Nachdem ich mich noch etwas ausgeruht hatte und, unter den Augen Legolas' , etwas aß, konnten wir unsere Reise wieder antreten. Die Wunden, die noch lange von meiner Gefangenschaft zeugen würden, waren, dank der elbischen Heilkünste, beinahe verheilt und schmerzten mich jetzt nicht mehr, sodass wir neuen Mutes voran gingen und schnell einiges an Weg hinter uns lassen konnten. Viele Tage streiften wir ungesehen durch die wüsten Ettenöden, bis wir endlich das grünende Ufer des Weißquell erreichten, der aus den Bergen herab ins Tal rauschte. Die schnelle, und sicherlich tödliche Strömung, wirkte reinigend auf das Land, als ob all das Dunkel des Nordens fortgespült würde und mit ihm auch die Furcht des Landes. In einem Umkreis von wenigen Metern blühten Blumen nahe des Wassers und trotzten noch dem letzten Schatten.
„Nun geht es nach Westen, am Fluss entlang, bis zur letzten Brücke." , sagte Legolas und blickte erleichtert in die Ferne. Den gefährlichsten Abschnitt unseres Weges hatten wir nun wohl hinter uns gelassen.
„Und wie weit ist es noch bis Bruchtal?" , fragte ich.
„Wenn wir es über die Brücke schaffen, schlagen wir uns wieder nach Osten durch, an den Trollhöhen vorbei, über die Furt des Bruinen. Elrond wird wissen das ich komme, da bin ich mir sicher, also müssen wir uns keine Sorgen über den Übergang machen. Wenn alles glatt geht, werden wir noch etwa sieben Tage unterwegs sein."
Stumm blickte ich gen Westen. In sieben Tagen würde ich also endlich die heimeligen Hallen Imladirs bestaunen dürfen, doch noch war es ein weiter Weg bis dahin und wir wollten uns sputen.Etwas länger als drei Tage waren wir entlang des Weißquells unterwegs, bis wir auch das letzte Dunkel hinter uns ließen und die letzte Brücke über den Fluss erreichten. Die Landschaft hatte sich verändert und war längst nicht mehr so düster, wie im Norden. Wir rasteten eine Nacht ein Stück weit von der Brücke, um am nächsten Morgen sofort die letzte Etappe der Reise auf uns zu nehmen.
„Geht es dir gut?" , fragte Legolas mich, als wir im rötlichen Licht der aufgehenden Sonne vor der hölzernen Brücke standen. Still war es um uns herum, nur ein paar einzelne Vögel waren zu hören, die leise zwitscherten.
„Natürlich geht es mir gut." , sagte ich und lächelte. Dann gingen wir endlich über die Brücke und eilten ostwärts, eine Straße entlang, die uns zur Furt nach Bruchtal führen sollte.Zwei weitere Tage liefen wir durch ein grünes, freundliches Land. Zu unserer Linken befand sich ein kleines Wäldchen, welches ruhig und verlassen schlummerte, während wir an seinen Bäumen rasteten.
„Ich will dir etwas zeigen." , sagte Legolas eines Abends, während ich gerade etwas von dem Lembas aß. Er lächelte und schien höchst zufrieden, also ging ich ohne nachzufragen mit ihm mit, doch als wir ein weites Stück in den dunklen Wald hinein gingen, wurde mir etwas mulmig in der Magengegend. Zu oft hatte ich die Geschichten der trügerischen Ruhe in diesen Landen gehört und zu oft waren diese Geschichten mit wagemutigen Helden ausgegangen, die von Trollen und Orks gefressen wurden.
„Wo willst du denn hin?" , fragte ich leise, während ich mich hinter dem Elb durchs Dickicht schlug.
„Das wirst du sehen. Wir sind gleich da." , sagte Legolas und steuerte auf eine kleine Lichtung zu.Wir gingen noch ein kurzes Stück, bis mir vor Schreck fast das Herz stehen blieb! Dort hinter einer kleinen Baumreihe standen, in gebeugter Haltung, drei riesenhafte Kreaturen! Ihre Köpfe waren so groß wie Felsen und ihre Körper so hoch wie 3 Mann! Die massigen Hände konnten mich mit einem einzigen, festen Griff zerquetschen und sehr wahrscheinlich zu Sülze verarbeiten. Ihre graue, großporige Haut lag in Falten und rundete das grauenerregende Bild noch ab.
„Legolas.!" , fiepste ich, doch es war gewiss zu spät! Sie mussten uns gehört haben. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte ich auf die Monster, doch die Trolle kamen nicht auf uns zu. Sie bewegten sich nicht einmal.
„Sie sind versteinert." , Legolas lachte und zog mich mit sich auf die Lichtung. Fasziniert starrte ich auf den Troll vor mir. Er war so groß, dass ich ihm gerade einmal bis zur Mitte seines fetten Oberschenkels reichte.
„Was ist geschehen?" , fragte ich ungläubig und klopfte sanft gegen die steinerne Haut des Ungeheuers, welches mürrisch zu mir herab starrte.
„Nun, ich war nicht dabei als es passierte, habe mir aber erzählen lassen, dass sie einst versucht haben die Zwerge des Erebor und Herrn Bilbo zu fressen. Ist ihnen scheinbar nicht gut bekommen." , wieder schmunzelte Legolas und musterte mich.
„Warum zeigst du mir das?" , wollte ich wissen und ging um einen Troll herum, um ihn genauer zu betrachten.
„Ich dachte, es würde dir gefallen, sie so zu sehen. Ich weiß ja, dass du Angst vor ihnen hast. Und ich wollte vermeiden einem nicht versteinerten so nahe zu kommen."
Nun musste ich lachen. „Mir gefallen? Nunja ... Ja, irgendwie gefällt es mir wohl."„Gut. Komm, da ist noch etwas, was sich zu zeigen lohnt." , und Legolas ging, vor, um einem kleinen Pfad zu folgen, der nur wenige Meter von der Trolllichtung zu einem echten Trollhort führte! Der Gestank, der aus der vergleichsweise kleinen Erdhöhle kam, war abartig und verschlug mir den Atem. Tränen stiegen mir in die Augen und ich hielt mir die Hand vor die Nase, um nicht unnütz viel davon einzuatmen.
„Nun, Mädchen des Westens, da drinnen liegt, wie du dir sicherlich denken kannst, einiges herum, was die Trolle zu Lebzeiten ergaunert haben. Wir sollten es uns nicht nehmen lassen, einmal hineinzugehen und nach etwas Brauchbaren zu suchen."
Und obwohl mich der Gestank fast lähmte, folgte ich dem Elb unter die Erde, hinein in das dreckige Loch der Trolle. An den erdigen Wänden klebte allerlei matschiges Zeug, über das ich nicht nachdenken wollte und welches ich schon gar nicht berühren mochte, doch Legolas sollte Recht behalten, hier war noch einiges versteckt gehalten und verborgen geblieben, vor gierigen Augen.Neben einigen Kisten voll mit Gold und Edelsteinen, waren auch Schwerter und Dolche achtlos auf einen Haufen geworfen worden. Wem diese Waffen einst gehörten und wie deren Leben geendet hatte, wollte ich mir nicht vorstellen.
„Nimm das." , sagte Legolas leise und reichte mir eines der Schwerter. Etwas ungeschickt nahm ich es ihm ab. Ich war zwar geübt im Kampf mit dem Dolch und eine ziemliche gute Bogenschützin, doch mit einem Schwert hatte ich bisher noch nicht gekämpft.
Vorsichtig umschloss ich den Griff mit meinen Fingern. Es war eine sehr leichte, schmale Klinge, mit reichlich Verzierungen.
„Eine Elbenklinge?" , fragte ich und sah Legolas durch das Dunkel hindurch an.
„Ja. Sie gehört der Tochter Elronds, die du nun bald kennenlernen wirst und ich denke, sie wird sich über ihr Schwert freuen." , sagte Legolas und steckte ebenfalls eines der Schwerter und drei Dolche ein.
„Ich wusste nicht, dass er eine Tochter hat." , gab ich zu und schämte mich beinahe für mein Unwissen. Das Schwert lag nun schwer in meinen Händen.
„Es gibt vieles, was du nicht weißt." , sagte er, und reichte mir die Scheide für mein Schwert. Dann ging er an mir vorbei, hinaus aus dem abartigen Loch. Dankbar folgte ich ihm an die frische Luft.
„Meinst du, es ist überhaupt in Ordnung, dass ich mit dir nach Bruchtal komme? Ich meine, könnte Elrond, oder seine Tochter, etwas dagegen haben?" , fragte ich nun plötzlich zögerlich.
„Wenn sie etwas dagegen hätten, wüssten wir es bereits. Wir sind ihnen so nahe, dass wir sicherlich bereits von den Kundschaftern angekündigt worden sind."
„Mhm ..."
Wieder lächelte Legolas bloß. „Nimm das Schwert und komm. Wir sollten unser Gepäck nicht so lang unbeaufsichtigt lassen."Wieder am Rastplatz angekommen, legte ich das Schwert sofort vorsichtig auf meiner Decke ab. Woher der Unmut, der sich in mir regte, plötzlich kam, konnte ich nicht erklären. Vielleicht war es einfach eine zu komische Vorstellung, dass die Reise nun bald enden würde und Legolas einen anderen Weg einschlagen würde, sobald es nötig war.
„Vermutest du noch immer das dieser Streicher in Bruchtal ist?" , fragte ich schließlich, während ich auf den immer dunkler werdenden Himmel blickte.
„Ich hoffe es." , flüsterte Legolas, der näher bei mir saß, als ich zunächst gedacht hatte.
„Was tust du dann? Wenn er dort ist meine ich."
„Das wird sich zeigen." , murmelte der Elb und frustrierte mich nur noch mehr.
„Und wenn er nicht dort ist?"
„Dann finde ich einen anderen Weg." , flüsterte er nach kurzem Überlegen.
„Mhm." Der Gedanke, daran, allein in Bruchtal zurückzubleiben gefiel mir absolut nicht.
„Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen. Schlaf jetzt." , flüsterte Legolas und nahm plötzlich meine Hand in seine. „Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, dich mit alldem zu belasten. Was alles passiert ist, hätte nicht passieren dürfen."
Wie gebannt starrte ich ihn an. „Was passiert ist, ist aber nicht deine Schuld." , sagte ich schließlich und sah weg.
„Hätte ich dich in deinem Dorf gelassen, wäre dir nichts passiert."
„Du wolltest mich doch auch dort lassen."
„Ich war nicht energisch genug. Ich war zu egoistisch gewesen, um dich dort zu lassen." , murmelte er und ich sah ihn wieder an.
„Was meinst du? Weshalb warst du egoistisch?" , fragte ich leise und verstand nun gar nichts mehr.
„Ich habe dich nicht in deinem Dorf gelassen, weil mir der Gedanke gefiel, dass du mich begleiten würdest, Elanor." , nun sah Legolas weg. „Schlaf jetzt."Und noch bevor ich mich auch bloß bewegen konnte, erhob er sich und beugte sich über mich. An den Baumstamm gedrückt erstarrte ich unter ihm und einen Atemzug lang sah er mir mit seinen blauen Augen direkt in meine, um mir dann einen kurzen, flüchtigen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Dann war er verschwunden.
Mit prickelnder Haut und verwirrt blieb ich sitzen und starrte auf das Glitzern des Nachthimmels über mir.
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Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiert
FanfictionNachdem Minas Tirith von Minas Morgul angegriffen wurde und ihre Eltern starben, flüchtete Elanor mit einigen anderen Überlebenden in den Norden. Dort lebte sie, immer in Gefahr durch das dunkle Königreich Angmar, welches von Orks besetzt war. Sie...