem Haar, sah in dieser Kabine und war in ein Buch vertieft, welches mir von dem Cover her bekannt vorkam. Das blaue Pünktchenkleid stand ihr ausgezeichet. Sie machte einen netten Eindruck, dennoch musste ich Paul's Vorschlag ablehnen. "Nein.", sagte ich, "Das ist doch unhöflich." "Uhhh John Lennon geht unter die feinen Herren. Was ist los mit dir?" George musste auch noch was hinzufügen: "Ja, das kommt vom saufen." Ich sah ihn böse an, doch bevor ich ihn abhalten konnte, stand er auch schon drinnen. "Ist doch nichts dabei.", sagte Paul und ging hinein. Nun sah ich Ringo an. "Ich passe mich der Menge an." "Dann solltest du schreien und mir die Kleider vom Körper reißen." "Haha, sehr lustig.", nun hatte ich es mir mit ihm auch verscherzt. Stehen bleiben wollte ich auch nicht, deswegen ging ich mit hinein und setzte mich zum Fenster. Jetzt kenne ich das Buch. Elvis. Die Biographie. Es war alles still. Die Schienen ratterten. Sie lugte immer wieder zu mir, doch versteckte sich auch gleich wieder hinter den Seiten. Mit dem Pilzkopf und dem Beatle habe ich sie zum Lachen gebracht. Man, hatte sie ein schönes Lächeln. Reiß dich zusammen John Winston Lennon. Du wirst dich jetzt nicht verlieben. Nicht dieses Mal. Vergiss es einfach. Als Beatle ist es unmöglich eine normale Beziehung aufzubauen. Außerdem wirst du ihr das Herz brechen, wenn du in London aussteigst und um Mitternacht wieder nach Hause fährst.

Nach ihrer Frage, ob wir alle aus Liverpool seien, antwortete Paul mit ja, doch sie musste bei der Rückfrage nein sagen, da sie nicht aus Liverpool kam. Das ist mir schon aufgefallen. Sie hatte keinen richtig starken Akzent. Etwas mildes. Kaum hörbar. Es wurde wieder still. Das Radio von Ringo rockte vor sich hin. Irgendwie war es mir zu langweilig, worauf ich mich wegen der Gitarre erkundigte, die ich gerade entdeckt hatte. Mir gehört sie nicht, obwohl ich die gleichen Koffer habe. Der steht dennoch zuhause in Liverpool und einer wartet im Gepäckabteil. Keinem gehörte sie, also wollte ich sie inspizieren. Sie war wunderschön. Ruby, wie sie sich zuerst vorgestellt hatte, sah auch gespannt zu. Es war eine schwarze Gitarre mit weißen Unrahmungen und dunkelbraunem Griffbrett. Die Saiten sahen abgenutzt aus. "Gretsch. Nicht übel." "Nur weil es keine Rickenbacker ist.", schnauzte George. Er hatte Gretsch. Ich hatte Rickenbacker. Ich habe das eigentlich so nicht gemeint. Nur eine Redensart. Ich ignorierte es einfach und begann zu spielen. Die ging wirklich ausgezeichnet. Eine gut eingespielte Gitarre, doch nach George's Worten konnte sie ihm nicht gehören. Er hätte sie mir sonst aus der Hand gerissen, da er meinen Style nicht so gern mochte. Er sagt immer, seine Gitarre hätte dann einen psychischen Nachklang. Was ihn natürlich stört. Wir haben letztes Jahr If I Fell noch einmal machen müssen, da George mit seinem Sound nicht zufrieden war. Es klang nicht nach Rock sondern nach etwas anderem. Eine Stunde davor habe ich auf seiner Gretsch A Hard Day's Night gespielt. Psychischer Nachklang.

Diese Gitarre war wirklich wunderschön. Doch wem sie gehört, wusste ich immer noch nicht. "Sie gehört mir.", antwortete Ruby schüchtern. Sie spielt Gitarre? Man das wäre die perfekte Freundin für...In Gedanken verpasste ich mir eine Ohrfeige. Hör auf damit. Du weißt, du wirst ihr nur das Herz brechen. Das wusste ich. Ich wusste es. Doch ich konnte nicht aufhören. Anscheinend wusste sie auch nicht wer wir waren. Das war das erste Mal, dass jemand da saß, ohne fast zusammenzubrechen. Wegen mir. Oder den anderen dreien. Es müsste eigentlich auffallen. Wir hatten den gleichen Haarschnitt. Die gleichen Anzüge. Naja. Ich will es jetzt nicht ändern. Es ist mal schön mit jemanden normal zu reden. "Du spielst?", fragte ich ungläubisch. Sie nickte nur. Ich hielt sie ihr hin. "Meine Hände sind zu kalt um zu spielen.", sagte sie nun ein wenig lauter. "Ich wärme sie.", kam es geschossen. George sah kurz über den Buchrand hervor. Mit fragendem Blick. Ringo hatte nun das Radio abgestellt und klopfte daran. "Es geht nicht mehr." Jetzt hat er wirklich den Moment verpatzt. Ruby deutete mir ihr die Gitarre zu geben. Das tat ich. "Was darf's sein meine Herren.", fragte sie uns. Sie sah mir tief in die Augen. Ich wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. "Chuck Berry.", schrie Ringo. "Shhhhhh!!!", stutzte ihn Georgie zusammen.

It's Here Again | Beatles ChristmasstoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt