Kapitel 03 ~ Nach Imladris

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Von meiner Erzählung über den Dúnedain, der Streicher genannt wird, angestachelt, schritt Legolas mit großen, festen Schritten durch meinen Wohnraum. Seine Verletzung schien bereits fast verheilt zu sein, hinkte er doch nicht mehr und trat sicher auf.

„Wer könnte Wissen über den momentanen Aufenthalt des Waldläufers haben?" , wollte er wissen und blickte mich aufgeregt an.

„Wenn jemand mehr weiß, dann mein Onkel." , überlegte ich. Schließlich war er es gewesen, der stets mit dem Mann in Kontakt trat, wenn dieser unser Dorf betrat um Nachrichten zu bringen.

„Bring mich zu ihm." , befahl der Elb und trat einen Schritt auf mich zu.

„Bitte." , entgegnete ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Wo kämen wir denn hin, wenn ich mir in meinem eigenen Haus Befehle erteilen ließe?

Legolas schien sofort zu verstehen, sah mich jedoch bloß entgeistert an.

„Ist das dein Ernst? Ich habe es eilig, Mädchen!" , sagte er, doch ich lächelte ihn bloß an.

„Na schön." , zischte er. „Bring mich bitte zu deinem Onkel."

„In Ordnung. Folge mir." , sagte ich und ging durch die Haustür voran. Es war eigentlich ganz und gar nicht meine Art, jemanden auf die Nerven zu gehen, doch dieser eingebildete Elbenprinz schien es nicht anders verdient zu haben.

Es war nur ein kurzes Stück bis zum Haus meines Onkels, da die Familien in unserem Dorf alle nahe beieinander lebten. Wir überquerten eine, vom Regen aufgeweichte Straße und standen vor der größten Hütte des Dorfes, die dem Bürgermeister vorbehalten war. Vorsichtig klopfte ich an der Tür. Mein Onkel war ein liebenswerter Mann, den ich sehr schätzte, doch war er kein Freund unerwarteten Besuchs. Etwas bewegte sich an dem kleinen Fenster neben der Tür, dann hörte ich seine vertraute Stimme: „Elanor, bist du es Kind?" , fragte er durch die Tür.

„Ja, ich bin es, Onkel. Ich habe jemanden mitgebracht, einen Waldelb des Düsterwaldes. Er hat ein paar Fragen, die ich nicht zu beantworten vermag." Legolas neben mir atmete hörbar aus. Die ganze Geschichte schien ihm tatsächlich von äußerster Wichtigkeit. Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens schwang die Tür vor uns auf und mein Onkel trat lächelnd in das Licht des Tages.

„Ich habe mir schon gedacht, dass der Elb bald kommen würde. Du bist sicher Legolas Grünblatt, oder?" , sagte er und überraschte mich nicht zum ersten Mal mit seinem Vorwissen.

„Der bin ich, doch woher wisst Ihr das?" , fragte Legolas nicht weniger erstaunt.

„Nun, auch ich stamme von dem alten Volke ab und habe so meine Mittel und Wege an wichtige Informationen, die mich und meine Familie betreffen, zu gelangen. Ich weiß wer du bist und ich weiß, welche Aufgabe dein Vater dir gab. Kommt herein, Elbenprinz und ich erzähle Euch, was ich über den jungen Streicher weiß."

Und so folgten wir meinem Onkel in sein Haus, in dem er seit einigen Jahren bereits alleine lebte. Meine Tante starb auf der Flucht, lange bevor wir dieses Dorf aufgebaut hatten und ich glaube diesen Verlust hatte mein Onkel noch heute nicht überwunden. Mit gebeugtem Gang und der Haltung eines sehr sehr alten Mannes ging er voran und wies uns an, an seinem großen hölzernen Rundtisch Platz zu nehmen. Oft hatte ich schon hier gesessen und der ein oder anderen Geschichte gelauscht, nicht selten sogar heimlich und ungesehen.

„Also, mein Herr, ich bitte um rasche Aufklärung und um Antwort auf einige meiner Fragen." , sagte Legolas mit angespannter Stimme. Sicherlich war es ihm nicht ganz geheuer, dass mein Onkel zuvor schon über ihn Bescheid gewusst hatte. Woher er wusste, dass der Elb kommen würde, war mir unklar, doch wusste ich, dass es nicht das erste Mal war, dass er über Geschehnisse wusste, bevor sie geschahen.

Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt