Nach einer herrlich ruhigen und entspannten Nacht, in dem wohl bequemsten Bett ganz Mittelerdes, erwachte ich spät am nächsten Vormittag. Etwas wohliges lag in der frischen Luft und Vögel zwitscherten leise zu meinem Fenster herein.
Gerade als ich mich an den Gedanken gewöhnt hatte, in einem Zimmer in Bruchtal zu liegen und endlich einmal ausgeruht zu sein, klopfte es an der hellen Tür aus Holz.
„Fräulein Elanor?" , hörte ich eine weibliche, sanft klingende Stimme fragen.
„Einen Moment." , rief ich und versuchte möglichst schnell aus den Decken zu gelangen, um mir wenigstens den Morgenmantel überzuwerfen, der über dem Stuhl hing, der vor meinem Bett stand. Als ich dies binnen weniger Sekunden tatsächlich geschafft hatte, bat ich herein.
„Entschuldige, ich wollte bloß nachsehen ob alles in Ordnung ist und sehen wen unser Freund Legolas mitgebracht hat." , sprach die wunderschöne Elbin, die nun den Raum betrat. Ihre langen, dunklen Haare fielen ihr leicht gelockt weit über die Schultern und ihre Augen strahlten in einem leuchtendem Blau.
„Ich ähm ..." , brachte ich beschämt hervor und wickelte den weißen Morgenmantel etwas enger um meinen Körper. Die Elbin lächelte und nickte mir zu.
„Mein Name ist Arwen und ich hörte, dass du mein Schwert gefunden hast. Dafür möchte ich dir danken, Elanor. Mach dich rasch fertig und ich zeige dir Imladris, wenn du magst."
Nun begriff ich endlich, weshalb diese Frau zu mir gekommen war.
„Sehr gern, Frau Arwen, gebt mir nur einen kurzen Moment Zeit." , bat ich sie und Arwen nickte und verschwand mit einem eleganten Rauschen durch die Tür. Innerhalb einer halben Stunde schaffte ich es, mich zu waschen und mich, mit einem Kleid aus dem Schrank des Raumes, zu kleiden. Elbisch war es und mein Körper etwas zu plump für den feinen Schnitt, doch es würde schon gehen, dachte ich mir, als ich in einen großen Spiegel blickte.
„Los geht's." , murmelte ich leise und griff nach der Schwertscheide, um sie gleich bei erster Gelegenheit an ihre Besitzerin zu übergeben. Rasch ging ich zur Tür, öffnete sie und fand mich in einem wunderschönen, hell erleuchteten Gang wieder, der zur gegenüberliegenden Seite hin offen war und bloß ein paar hübsch verzierte Säulen das Vordach stützten. Schon am Vorabend hatte ich diesen wunderschönen Ausblick genossen, doch nun, im hellen Tageslicht wirkte der Zauber dieses ruhigen Fleckchens doppelt so stark auf mich.
„Da bist du ja." , hörte ich Arwen's Stimme erklingen und blickte mich um. Die hübsche Frau kam den Gang entlang, auf mich zu.
„Entschuldige, dass es so lange gedauert hat. Ich habe Ewigkeiten nicht mehr in einem Bett geschlafen, geschweige denn so lang." , versuchte ich mich zu erklären, doch Arwen lächelte bloß verständnisvoll.
„Wollen wir gehen? Ich würde sagen, du könntest ein anständiges Frühstück vertragen." , sagte sie und lachte bei meinem erstaunten Blick leise auf.
„Sehr gern." , antwortete ich und folgte Arwen den Gang entlang, eine Treppe hinab und einen weiteren Gang, bis wir in einem recht großen Saal angekommen waren. Es duftete leicht nach gebackenem Brot, Kräutern und etwas, was ich nicht genau definieren konnte. In dem großen Raum standen einige lange Tische und Bänke, auf denen noch vereinzelt Elben saßen und etwas zu sich nahmen. Wir traten ein und schritten auf den nächsten Tisch zu, an dem keiner mehr saß. Die anderen schienen uns nicht weiter zu beachten.
„Das Frühstück wird dir gut tun. Danach machen wir einen Rundgang und du kannst mir alles erzählen." , sagte Arwen setzte sich auf die Bank, an den Tisch. Gerade als auch ich mich setzten wollte, stieß das Schwert Arwens, welches ich mir umgelegt hatte, gegen den Holztisch.
„Das gehört euch." , sagte ich sofort, legte die Waffe ab und in die ausgebreiteten Hände der Elbin. Wieder strahlten ihre Augen freudig.
„Ich danke dir. Dies ist Istil, mein liebstes Schwert und das einzige, welches ich zu Führen beliebe." , sagte sie und schloss ihre schlanken, langen Finger um das Heft des Schwertes, um es aus der Scheide zu ziehen. Sanft schimmerte es im Morgenlicht und spiegelte sich in ihren Augen wieder, während sie es betrachtete.
„Sag mir, wie du es gefunden hast." , bat mich Arwen und ich erzählte ihr die ganze Geschichte von den Trollhöhen und dem Hort, in den Legolas mich geführt hatte. Während ich erzählte, brachten zwei männliche Elben und etwas zu essen und zu trinken, welches ich dankend annahm. Arwen hörte aufmerksam zu und aß ebenfalls etwas. Je länger ich mit ihr sprach, desto freie und unbefangener wurde ich, ja ich fühlte mich richtig wohl bei ihr und mochte ihre offene Art. Sie war ganz anders als die Elben, die ich mir immerzu vorgestellt hatte. Gar nicht arrogant oder eingebildet, sondern wunderschön, liebevoll und freundlich.
Nach einer geschlagenen Stunde, die wir erzählten und auch lachten, wollte Arwen mir ihre Heimat zeigen, angefangen bei ihrem Gemach, um ihr Schwert ablegen zu können.
„Wo ist eigentlich Legolas?" , fragte ich auf dem Weg dorthin plötzlich und blieb stehen. Seit dem gestrigen Abend hatte ich ihn nicht mehr gesehen, ja wusste ich nicht einmal wo er geschlafen hatte, da sie mich zuerst aufs Zimmer geführt hatten.
„Ich denke er wird noch bei meinem Vater sein und mit ihm über Estel sprechen." , sagte Arwen. „Estel? Wer ist denn nun schon wieder Estel?" , fragte ich etwas aufgebrachter, als ich es beabsichtigte.
„Das wirst du sicherlich noch heute erfahren." , antwortete Arwen und half mir damit keineswegs weiter. Stumm folgte ich ihr und fragte mich wer oder was diese oder dieser Estel sein könnte? Den halben Tag lang führte Arwen mich durch ganz Bruchtal und zeigte mir die schönsten und umwerfenden Plätze. Zeitweise vergaß ich sogar Legolas und Estel und bestaunte die Schönheit der elbischen Architektur.
„Nun hast du alles gesehen, was sich zu Zeigen lohnt." , sagte Arwen schließlich, als wir an einem kleinen Brunnen ankam, der versteckt auf einer winzig kleinen Lichtung lag. Dunkel und etwas schummrig war es hier, doch keineswegs furchteinflößend, sondern eher heimelig.
„Ich danke dir, Arwen, für deine Zeit und deine Gesellschaft." , sagte ich ehrlich.
„Es war mir ein Vergnügen, Elanor. Nun kannst du mir noch einmal folgen, ich werde dich zu meinem Vater bringen, er wünscht dich kennenzulernen."
Etwas befangen folgte ich Arwen einen weiteren Weg entlang und eine kurze Treppe hinauf, zum Haus von Elrond. Es war das größte in ganz Imladris und lag eng an den Berg geschmiegt, nahe des Wasserfalls. Eine letzte Stufe stiegen wir empor und noch bevor ich mich auf das Zusammentreffen mit dem Herrn Elrond vorbereiten konnte, trat jemand aus der Doppeltür des Hauses und kam auf uns zu.„Arwen, da seit ihr ja." , sprach er und breitete seine Arme weit aus. Auch er hatte dunkles, langes Haar, jedoch fielen sie ihm glatt über die Schultern und war an manchen Stellen zusammengeflochten.
„Adar." , sprach Arwen und lächelte ihren Vater an. „Ich bringe dir Elanor, Mädchen aus Minas Tirith und Gefährtin unseres Freundes Legolas." Sofort richtete sich der Blick Elronds auf mich und zu meinem Erstaunen lächelte er mich freundlich an.
„Du bist also Elanor, das Mädchen, das Thranduil's Sohn begleitet. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen." , sagte er.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Herr Elrond und ich danke für eure Gastfreundschaft." , erwiderte ich.
„Thranduil's Freunde sind zurzeit auch die meinen. Und so komm nun, Kind der Númenoren und iss mit uns im Feuersaal zu Abend. Legolas und Estel sind ebenfalls dort." , sprach er freudig und ging voran, zurück in sein Haus. Das ich den werten Thranduil nie getroffen hatte und auch nicht sein Freund war, behielt ich erst mal für mich und folgte ihm und Arwen in das Haus hinein, in einen großen, abgedunkelten Saal, in dem bereits reges Treiben herrschte.Der Raum war geschmückt mit allerhand Bannern und Fahnen und auf dem hellen Boden lagen feine Teppiche. In jeder Ecke des Raumes stand ein großer Kamin, in dem gemächlich ein Feuer prasselte und Licht und Wärme spendete. Die Elben, die sich hier versammelt hatten, standen oder saßen in Grüppchen zusammen und lachten und erzählten.
„Bitte bleib, so lange es dir beliebt." , sprach Elrond an mich gewandt und ließ mich mit Arwen zurück. „Komm. Ich bring dich zu Legolas. Er hatte heute morgen bereits nach dir gefragt, aber da hattest du noch geschlafen und wir wollten dich nicht zu früh wecken, nach eurer Reise. Sicherlich ist er dort hinten, mit Estel." , sagte Arwen und führte mich durch den Raum, zwischen den Elben hindurch. Mein Herz schlug plötzlich wieder wie wild vor Aufregung und allein der Name Estel erweckte in mir ein reges Misstrauen. Waren wir nicht gekommen um einen Streicher zu finden? Einen Mann der Dúnedain?
Wir gingen durch die Mitte des Saales und dann sah ich ihn, sein helles, blondes Haar stach mir sofort in die Augen, da die Elben Bruchtals vorrangig sehr dunkles Haar hatten. In einem schimmernden, silbrig glänzenden Gewand stand er an die Wand gelehnt, mit einem Tonbecher in der Hand und lachend. Er unterhielt sich mit jemanden und zu meiner großen Erleichterung war dieser Jemand offensichtlich männlich. Es war ein großer, breitschultriger Mann, mit etwa schulterlangem Haar. Er trug eine bräunlich, grüne Robe und wirkte, anders als die Elben hier, nicht so elegant und doch auf eine unerklärliche Weise anmutig.
Gerade als wir nahe genug kamen, dass die zwei uns hätten hören können, verstummte Legolas und sah mich direkt an. Kurz bildete ich mir ein, ein Strahlen in seinen Augen zu bemerken, doch dann lenkte mich Arwen ab, die auf den Menschen zuging, der neben Legolas stand.
„Hallo." , sagte sie und wirkte auf eine wahrlich merkwürdige Art verändert. Der Mann lächelte Arwen liebevoll an, sagte jedoch nichts.
„Elanor." , holte mich die Stimme Legolas' zurück aus meinen Gedanken.
„Legolas." , erwiderte ich mit einem neckischem Grinsen und trat auf ihn zu.
„Darf ich dir vorstellen. Das ist Streicher. Hier besser bekannt als Estel, die Hoffnung." , stellte Legolas mir den Mann vor, der seine dunklen Augen auf mich richtete.
„Es freut mich, sie gefunden zu haben, Streicher." , sagte ich.
„Es freut auch mich." , sprach der Dúnedain mit einer rauen, tiefen Stimme,
„Nennt mich doch Aragorn, Estel ist der Name der Elben Imladris." , stellte er sich vor und reichte mir seine große Hand, die ich nahm. In diesem Moment war es unendlich praktisch, dass man Steine, die von Herzen fielen, nicht hören oder sehen konnte!
„Freut mich sehr, Aragorn. Mein Name ist Elanor." , stellte auch ich mich vor.
„Ich habe bereits vieles von dir zu hören bekommen." , antwortete er zwinkernd und sah kurz zu Legolas rüber.
„Nur Gutes, hoffe ich." , scherzte ich und erntete ein Nicken.
Den Rest des angebrochenen Abends verbrachten wir zu viert damit, zu essen, zu trinken und eine Menge Dinge von unseren Reise zu erzählen. Wir erfuhren von Arwen, dass sie die Enkelin von Galadriel ist und lange in Lothlorien gelebt hatte, bis sie zurück zu ihrem Vater zog. Legolas erzählte von seiner Reise und seinem Vater, ich erzählte von Minas Tirith und den Nazgûl. Nur Aragorn blieb verschwiegen und begnügte sich damit, uns zuzuhören und hin und wieder einen schwachen Blick auf Arwen zu werfen, die diese erwiderte, wenn er nicht hinsah.
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Elanor - Mädchen des Westens [Mittelerde FF] Aktuell pausiert
FanfictionNachdem Minas Tirith von Minas Morgul angegriffen wurde und ihre Eltern starben, flüchtete Elanor mit einigen anderen Überlebenden in den Norden. Dort lebte sie, immer in Gefahr durch das dunkle Königreich Angmar, welches von Orks besetzt war. Sie...