So schnell, wie mich meine Beine tragen konnten, eilte ich hinter Legolas her. Hinter uns grollte ein schauriger, tiefer Ton, der uns verfolgte und stetig lauter zu werden schien.
„Sie gehen den Pass entlang. Vermutlich haben sie uns bereits gewittert." , sagte Legolas, der kurz stehen blieb, damit ich zu ihm aufschließen konnte. Um uns herum herrschte die Finsternis und ich konnte kaum erkennen wohin ich trat. Links und Rechts erhoben sich riesige Felswände, die über uns zu einem Dach zusammenzuwachsen schienen und eine Kuppel bildeten. Wir waren gefangen.
„Was ist, wenn sie uns einholen?" , fragte ich keuchend und mit vor Schrecken geweiteten Augen. An ein paar Orks war ich gewöhnt, nicht jedoch an eine ganze Schar blutrünstiger Monster mit Waffen und Trommeln, die Jagd auf mich machten.
„Sie werden uns nicht einholen." , versuchte Legolas mich zu beruhigen. „Sie sind weiter hinter uns, als es sich anhören mag und sie sind langsam. Wir dürfen nur nicht zu lange verweilen."
Und schon wandte er sich wieder von mir ab und ging weiter, immer gerade soweit von mir entfernt, dass ich sein hellblondes Haar in der Dunkelheit noch erkennen konnte, um ihm zu folgen. So liefen wir einige Zeit nahezu lautlos den Pfad durch die Berge entlang, bis Legolas erneut vor mir Halt machte und ich hinter ihm stehen blieb.
„Was ist los?" , zischte ich angespannt, nachdem Legolas nichts sagte.
„Ich höre nichts." , zischte er nicht minder nervös zurück.
„Ist das schlecht?" , fragte ich verwundert, doch dann fiel es auch mir auf!
Um uns herum war es still. Die Trommeln der Orks und ihre Schritte waren verklungen, kein Vogel zwitscherte, kein Blatt wehte müde im Wind. Die Dunkelheit reckte sich und umkreiste uns, säte Angst. Etwas regte sich lautlos in der Finsternis, ein Schatten, ein Flüstern, ich konnte es spüren. Es wurde kalt.
„Legolas." , flüsterte ich atemlos und griff nach der Hand des Elben.
„Bleib ganz ruhig." , flüsterte er kaum hörbar zurück und drückte meine Hand vorsichtig.
Von der Furcht übermannt und erstarrt, versuchte ich in den Schatten etwas zu erkennen. Etwas war dort und beobachtete uns, ich wusste es, doch weshalb ich mir dessen so sicher war, weiß ich nicht.
Plötzlich vernahm ich ein Zischen im Dunkeln, etwas, oder jemand, sprach eine Sprache, die ich lange nicht gehört und zu hoffen gewagte hatte, sie niemals wieder ertragen zu müssen.
„Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul, ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul."
Ein Schauer ging mir durch Mark und Bein, doch endlich lichtete sich das Dunkel wieder ein wenig und die Welt um uns herum schien einen tiefen Atemzug zu nehmen. Von der Kreatur, die der schwarzen Sprache so mächtig war, gab es keine Spur mehr. Bloß einen Wimpernschlag später setzten auch die Trommeln und Schritte der Orks wieder ein und erinnerten uns an unsere Verfolger.
„Was war das für eine Kreatur?" , fragte sich Legolas selbst.
„Ich weiß es nicht, doch ich habe eine leise Ahnung." , murmelte ich leise, als wir weiter dem Pfad durch die Berge folgten. Weit waren wir diese Nacht gelaufen und gut voran gekommen, dank dem erzwungenen Tempo. Nun verklangen die Trommeln weiter hinter uns langsam. Wir hatten die Orks fürs erste abgehängt.
„Mein Herz vermag es nicht, diese Worte zu übersetzen. Eine abscheuliche Sprache." , schimpfte Legolas leise vor sich hin. Noch immer war höchste Vorsicht geboten, schließlich wussten wir nicht wohin der Nazgûl verschwunden war, denn dessen war ich mir sicher, es war das selbe Zischen wie damals in Minas Tirith und die selbe verdammte Sprache, die in Minas Morgul gesprochen wurde. Und wenn mich nicht alles täuschte, war dieser Schatten gekommen, um Kunde in ganz Mittelerde zu verbreiten.
„Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul, ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul." , flüsterte ich leise vor mich hin und dachte nach.
„Sprich diese Sprache nicht, Mädchen des Westens, es lockt bloß noch mehr von ihnen an." , sagte Legolas aufgebracht.
„Ich versuche es zu übersetzen." , erwiderte ich und die Augen des Elben weiteten sich vor Schreck.
„Nur Diener des Bösen haben die Gabe, diese Worte zu verstehen." , raunte er mich an. Ihm war anzusehen, wie unbehaglich ihm zu mute war.
„Diener des Bösen und all diejenigen, die zu lange in ihrer Nähe lebten und zu neugierig waren." , sagte ich und versuchte mir ein Lächeln abzuringen, während ich zurückdachte an die Zeit, in der ich als Kind heimlich an die Mauern von Minas Morgul geschlichen war und versucht hatte, etwas mehr zu sehen, als das grüne, schaurige Leuchten.
Oft war ich dort gewesen und oft hatte mich mein Vater dort aufgesucht und arg geschimpft, doch meine Neugier war zu groß und es zog mich immer wieder zurück zu der verlorenen Stadt. Ich war fasziniert von der Geschichte und wollte wissen, welche Kreaturen so mächtig waren, dass sie eine solche Festung der Menschen einnehmen konnten und in diese Stätte der Furcht verwandelten. Mehr als einmal hörte ich dieses Zischen und oft verkroch ich mich hinter einem Fels und beobachtete Truppen von Orks, die durch das große Tor marschierten. In der Bibliothek von Gondor gab es einige wenige Bücher, die sich mit dieser Geschichte befassten und noch ein paar weniger, in denen einzelne Fetzen der dunklen Sprache gelehrt wurden.
„Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul, ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul." , sagte ich noch einmal.
„Kannst du bitte aufhören es immer wieder zu wiederholen!?" , herrschte mich der Elb an und drehte sich auf dem Absatz zu mir um.
„Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden." , flüsterte ich leise und sah fest in diese blauen Augen, die mich überrascht anblickten.
„Was sagst du da?" , fragte er ebenso leise.
„Du weißt was das für ein Wesen war, Legolas. Und du weißt auch, was das alles zu bedeuten hat, oder?" , hauchte ich. Für mich war noch immer alles ein großes Rätsel und ich konnte mir nicht erklären, was mit diesem Vers gemeint sein könnte, doch ich wusste, dass es nichts Gutes verheißen konnte.
„Vielleicht habe ich eine Vorahnung." , raunte er leise und sah mich noch immer misstrauisch an. „Woher weißt du, was der Schatten gesagt hat?"
„Ich war ein neugieriges Kind." , antwortete ich und lenkte meinen Blick endlich von ihm ab und besah meine Hände.
„Das kaufe ich dir nicht ab. Die schwarze Sprache ist eine verbotene Abscheulichkeit. Niemand kann und darf sie verstehen. Niemand, außer denen, die es beigebracht bekommen haben." , grob umfasste er mit beiden Händen meine Schultern und zwang mich, ihm wieder in die Augen zu sehen.
„Ich verstehe sie auch nicht. Ich vermag bloß einige der Laute zu übersetzen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob meine Übersetzung richtig ist." , sagte ich wütend und funkelte den Elben an. Er ließ langsam von mir ab.
„Es wäre ein zu großer Zufall ..." , murmelte er vor sich hin und noch immer musterte er mich eingehend.
„Was meinst du? Du weißt doch etwas, was du vor mir geheim hältst, Legolas. Etwas, dass mit alledem hier zu tun hat. Mit den Nazgûl und Minas Morgul."
„Vielleicht, ja. Aber noch ist nicht die Zeit offen über haltlose Vermutungen und Geschichten zu sprechen. Lass uns nun noch ein Stück gehen und bei der nächsten Gelegenheit rasten. Die Orks sind fern und der Tag bricht bald an. Sie werden uns nicht finden."
Den Rest des Weges und auch in unserem kleinen Lager sprach Legolas kein Wort mit mir. Von der Erschöpfung der Nacht überwältigt schlief ich sofort ein, als ich mich hinlegte und erwachte erst, als der Elb mich wachrüttelte.
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Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiert
FanfictionNachdem Minas Tirith von Minas Morgul angegriffen wurde und ihre Eltern starben, flüchtete Elanor mit einigen anderen Überlebenden in den Norden. Dort lebte sie, immer in Gefahr durch das dunkle Königreich Angmar, welches von Orks besetzt war. Sie...