Teil3

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Als ich abends meine Mails abrief, sprang mir als erstes eine von Frau Kramer entgegen, in der der angekündigte Terminplan war. Ich überflog ihn hastig. Für morgen war nur ein Spaziergang im Englischen Garten vorgesehen. Den Spaziergang, den ich mit Justus so gerne einmal gemacht hätte. Von zwölf bis halb zwei, genau in meiner Mittagspause. Oh je, was sollte ich denn gleich eineinhalb Stunden mit ihm reden? Und warum konnte sie mir denn jetzt nicht auch endlich sagen, von wem ich die Freundin spielen sollte? Ich hatte doch längst unterschrieben, dann konnte ich es doch jetzt auch wissen. Na ja, ich würde es einfach auf mich zukommen lassen, Hauptsache Justus würde davon mitbekommen und sich richtig schön ärgern.

Am nächsten Tag war ich erneut um punkt zwölf Uhr beim Hotel, wo mich wieder ein Mann in Hoteluniform begrüßte und mich ein Zimmer führte, diesmal jedoch in ein anderes als das Gestrige. Ich war ziemlich aufgeregt und ich freute mich schon wahnsinnig auf den Tag, an dem Justus merken würde, dass ich wieder vergeben war. Ob es nun stimmte oder nicht war ja egal, er dachte das ja dann immerhin. Ich strich mein Kleid glatt, was ich extra hierfür ausgesucht hatte, strich mir die Haare noch einmal aus dem Gesicht und klopfte dann vorsichtig an die Tür, um wenig später hereinzutreten. Frau Kramer saß mit einem Mann an einem Tisch, sie lächelte als ich reinkam. „Ach, Frau Miller, pünktlich auf die Minute!" Der Mann, der nervös seine Hände knetete, sah ebenfalls auf und blickte mir in die Augen. Ich stockte und auch seine Augen weiteten sich. Das war der Typ von gestern! Der Typ, in den ich hineingerannt bin. Oder war es umgekehrt? Der Typ, mit den wunderschönen grünen Augen und den Grübchen! Und für den sollte ich die Freundin spielen? Ich dachte, er wäre schon längst verheiratet und hätte zwei wunderschöne Kinder! „Hallo", sagte ich perplex und ging auf die beiden zu. Ich gab Frau Kramer die Hand und reichte sie dann dem Mann mit den grünen Augen, der mich nervös und mit großen Augen ansah. In seinem Gesichtsausdruck lag tiefes Erstaunen und noch etwas, was ich allerdings nicht richtig deuten konnte. Angst? Nervosität? Unwohlsein? „Lina Miller", sagte ich, während ich seine Hand schüttelte. Er lächelte gequält. „Florian." Unsere Hände berührten sich weiter, es war, als ob meine Hand durch einen Magneten an seine geheftet war, doch dann riss ich meine Hand schnell zurück und lächelte Frau Kramer an. „Ja, das ist ihr neuer Partner, Florian David Fitz, Schauspieler. Vielleicht haben Sie den ein oder anderen Film schon mal mit ihm gesehen. Sie haben Ihren Terminplan erhalten, Frau Miller?", fragte sie mich lächelnd und ich nickte. Der Spaziergang im Englischen Garten. „Dann habt ihr ja erstmal genug Zeit, euch näher kennenzulernen.", sagte sie lächelnd. Oh ja, eineinhalb Stunden um genau zu sein. „Falls Sie noch Fragen haben, können Sie auch gerne Florian fragen." Ich nickte wieder. „Sehr schön! Dann verabschiede ich mich. Tschüs!" Ich verabschiedete mich höflich von Frau Kramer und fragte mich, wie oft sie am Tag wohl „sehr schön" sagte. „Sie hätten mir gestern auch ruhig mal sagen können, wer Sie sind.", sagte Florian leise, als Frau Kramer weg war. Ich sah irritiert zu ihm herüber. War er jetzt etwa beleidigt? „Wollen wir nicht zum Du übergehen? Immerhin sind wir jetzt ein Paar.", sagte ich und beobachtete, wie sich seine Züge zu einem gequälten Grinsen verschoben. Ihm war die ganze Situation total unangenehm. „Und im Übrigen hatte ich selber keine Ahnung, dass ich ab heute ausgerechnet Ihre neue Freundin bin." Florian schwieg. „Wollen wir dann nach draußen gehen?", fragte ich schließlich, um das Ganze ein bisschen aufzulockern. Er nickte und stand schweigend auf.

Kaum waren wir im Englischen Garten angekommen, fühlte ich mich total fehl am Platz. Florian lief einfach schweigend vor sich hin und heftete seinen Blick auf die Natur. Dann hatte ich wenigstens kurz Zeit, ihn von Nahem zu beobachten. Ich betrachtete sein Profil. Er war wunderschön. Mir fiel wieder die Narbe auf der Nase auf. Woher kam sie? Ich betrachtete ihn weiter und überlegte, ob ich ihn schon einmal irgendwo gesehen hatte und er kam mir plötzlich tatsächlich bekannt vor, ich wusste nur nicht genau, aus welchem Film, ich hatte keine Ahnung, was er für Filme hatte. Plötzlich drehte er seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. Scheiße! Ich lief rot an und drehte mich schnell weg, doch es war schon zu spät, er hatte bereits gemerkt, dass ich ihn angestarrt hatte. „Du bist heute ja nicht so gesprächig.", murmelte ich verlegen, um auf ein anderes Thema zu kommen. „Was soll ich denn sagen?" Meine Güte, jetzt fing er so an. „Keine Ahnung... Erzähl doch mal etwas von dir." „Da gibt es nicht so viel zu erzählen. Ich bin Schauspieler." Ich lachte. „Ach echt? In was für Filmen hast du denn mitgespielt? Ich habe gerade schon überlegt, woher ich dich kennen könnte." Er überlegte kurz. „Unter anderem war ich in Jesus liebt mich zu sehen, in Da geht noch was, Vincent will Meer, Männer..." Ich unterbrach ihn. „Jesus liebt mich! Den Film hab ich schon mal gesehen! Ich hätte dich so aber gar nicht wieder erkannt, ohne die langen Haare." Er schwieg. Langweiler! „Wie stellst du dir das eigentlich vor?", fragte ich und er sah mich irritiert an. „Was stell ich mir wie vor?" Ich wurde wieder rot. „Na unsere ... Beziehung. Also ... müssen wir uns auch küssen oder so?" Meine Gesichtsfarbe hatte bereits die Farbe einer Tomate angenommen, aber ich fand es trotzdem nötig, darüber Bescheid zu wissen. Ich hätte mich auch mal darüber informieren können, bevor ich den Vertrag unterschrieben hatte. Typisch Lina! Er sah mich immer noch irritiert an. „Hat man dir denn nicht gesagt, was du machen musst und was nicht?" Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht so genau." Er seufzte. „In der Öffentlichkeit Händchen halten, Umarmungen und gegebenenfalls kleine Küsse austauschen. Wie das eben in einer Beziehung so ist." Ah ja, ich musste ihn also küssen. Und Händchen halten. Und wieso liefen wir dann gefühlte zehn Meter nebeneinander. Ich lief näher an ihn ran und griff nach seiner Hand. Er stockte kurz und sah mich verwirrt an. „Du hast doch gesagt Händchen halten.", sagte ich verlegen und wurde abermals rot. Ich wendete meinen Blick wieder nach vorne, merkte jedoch, wie er mich weiter ansah, doch ich sah nicht mehr zu ihm herüber. „Kommst du eigentlich aus München?", fragte er schließlich und ich nickte. „Ja, ich habe hier eine kleine Wohnung." „Und deine Eltern wohnen auch hier? Bist du hier auch aufgewachsen?" Abermals nickte ich. „Ja, meine Eltern wohnen auch in München, genauso wie meine Schwester und meine Freunde." „Und wo arbeitest du?" Diesmal drehte ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen. „Hat man dir denn nicht gesagt, mit wem du es zu tun hast?", äffte ich ihn nach und konnte ein kleines Grinsen auf Florians Lippen erhaschen, allerdings nur ganz kurz, dann sah er mich wieder forschend an. „Nicht so genau.", äffte er diesmal mich nach und ich grinste, „Ich arbeite bei einer Firma als Bürokauffrau im Büro." Florian nickte und starrte dann weiter schweigend geradeaus. „Warum brauchst du eigentlich eine Freundin für die Öffentlichkeit?", fragte ich, um es mal aus seinem Mund zu hören. Florian zuckte mit den Schultern. „Soll angeblich besser für mein Image sein. Ich finde, es ist völliger Quatsch, aber jeder war von der Idee begeistert. Außerdem wurden mir Beziehungen oder Affären mit Frauen unterstellt, die dadurch Probleme bekommen haben. Das sollte beendet werden." Ich nickte und beschloss, nicht weiter nachzufragen, da es ihm anscheinend wirklich unangenehm war. Plötzlich stellten sich uns zwei Mädchen in den Weg, die Florian freudig anstrahlten. Ich schätzte sie auf sechzehn oder siebzehn Jahre. „Hi!", sagten sie und strahlten ihn weiter an. „Hallo!", sagte Florian und grinste die beiden schelmisch an. Wow, er konnte ja lachen! „Wir haben dich hier laufen gesehen und wollten fragen, ob wir vielleicht ein Foto und ein Autogramm bekommen könnten.", sagte die eine und die andere nickte freudig. „Na klar! Habt ihr einen Zettel und einen Stift oder sowas?" Sie nickten und das eine Mädchen holte einen Stift und einen Notizblock hervor. Anscheinend kamen sie gerade von der Schule. „Und wie heißt ihr?", fragte Florian. „Ich bin Kim!" „Und ich bin Lina!" Florian stockte kurz, unterschrieb dann aber für jeden auf einem Zettel. „Kannst du bitte ein Foto von uns machen?", fragte das eine Mädchen, Lina, und streckte mir ihr Handy entgegen. Ich nickte nur und machte ein paar Fotos von ihnen. Florian mit Lina, Florian mit Kim, Florian mit Lina und Kim, Florian alleine. Als ich Lina ihr Handy wieder gab strahlte sie und sie und Kim beugten sich sofort über den Bildschirm. „Danke!", sagten sie und musterten plötzlich mich. Oh Gott! „Ist sie deine Freundin?", fragte das eine Mädchen, Lina, ihn und Florian stockte wieder. Ich überlegte kurz, ob ich ihm die Antwort abnehmen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Das musste er schon selber sagen. „Ja.", sagte er nur und lächelte die beiden an. Lina und Kim musterten mich kurz erstaunt, verabschiedeten sich dann aber von ihm. Florian seufzte und lief weiter. „Magst du es nicht, wenn dich Fans auf der Straße ansprechen?", fragte ich ihn und er schüttelte den Kopf. „Doch, was sollte ich dagegen haben?" „Du verstellst dich doch total, wenn Fans in der Nähe sind! Gestern, als wir uns im Hotel das erste Mal gesehen haben, warst du auch so freundlich." „Ach, und jetzt bin ich es nicht?", wieder konnte ich für einen kurzen Moment ein kleines Grinsen auf seinen Zügen erhaschen. „Doch, aber du bist total schweigsam.", antwortete ich. Florian zuckte nur mit den Schultern und lief weiter. Komischer Kerl.


Mein Freund der SchauspielerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt