Bei den Zwergen aus Moria brach der Tag bereits früh an und so erwachte auch ich bereits nach nur wenigen Stunden ruhigen Schlafs in dem dunklen, aber behaglichen Raum.
„Guten Morgen." , flüsterte Legolas, der mit ziemlicher Sicherheit die ganze Nacht kein Auge zu getan hatte.
„Guten Morgen." , flüsterte ich noch etwas benebelt vom Schlaf zurück. Noch immer war es ungewohnt den Elb nun wieder regelmäßig, ja scheinbar durchgehend, zu sehen, nachdem wir uns in der Zeit in Bruchtal kaum unter die Augen getreten waren. Über den Kuss auf der Lichtung, zwischen den Elanorblüten, hatte bisher keiner von uns ein Wort verloren und beinahe glaubte ich, es geträumt zu haben, so normal wie sich Legolas mir gegenüber verhielt. Nur manchmal, ganz selten und wenn er meinte unbeobachtet zu sein, bemerkte ich einen seiner flüchtigen Blicke kurzzeitig auf mir ruhen, doch sah ich ebenfalls in seine Richtung wandte er sich ab, so auch an diesem Morgen, obwohl ich mir recht sicher war, dass er mich im Schlaf zuvor beobachtet hatte.
Nachdem mit Balin über alles weiter nach dem Frühstück gesprochen wurde, schickte er uns mit zwei seiner Vertrauten auf den langen, dunklen Weg, durch die Minen Morias, unter den Nebelbergen. Beinahe war ich etwas traurig, nicht mehr von dem Zwergenreich zu sehen zu bekommen, welches die Zwerge Khazad-dûm nannten und so mühsam nach dem Krieg wieder aufgebaut hatten. Auch die Gastfreundschaft Balin's hatte mich überrascht und er ließ es sich nicht nehmen, uns beim Abschied darauf hinzuweisen, dass wir stets willkommen waren.
„Baruk Khazâd! Khazâdai-mênu." , waren seine letzten Worte an uns, als unsere Wege sich an einer steinernen Brücke trennten, die über einen tiefen Abhang verlief und weit in den Berg hineinführte.
Die zwei Zwerge, die uns begleiten und leiten sollten waren Dwalin, der Bruder von Balin, der jedoch sehr viel kampfeslustiger, größer und breiter als sein Bruder war, und Nori,ein Zwerg, ebenfalls mit Balin verwandt, jedoch weder so weise, nochso angsteinflößend wie die zwei Brüder.Und so brauchten wir etwa einen Tag, bis wir an eine weitere Schlucht gelangten, über die eine schlanke Brücke führte.
„Was ist dort unten?" , flüsterte Legolas, der den bisherigen Weg über eher schweigsam und vorsichtig gewesen war, während ich mich mit den Zwergen unterhalten hatte, die ich sehr nett und freundlich fand, auch wenn sie nicht danach aussahen.
„Die Schlucht ist verboten, seitdem die große Schlacht hier tobte. Niemand weiß genau, was dort unten verborgen liegt, doch ist klar, dass es nichts Gutes ist, was dort in der Dunkelheit lauert." , meine Nori, der plötzlich ganz ernst wurde.
„Aber drüber gehen ist nicht verboten." , raunzte Dwalin sofort und verdrehte seine Augen genervt. „Und was auch immer dort lauert, sollte mal Bekanntschaft mit meiner Axt machen." , murrte er weiter und setzte als Erster einen Fuß auf die Brücke. Legolas folgte ihm und auch ich setzte mich in Bewegung, jedoch mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Kurz glaubte ich sogar, eine Art Knurren oder Grollen gehört zu haben, welches von tief unter den Schluchten nach oben zu uns dröhnte, doch ich verscheuchte diesen Gedanken gleich wieder und meinte es mir bloß eingebildet zuhaben ...
Was dort unten wirklich hauste und welches Scheusal die Zwerge in den unglaublichen Untiefen geweckt hatten, sollte ich Jahre später herausfinden, wenn ich Moria wieder betreten würde.
Unser Pfad führte uns weiter und weiter, scheinbar immer tiefer in die Höhlen und Schluchten des Gebirges hinein, doch Dwalin und Nori gingen zielstrebig voran und führten uns bereits am zweiten Tag einen engen Weg entlang, der von hohen Steinmauern umringt war und mit elbischen und zwergischen Buchstaben verziert ward.
„Dies ist ein alter Pfad. Er wurde von Elben und Zwergen gemeinsam angelegt als Zeichen einer alten, längst vergessenen Freundschaft der Elben aus Lothlorien und der Zwerge Morias. Benutzen dürfen wir diesen Weg noch immer und er wird uns direkt ins Schattenbachtal führen, von wo aus ihr euren Weg in die goldenen Wälder ganz einfach finden werdet." , erzählte Nori munter und erntete wieder einen recht mürrischen Blick von Dwalin, der mit einem seiner Messer umher werkelte.
Nur wenige Augenblicke später bogen wir um eine enge Kurve, die uns direkt an ein Tor führte, welches leicht schimmernd verziert im Schein der Fackeln dalag und mystisch wirkte. Wie Mondlicht, welches vorsichtig hinter einer Wolke hindurch funkelte.
„Da wären wir." , knurrte Dwalin und blieb direkt vor dem Tor stehen, welches sich auf seine Berührung hin nach außen öffnete und Tageslicht den Tunnel durchflutete.
„Endlich wieder Tageslicht." , murmelte Legolas erleichtert. Für einen Elben war es ein hartes Stück, so lange unter der Erde und fernab von jeglichem Tages- oder Sternenlicht zu sein. Umso mehr schätze ich es, dass er mit mir diesen Weg gegangen war.
„Gehabt euch wohl, Elb des Düsterwaldes und Mensch des Westens. Wie mein Bruder bereits sagte, seid ihr jederzeit willkommen beim Volke Durins in Moria." , sagte Dwalin zum Abschied und es klang, als meinte er es wirklich ernst. Auch Nori verabschiedete sich von uns und so gingen wir am späten Nachmittag des zweiten Tages endlich wieder im Licht der Sonne und ließen die Minen und das Dunkel hinter uns, in tiefer Dankbarkeit und doch ohne weitere Gedanken zurück schweifen zu lassen.
Das Schattenbachtal, welches zwischen den zwei Flüssen Celebrant und Nimrodel lag, führte zu einer Kreuzung und zur Vereinigung der beiden Flussläufe, die dann, durch Lorien hindurch, zum Anduin floss. Unser Weg führte uns also zunächst zur Nimrodel, die etwas weiter südlich als der Celebrant lag und sanfter floss als dieser.
„Hier fühle ich mich gleich viel lebendiger." , meine Legolas, und besah sich das Wasser, welches das erste Licht der aufleuchtenden Sterne spiegelte. „Diese Zwerge und ihre unterirdischen Behausungen sind einfach nichts für mich." , murrte er weiter und lies sich in das weiche Gras fallen.
Auch ich musste zugeben, dass es an diesem Ort sehr viel freundlicher war als in den Minen. Wir verbrachten die Nacht am Fluss und gingen erst am Vormittag weiter, Richtung Osten.
„Bist du nervös?" , fragte mich Legolas, als die ersten goldnen Baumwipfel, beschienen von der strahlenden Sonne, in Sichtweite kamen und wir uns mit jedem Schritt dem Königreich von Galadriel nährten.
„Vielleicht ein wenig." , gab ich zu, denn ich hatte viele Geschichten von diesem besonderen Reich der Elben gehört. Von ihrer Freundlichkeit und ihrer Anmut, aber auch von ihrem Misstrauen und der Macht.
„Musst du nicht. Verhalte dich einfach so, wie du es immer tust und die Herrin Galadriel und Celeborn werden dich schnell ins Herz schließen." , munterte Legolas mich auf und streifte wie zufällig meine Hand mit seiner.
„Na so sicher wäre ich mir da aber nicht." , sprach plötzlich eine fremde Stimme, die aus den nahen Wäldern zu kommen schien. Wie angewurzelt blieben wir auf der Stelle stehen und blickten zu den ersten goldenen Ausläufern des Elbenwaldes.
„Wer spricht dort?! , wollte Legolas wissen, doch es war bloß ein kurzes Rauschen zu vernehmen.
„Zeigt euch! Wir kommen in Frieden." , sprach Legolas weiter, während ich versuchte, eine Bewegung zwischen den weißen Baumstämmen auszumachen.
„Das weiß ich wohl, mellon. Legolas Grünblatt." , sagte die Stimme, die näher gekommen war und sich anhörte, als stünde die Person, die dort sprach direkt neben uns. Mir lief ein Schaudern über den Rücken, Legolas aber verzog seine Lippen zu einem Lächeln.
„Ich hätte dich gleich erkennen müssen, die vergangene Zeit hat meine Sinne getrübt, Haldir."
Kaum hatte Legolas den Namen seines Freundes ausgesprochen, kam ein großer, ebenfalls blonder, Elb zwischen den Bäumen hervor, direkt auf uns zu. Er trug eine silbrig schimmernde Rüstung und war mit Schwert, Pfeil und Bogen ausgestattet.
„Ich muss dir zustimmen, deine Sinne scheinen getrübt." , scherzte der Elb, als er uns erreicht hatte und vor Legolas zum Stehen kam.
„Lang ist es her mein Freund, was treibt dich in diese Lande?" , fragte der mir Fremde weiter und begrüßte Legolas mit einer kurzen Berührung an der Stirn.
„Viel zu lange, wie mir scheint, mein Freund. Doch ist es leider wieder nicht die reine Freundschaft zu eurem Volke, welche mich hierherkommen ließ, sondern viel mehr ein Auftrag Mithrandir's, der von mir und meiner Gefährtin verlangt, nach Minas Tirith zu reisen." , erzählte Legolas dem Elb.
„Nun, das ist wahrlich interessant. Ich schätze die Herrin wird sich sehr für eure Neuigkeiten interessieren." , dann sah der Elb mich an und mir fiel zum ersten Mal auf, dass er, anders als viele andere Elben, nicht nur unwahrscheinlich gut aussah, sondern sich auch auf eine magische Art und Weise zu bewegen schien, die sogar für Legolas zu elegant schien.
„Und dies, ist deine Gefährtin?" , fragte er und sah mich dabei schmunzelt an, was mich ein wenig aus der Bahn warf.
„Nicht so eine Gefährtin." , flüsterte ich und wiederholte damit bloß die Worte, die Legolas damals zu Gandalf gesagt hatte, als dieser ihn nach mir fragte. Legolas musterte mich einen kurzen Moment, ebenso wie Haldir.
„Nun, mein Name ist Haldir, wollt ihr mir wohl auch den euren nennen, hübsches Fräulein?" , meldete Haldir sich als erster wieder zu Wort.
„Mein Name ist Elanor." , sagte ich ihm und er nahm meine Hand und hauchte einen flüchtigen Kuss darauf. Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht und ich starrte den hübschen Elben verwirrt an.
„Also dann, Legolas Grünblatt und Elanor, seid willkommen im Reiche der Galadhrim und lasst euch von mir in die Stadt Caras Galadhon führen." , verkündete Haldir und ruhte mit seinem Blick noch immer auf mir.
„Nun denn, mein Freund." , murrte Legolas neben mir und wir gingen, geführt von Haldir, durch die golden und silbrig schimmernden Wälder, gesäumt von den Blüten, deren Name ich trug, und weiteren, wunderschönen Gewächsen, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, geschweige denn von ihnen zu träumen gewagt hätte.
Haldir führte uns einen Pfad entlang, den die Elben einst angelegt hatten und der den einzigen Weg in die leuchtende Stadt darstellte, ohne dass man Gefahr lief, sich von dem Wald in die Irre führen zu lassen.
Ich erfuhr von dem Elb, dass er einer der Grenzwächter des Waldes war und er schon auf uns gewartet hätte, da ihm zu Ohren gekommen war, dass einer der Waldelben sich auf den Weg durch Moria gemacht hatte.
„Das konnte bloß mein alter Freund sein." , erzählte er. „Doch ich ahnte ja nicht, dass er solch schöne Begleitung bei sich hat." , sprach er unbekümmert weiter und lächelte mich erneut an. Legolas verdrehte die Augen und ich musste lachen.
So gingen wir noch ein Stück, durch den immer dichter werdenden Wald, der sich, mit jedem Baum zu schmücken schien.
„Wir sind nun gleich am Ziel." , verkündete Haldir und als wir um die nächste Ecke bogen, erblickte ich zum ersten Mal die leuchtende Stadt in den Bäumen Lothloriens.
„Willkommen in Caras Galadhon." , sagte Haldir und blieb kurz stehen, um uns einen Moment den Anblick genießen zu lassen. Oft schon hatte ich von den Bauten in den Bäumen gehört, doch niemals war mir klar gewesen, von welcher Schönheit diese Gebilde waren und welch Licht und Schimmer sie umgab. Fein und zierlich, aber doch mächtig und schwungvoll wirkte jeder Zentimeter der Bauten in den Bäumen und um sie herum. Es waren etwa zwanzig riesige Mallornbäume, die einen Kreis formten und an denen sich zig gewundene Treppen hinauf schlangen und auf mehreren Ebenen die Stadt trugen.
„Es ist wunderschön." , murmelte ich verzaubert.
„Das ist es wohl. Kommt ich bringe euch hinauf." , meinte Haldir und führte uns zur größten Treppe, in der Mitte des Zirkels.
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Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiert
FanfictionNachdem Minas Tirith von Minas Morgul angegriffen wurde und ihre Eltern starben, flüchtete Elanor mit einigen anderen Überlebenden in den Norden. Dort lebte sie, immer in Gefahr durch das dunkle Königreich Angmar, welches von Orks besetzt war. Sie...