Die Zeit in Bruchtal schien still zu stehen und doch waren ganz plötzlich mehr als drei Wochen wie im Fluge an uns vorbeigerauscht.
Aragorn und Legolas zogen sich häufig mit Herrn Elrond zurück und sprachen über Dinge, von denen ich angeblich nichts wissen durfte. Es frustrierte mich, nicht dabei sein zu dürfen und doch ließ sich meine friedliche Stimmung nicht mindern.
Gemeinsam mit Arwen verbrachte ich einige schöne Tage und wanderte durch das Tal. Wir sprachen über viele Dinge und sie erzählte mir gern von ihrem Leben in den Wäldern Loriens, welches mich wirklich interessierte. „Vielleicht kann ich dich der Herrin Galadriel eines Tages vorstellen." , meinte Arwen, nachdem ich wiedereinmal begeistert ihren Geschichten gelauscht hatte.Weitere Tage und Wochen vergingen. Es wurde Sommer und dann Spätsommer. Die Zeit, die verging, war bloß an den Jahreszeiten festzumachen. Arwen und ich waren gute Freundinnen geworden und verbrachten beinahe jeden Tag miteinander. Legolas und Aragorn sahen wir jedoch kaum noch. Immer wieder verschwanden sie mit Herrn Elrond in einem abgeschlossenem Raum, oder murmelten von dunklen Zeiten.
Nur noch selten sah ich ein Lächeln des Waldelben, stets war die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt. Auch Arwen machte es zu schaffen, dass Aragorn so verschwiegen war, doch es gab Tage, an denen sie urplötzlich verschwand und dann, mit einem geheimnisvollen Lächeln, Stunden später, wieder auftauchte.
Wo sie war wollte sie mir nie verraten, doch ahnte ich jedes Mal, dass es etwas mit dem hübschen Aragorn zu tun haben musste, den sie stets heimlich beäugte. Sprach ich sie auf meinen Verdacht hin an, verneinte sie dies und doch leuchteten ihre Augen und die Röte in ihren zarten Wangen verriet sie. So kam wieder einer dieser Tage, an denen Arwen sich von mir trennte und davon eilte. Gedankenversunken sah ich ihr nach. Die beiden würden ein hübsches Paar abgeben, auch wenn ich den verschwiegenen Aragorn noch nicht wirklich einzuschätzen vermochte. Er sprach kaum über sich, hörte bei Gesprächen meist bloß zu und mischte sich ungern ein. Seine Körperhaltung strahlte Selbstbewusstsein und eine gewisse Anmut aus und seine Hände waren fähig ein großes Schwert zu führen. Und doch wusste ich nichts, außer, dass er ein wichtiger Mann war.
Estel - Die Hoffnung, nannten die Elben Imladris ihn, doch worauf sollten wir hoffen?Meinen Gedanken nachhängend, ging ich an diesem schönen Sommermorgen einen anderen Weg durch das Tal, als ich es sonst tat. Kleine Sträucher und Bäume wuchsen am Wegesrand und die weißen Blumen standen in voller Blüte. Durch die vollen Kronen der Bäume war es schattig und eine kühle, angenehme Luft umgab mich.
Immer wieder schweifte mein Blick umher und ich bewunderte diese wundervolle, vollkommene Natur, die so unberührt und friedlich dalag. Ein ganzes Stück weit ging ich und ließ die letzten Häuser Bruchtals hinter mir, bis ich eine kleine, silbrig schimmernde Bank am Weg fand, auf die ich mich niederließ.
Umringt von grünem Gras und den weißen, wunderschönen Blumen, schloss ich meine Augen und versuchte all die negativen Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen, die sich versuchten dort einzunisten.
Wieder schweiften meine Gedanken wie wild umher. Die Nazgûl ließen mir keine Ruhe, Aragorn, über den es noch so vieles herauszufinden galt, die Beziehung zwischen ihm und Arwen, die sicherlich nicht ohne Probleme ablaufen würde, da sie eine Elbin hohen Blutes war und er doch bloß ein Mensch, Legolas, der ... der mir nach wie vor nicht aus dem Kopf ging. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich mich zurücksehnte zu unserer gefährlichen Reise, auf der wir so vieles gemeinsam erlebt hatte. Ich dachte an den Abend zurück, nahe der Trollhöhen. Ein kurzer, flüchtiger Kuss auf die Stirn, mehr war es nicht gewesen und doch schwoll mein Herz unweigerlich auf die doppelte seiner Größe an, wenn ich an diesen einen Moment dachte.
„Elanor?" , hörte ich plötzlich eine Stimme flüstern, die mich zurück in die Wirklichkeit holte. Erschrocken öffnete ich meine Augen, ich hatte nicht damit gerechnet so weit ab von Bruchtal auf jemanden zu treffen, den ich kannte.
„Was machst du denn hier?" , fragte die Stimme und aus dem Schatten gegenüber trat niemand anderes als der Waldelb, über den ich mir eben noch den Kopf zerbrochen hatte.
„Legolas. Ich ähm ... Ich brauchte einfach mal etwas Ruhe." , sagte ich und stand von der Bank auf.
Er lächelte und kam noch ein paar Schritte auf mich zu, bis er vor mir stand. Ein einzelner Sonnenstrahl hatte seinen Weg durch das dichte Blattwerk der Bäume gefunden und beleuchtete das silberne Hemd des Elben. In seinen Händen hielt er eine der kleinen, weißen Blüten, die hier überall wuchsen.
„Ja, die Ruhe habe auch ich gesucht und an diesem Fleckchen gefunden." , sagte er leise und blickte auf mich herab. Seine Nähe machte mich benommen, nachdem ich ihn die letzten Wochen so selten zu Gesicht bekommen hatte. Es war, als würde er alle Luft zum Atmen einsaugen und kaum etwas übrig lassen.
„Schön ist es hier." , sagte ich wenig geistreich, löste meinen Blick von seinem und sah auf die zarte Blüte zwischen seinen Fingern.
„Elanor." , sagte er wieder. Verwirrt sah ich zu ihm auf.
„Die Blüte. Es ist die Blume Loriens, nach der du benannt bist." , flüsterte er, lächelte und reichte mir die weiße Blume. Stumm besah ich mir die zart leuchtenden Blütenblätter, die nicht viel größer waren als eine Fingerkuppe.
„Sie ist wunderschön." , sagte ich und erfreute mich an meiner Namensgebung.
„Sie wird dir gerecht." , flüsterte Legolas. Ganz langsam drangen diese Worte von meinem Ohr, in den Gehörgang und dann in meinen Verstand.
Noch langsamer hob ich meinen Blick von der Blume zu ihm und versuchte seinem standzuhalten. Zu sprechen hatte ich nun vergessen.
Sein Atem ging ganz ruhig, während meiner sich nahezu überschlug und mit meinem Herzschlag um die Wette lief.
Vorsichtig und mit Bedacht trat er den letzten Schritt zwischen uns und war mir nun so nahe, dass gerade noch ein Blatt zwischen uns gepasst hätte. Stumm und wie hypnotisiert ließ ich meine Arme sinken, die Elanorblüte fiel zu Boden, als Legolas' Hände nach meinen griffen.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist." , flüsterte er, doch noch bevor er den Satz richtig beendet hatte, beugte er sich das letzte Stück zu mir runter und legte seine Lippen auf meine.
Seine Hände drückten meine kurz, bevor er sie an meine Hüften legte und mich an sich heranzog. Atemlos und vollkommen perplex genoss ich jede seiner Berührung und erwiderte den Kuss. In meinem Bauch und Kopf explodierten mehrere Feuerwerke zugleich und ich vergaß alles um uns herum.
Dann löste er sich zögerlich und widerwillig von mir, sah mich kurz und mit einem Leuchten in den Augen an, welches ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Mein Atem ging noch immer nur stoßweise und mein Kopf versuchte das Geschehene noch zu verarbeiten, als er mich feste an sich drückte und seinen Kopf auf meinem ablegte. Wie gelähmt lag mein Kopf auf dem weichen Stoff an seiner Brust und ich lauschte seinem Herzschlag für einen Moment. Er drückte mir noch einen flüchtigen Kuss auf den Kopf, bevor er einen Schritt zurücktrat und mich fast entschuldigend ansah. Noch immer schwirrte mein Kopf.
„Ich ..." , brachte der Elb hervor und es war das erste Mal, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Mehr als ein viel zu hoher, kurzer Ton entkam meinen Stimmbändern jedoch auch nicht und so sahen wir uns einen weiteren Moment einfach nur an, bis er abermals meine Hände nahm.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist." , wiederholte er, „Doch schlecht kann dies hier einfach nicht sein." , murmelte er und küsste mich noch einmal, bevor er sich letztendlich von mir löste, meine Hand noch einmal drückte und dann schnellen Schrittes und kaum gesehen im Wald verschwand. Lange noch nachdem er fort war blickte ich ihm nach, bis ich mich lächelnd ins Gras setzte und gedankenversunken eine Elanorblüte betrachtete.
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Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiert
FanfictionNachdem Minas Tirith von Minas Morgul angegriffen wurde und ihre Eltern starben, flüchtete Elanor mit einigen anderen Überlebenden in den Norden. Dort lebte sie, immer in Gefahr durch das dunkle Königreich Angmar, welches von Orks besetzt war. Sie...