Perfect...

Sign

Meine Fingerspitzen waren nur noch Millimeter entfernt. Zum ersten Mal seit ich seinen Kristall sah, verspürte ich das Verlangen ihn zu besitzen. Komplett.
"Bitte lass mir meine Freiheit. Ich bin nichts wert, wenn du mich komplett besitzt", er atmete ganz flach. Peinlich berührt nickte ich. Ich vergaß immer wider, dass er quasi Passagier in meinem Kopf ist.
Das werde ich, Rowan. Das werde ich. Tut mir leid. Ich wünschte, du hättest eine andere Wahl.
Er kniff seine Augen noch fester zusammen und ich überwand die letzten Millimeter.

Meine Fingerspitzen stießen an seinen Wunschstein und ich sah fasziniert, wie dieses Stück Seele von ihm zu pulsieren beginn. Rowan atmete langsam aus und sagte leise: "Gut. Aber so findest du das Vibrationsmuster nie. Finde es. Entschlüssle es." Er biss seine Zähne schon wieder zusammen und wartete. Ich hatte keine Ahnung wie ich das Muster finden sollte. Ich dachte nach. Von meinen Fingerspitzen am Stein gingen konzentrische Kreise aus. Vielleicht war die Verbindung nur zu schwach. Ich legte meine Hand unter den Stein, sodass dieser auf meiner Handfläche lag.

Ich spürte es. Ich fühlte es tief in meinen Steinen. Ein anderes Muster. SEIN Muster. Da die Verbindung jedoch nur sehr Oberflächlich war, konnte ich es nicht entschlüsseln.
Es ist zu wenig, Rowan.
Er öffnete seine Augen und als er begriff, was ich meinte, griff er nach meiner anderen Hand. Ich drückte seine Hand fest und wartete auf sein Zeichen, dass er bereit war.
Er atmete noch einmal tief durch, schaute mich direkt an und nickte dann kurz.

Meine Hand umschloss seinen Stein komplett. Rowan stöhnte auf, doch das bemerkte ich gar nicht. Ich sah vor meinem geistigen Auge eine Abfolge von Tönen und Mustern. Ich war völlig gebannt davon. Ich setzte einzelne Teile zusammen. Immer wieder und wieder, bis ich die richtige Kombination hatte. Ich hatte das Gefühl, es vergingen Stunden. Doch diese Ewigkeit dauerte nur Sekunden.
Es waren Sekunden, in denen ich den Code einer Seele herausfand.
Ich spielte die Melodie ab und öffnete so den Stein.
Rowan, der bis hierhin gestöhnt und fast kaum geatmet hatte, sog scharf die Luft ein.
Seine Erinnerungen stürzten auf mich ein.
Eine vornweg. Ich erlebte die Dinge aus seiner Sicht. Mehr als nur das. Ich war er. Ich war Rowan Fall.

Ich umarmte Lily und versuchte zu ignorieren, dass da drei Tote Menschen neben ihr lagen. Menschen, die sie tötete. Sie wirkte aufgelöst, aber dennoch so kalt. Als würde sie das gar nicht berühren. Ich machte mir Sorgen. Sie wurde immer mehr zu Lilian.

"Nicht Lucy, das ist privat."

Ich saß neben den Leichen von Lilian und Lily. Ich verlor sie beide. Lily hielt meine Hand noch fest umklammert. Ich sollte angewidert sein, doch das war ich nicht. Ich fühlte nur eine Wut. Wut auf die, die die Wirker erschufen. Ich würde sie finden. Das schwöre ich dir, Lily.

"Lucy! Nicht!"

Die erste zerbrach. Sie war nicht die Witch. Die Witch hätte dieses Ritual überlebt. Und da ich noch lebte, war sie es zu hundert Prozent nicht. Sie flehte mich an, ihr zu helfen. Ich konnte nicht. Ich tat es nicht. Ich drehte mich weg; ich ging und ließ sie von den Geistern verschlingen. Sie war es nicht.

"Lucy! Hör auf!"

Die Situation änderte sich. Wir waren nun in meinen Erinnerungen. Er war nun ich.

Ich ging die Treppen hoch hinauf in mein Klassenzimmer. Heute wollten wir Halloween in der Schule feiern. Ich war ja auch nur hier, weil Troy und Lucinda mich darum gebeten hatten. Ich wollte gar nicht hier sein. Was man nicht alles für seinen Freund und die beste Freundin tut. Meine einzigen Freunde in diesem ganzen beschissenen Leben waren sie. Ich öffnete die Tür zu dem Raum wo die Party stattfand. Ich wünschte, ich hätte das nie getan.