Kapitel 11 ~ Verhandlungen an der Furt

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Ein freundliches „Guten Morgen" war das Erste, was ich an diesem Morgen wahrnahm. Ich blinzelte vorsichtig, denn die aufgehende Sonne schien direkt zwischen dem Gebirgskamm der Nebelberge hindurch, in meine Augen. Legolas stand in gebeugter Haltung vor mir und war gerade damit beschäftigt unser Lager abzubauen und zusammenzupacken.
„Wie spät ist es denn schon?" , wollte ich wissen und versuchte nicht an den letzten Abend zurückzudenken.
„Etwa Sechs Uhr. Zeit etwas zu essen und aufzubrechen." , Legolas' Elan und Übermut steckten mich an und das auch er den vorher gegangenen Abend zu ignorieren schien, erleichterte es mir, mit meinen aufkeimenden Gefühlen besser zurecht zu kommen. Schnell aßen wir ein wenig von dem Lembas und einige Beeren, die Legolas am Wegesrand gefunden hatte. Sie schmeckten süß und waren wunderbar saftig.

Der Rest des Weges war, im Gegensatz zum Vorherigem, herrlich angenehm und schnell hinter uns gebracht. Nur zwei weitere Tage brauchten wir auf dem Weg von den Trollhöhen bis zur Furt des Bruinen. So heiter und fröhlich die Umgebung wurde, so auch das Gemüt des Elben. Er schien sich an jedem frischen Strauch zu erfreuen und fand alle paar Meilen neue Anzeichen der Elben von Bruchtal.

„Wir sind ganz nah." , sagte er schließlich und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, welches auch mich lächeln ließ. Wenige Meilen später hatten wir dann die Lautwasser erreicht. Und diesen Namen trugen sie keineswegs umsonst.
„Hier ist es." , sagte Legolas stolz und deutete auf den tosenden Fluss vor uns.
„Hier ist was?" , fragte ich verwirrt, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir dieses reißende Wasser jemals heile überqueren sollten. Zwar konnte ich schwimmen, das sogar ziemlich gut, aber niemals würde ich freiwillig einen solchen Fluss betreten.
„Warte es ab." , sagte Legolas wieder und noch immer lächelte er. Dann setzte er sich ans Ufer des Flusses und blickte ins Wasser.

Etwa eine Stunde lang saßen wir nebeneinander im Gras und starrten aufs Wasser. Unmut machte sich mit jeder Minute in mir breit und ich fürchtete meine Zeit zu vergeuden.
„Sie werden kommen. Die Späher Elrond's haben uns schon lange ins Auge gefasst."
„Und wenn sie kommen, kommen wir noch immer nicht über diesen vermaledeiten Fluss." , murmelte ich in mich hinein. Jemand lachte.
„Das ist nicht komisch. Du kannst vielleicht so gut schwimmen. Ich werde diesen Fluss nicht betreten." , schimpfte ich und stand auf. Ein kleiner Wutanfall bahnte sich in mir an, den ich krampfhaft zu unterdrücken versuchte.
„Ich kann weder schwimmen, noch habe ich gelacht, Elanor. Nun benimm dich bitte und setze dich." , entgegnete Legolas ruhig und hielt mir seine Hand hin, von der ich mich zurück auf den Boden ziehen ließ.
„Und wer hat deiner Meinung nach eben gelacht?" , fragte ich stumpf. Zu meiner Verteidigung muss ich hinzufügen, dass ich zu diesem Zeitpunkt der Reise sehr frustriert, erschöpft, hungrig, durstig und müde war. Zudem kamen diese wirren Gefühle für den Elb. Ich hatte genug. Fürs erste!

„Schau." , sagte Legolas schließlich leise und erhob sich bedächtig und mit einer einzigen fliesenden Bewegung.
Ruckartig und nicht halb so anmutig wie er, erhob ich mich und blickte in die Richtung, in die auch Legolas sah. Zunächst konnte ich nichts am anderen Ufer, zwischen all den Bäumen und Felsscharten erkennen, doch dann erschienen Schatten, die sich auf uns zu bewegten und auf einer kleinen, felsigen Anhöhe des Ufers Halt machten. Zwischen uns rauschte der Fluss, doch ich erkannte ganz deutlich mindestens fünf hochgewachsene, wunderschöne Elben, mit langem, dunklem Haar. Sie trugen alle ein silbriges Gewand, welches ihre perfekten Körper umspielte.
„Wer seid ihr und was wollt ihr hier?" , fragte einer von ihnen lauthals.
„Ich bin Legolas Grünblatt aus dem Waldlandreich, Sohn Thranduil's. Ich bin gekommen, um jemanden zu suchen und um jemanden zu besuchen." , erklärte sich Legolas gewandt.
„Wer ist eure Begleitung, Grünblatt?" , fragte der Elb weiter und deutete auf mich.
„Das ist Elanor, ein Mädchen einst aus Minas Tirith, Abkömmling der Númenoren. Sie stieß zu mir, während meiner Reise und steht zeitweilig unter meinem Schutz." , sprach Legolas weiter. Ich schwieg, während die Elben auf der anderen Seite des Flusses sich zu beratschlagen schienen. Nach einer kurzen Unterbrechung sprach ein andere der Bruchtaler weiter.
„Wir dulden keine einfachen Menschen in Imladris. Das solltest du wissen, Legolas, aus dem Waldlandreich. Jedoch wollen wir dich dulden."

Meine Muskeln verkrampften sich schlagartig. Unsere gemeinsame Reise würde nun also schon vorzeitig enden und die einzigen Elben aus Bruchtal, die ich zu Gesicht bekommen würde, waren die Wächter auf der anderen Seite des Bruinen.
„Ich werde nicht ohne sie eintreten, so habe ich es versprochen. Außerdem könnte es euch von großem Interesse sein, was dieses scheinbar einfache Mädchen bei sich trägt, was sie gefunden hat." , Legolas sprach und stupste mich kaum merklich an. Dann verstand ich, vorauf er hinaus wollte.
„Was hat sie gefunden?" , fragte ein weiterer der Wächter.
„Das hier." , sagte ich mutiger als ich mich fühlte und zückte das Schwert von Arwen, welches im fahlen Sonnenlicht das Wasser spiegelte. „Und ich möchte es der rechtmäßigen Besitzerin zurückbringen." , sprach ich weiter.

Wieder herrschte kurzes Schweigen auf der anderen Seite.
„So soll es sein. Treten ein, Legolas Grünblatt, Sohn Thranduil's aus dem Waldlandreich und Elanor, Mädchen aus Minas Tirith."
Und mit einer einzigen, leichten Handbewegung des Elben beruhigte sich das Wasser vor uns und wurde langsam zu einem leise hinplätschernden Bach.
„Folgt uns." , gab der Elb an und Legolas legte seine Hand auf meinen Rücken, um mir klar zu machen, dass ich mich nun wieder bewegen durfte.
„Gut gemacht." , flüsterte er leise und grinste.
„Danke."

Wir folgten den fünf Elben ein kurzes Stück durch ein kleines, sehr grünes Waldgebiet, welches vor Leben nur so überquoll. Überall zwitscherten Vögel und es raschelte an jeder Ecke. Die Bäume und das Gras waren grüner, als ich es mir hätte vorstellen können. Doch das Grün war schnell vorbei und wir gelangten auf ein hügeliges Terrain, von dem ein Weg abging,der einem weiteren, kleinem Flusslauf folgte. Immer höher stiegen wir, bis die Kluft viele Meter tief war. Ich wagte es nicht, etwas zu sagen, doch der Anblick ließ mich erstaunen. Vorsichtig, um ja nicht zu stolpern, legte ich die rechte Hand an die felsige Hügelwand, während ich dem Weg hinter den Elben weiter folgte.

Dann bogen wir um eine letzte Kurve und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Bruchtal.

Wunderschön, schimmernd und ruhig lag es, an den Berg geschmiegt, da. Aus Stein und Marmor gemeißelt mit kleinen, runden Häusern und Türmen. Wasser plätscherte überall aus den Wänden, dem Boden oder Brunnen zurück in den Flusslauf. Ein Stück weit ab ergoss sich ein riesiger Wasserfall im fahlen Licht. Es war wahrlich atemberaubend, sogar aus der Ferne.
Doch noch bevor ich all diese Eindrücke auf mich wirken lassen konnte, führten die Elben uns weiter, den Pfad hinab, zu einer reichlich verzierten Brücke.

Hinter der Brücke blieben wir auf einem kleinen, runden Platz stehen.
„Wartet hier." , sagte einer der fünf Elben und ging die breite, gewundene Treppe hinauf, die vor uns lag. Die anderen vier warteten mit gewissem Abstand hinter uns.
Lange mussten wir nicht warten, da kam der Wächter mit einem weiterem, unverschämt hübschen, Elb die Treppe hinab geeilt. Zu meiner Überraschung war es Legolas, der nun voreilig das Wort ergriff.
„Lindir! Wie schön dich zu sehen!" , sagte er und ging auf den fremden Elb zu. Der entgegnete ihm ebenfalls mit einem Lächeln und begrüße Legolas wie einen Freund, was mich erleichtert aufatmen ließ.
„Legolas. Es ist auch schön dich hier zu sehen. Aber was treibt dich so weit in den Westen?"
„Eine lange Geschichte ist es, die ich dir zu erzählen habe und viele Fragen, auf die ich noch keine Antwort zu erhoffen vermag. Meine Gefährtin und ich haben eine lange Reise hinter uns und viele Gefahren überstanden. Lass uns erst etwas ruhen, dann werde ich dir berichten und dich um weiteres bitten."
Nun wandte sich Lindir's Blick mir zu. Skeptisch musterte er mich von oben bis unten.
„Nun, Legolas, ich dachte Tauriel war es, die ihr zu eurer Gefährtin machen wolltet." , fragte Lindir und unterdrückte ein Lächeln.
„Nicht solch eine Gefährtin ist sie, lieber Lindir und über Tauriel kann ich nicht sprechen. Sie ist fort." , sagte Legolas, während ich bedrückt auf meiner Unterlippe kaute. Von Tauriel hatte ich schon einmal gehört, doch wollte ich ihren Namen schnell wieder vergessen.
„Nun denn, mein Freund. Ihr seid nun die Gäste Elrond's und es soll euch an nichts fehlen. Ich bring euch persönlich zu euren Unterkünften. Wenn ihr mir folgen würdet." , sagte Lindir und wandte nun das erste Mal seinen Blick direkt an mich. Zur Antwort nickte ich ihm und folgte hinter Legolas, die Treppe hinauf in eine gewundene, glitzernde Gasse.

Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt