Wieder bei der Arbeit zerbrach ich mir den Kopf darüber, warum sie ausgerechnet mich für so geeignet hielt. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Anscheinend war ich ja besser dafür geeignet, als die anderen Frauen. Aber warum? Ich hatte nichts Besonderes an mir. Ich hatte langweilige lange hellblonde Haare, die ein bisschen gewellt waren, war normal schlank und normal groß, trug keine Brille, hatte normale Zähne, mir fiel einfach nichts ein, was mich anders sein lassen könnte. Und wenn es schon andere Bewerberinnen gab, war die Chance dann nicht sehr groß, dass sie damit an die Presse gehen würden, wenn sie den „Job" nicht bekamen? Oder waren sie möglicherweise gar nicht eingeweiht? Aber mich hatte Frau Kramer ja auch gleich eingeweiht Und von wem sollte ich überhaupt die Freundin spielen? Nachher war das irgendein ekeliger Kerl oder noch schlimmer einer, der dreißig Jahre älter war als ich! Nein, das war mir zu riskant, was dachte ich überhaupt darüber nach! Aber vielleicht war der Kerl ja auch ganz nett. Sollte ich das Angebot annehmen? Ich würde mir auf jeden Fall ein bisschen was dazuverdienen, und das konnte ja nie schaden. Gerade jetzt, wo ich wieder auf mich allein gestellt war. Ich verdiente bei meinem Job im Büro zwar nicht schlecht, aber trotzdem. Ich würde dann bestimmt mit ihm zu irgendwelchen Veranstaltungen gehen müssen, aber wollte ich das? Ich hatte kein Problem damit, in der Öffentlichkeit zu stehen, aber hatte ich auch Lust dazu? Und wenn dieser Kerl in der Öffentlichkeit stand, wie Frau Kramer gesagt hatte, verdiente bestimmt auch nicht schlecht, und hatte ebenfalls ein Leben im Luxus. Und dem war ich ja gerade erst entsprungen. Aber wenn Frau Kramer anscheinend bei meinem Gespräch gelauscht hatte, dann musste sie doch mitbekommen haben, dass ich auf ein Luxusleben keine Lust hatte, immerhin hatte ich es Justus deutlich genug zu verstehen gegeben. Ich verstand das alles nicht. Warum brauchte dieser Kerl sowieso unbedingt eine Freundin in der Öffentlichkeit? Konnte es ihm denn nicht egal sein, was andere Menschen von ihm dachten? Und wie lange sollte diese sogenannte „Beziehung" dann gehen? Danach würde doch alles wieder von vorne anfangen. Ich seufzte. Ich sollte das am besten gleich ganz lassen. Obwohl, dann würde Justus endlich verstehen, dass ich auch ohne ihn bestens klar kam. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, griff ich zu meinem Handy. „Hallo?", meldete sich Frau Kramer am anderen Ende der Leitung. „Guten Tag Frau Kramer. Hier ist Lina. Lina Miller." „Ach, guten Tag Frau Miller! Haben Sie es sich noch einmal überlegt?" „Ich ähm... würde es machen. Allerdings hätte ich vorher noch ein paar Fragen." „Selbstverständlich Frau Miller! Hätte Sie morgen um zwölf Uhr Zeit?" Ich sah schnell in meinen Terminkalender. „Ja, das ginge." „Sehr schön, sehr schön! Sie sind wirklich die ideale Besetzung Frau Miller, das habe ich Ihnen gleich angesehen. Könnten Sie dann morgen um zwölf ins Hotel Bavaria kommen?" Hotel Bavaria? Ich hatte keine Ahnung, wo genau das in München war, doch das war wohl momentan mein kleinstes Problem. „Okay... Dann bis morgen!" „Bis morgen Frau Miller!" Ich legte auf und starrte mein Handy an. Was hatte ich nur getan? Na ja egal, nur weil ich zu diesem Treffen zugestimmt habe, hieß das ja noch lange nicht, dass ich das auch wirklich machen musste.
Als ich am nächsten Tag um punkt zwölf Uhr das Hotel betrat, war ich schrecklich aufgeregt. Was war das nur für ein Kerl, für den ich die Freundin spielen sollte? Und inwiefern stand er in der Öffentlichkeit? Wie doll stand er in der Öffentlichkeit? War er Sänger? Schauspieler? Moderater? Fußballspieler? Ich seufzte und überlegte, wieder umzudrehen, doch dann straffte ich meine Schultern und beschloss, das jetzt durchzuziehen! Ich hatte heute Nacht noch lange darüber nachgedacht und fand die Idee, Justus zu zeigen, wie gut ich ohne ihn klar kam, immer besser. Außerdem lernte ich vielleicht sogar andere berühmte Leute kennen, was ja auch eigentlich ziemlich cool war. Na ja okay, vielleicht war mein „zukünftiger Freund" auch gar nicht so berühmt. „Lina Miller?", riss mich plötzlich ein Mann in Hoteluniform aus meinen Gedanken. Ich sah ihn verwirrt an und nickte. Er lächelte. „Folgen Sie mir doch bitte, Frau Kramer erwartet Sie bereits." Perplex und lange nicht mehr so entschlossen wie noch vor ein paar Sekunden, folgte ich ihm. Er führte mich durch einen Gang zu einem kleinen Zimmer mit einer Sofaecke, auf der bereits Frau Kramer saß, die in ihren Unterlagen blätterte. Als sie mich bemerkte sprang sie auf und lächelte mich freundlich an. „Frau Miller, wie schön, dass Sie es einrichten konnten!" Ich nickte nur und nahm ihre Hand entgegen, die sie mir entgegenstreckte. Frau Kramer deutete auf einen Stuhl. „Setzen Sie sich doch, dann können wir in Ruhe alles besprechen." Ich setzte mich gehorsam auf den Stuhl. „Also, was kann ich Ihnen denn für Fragen beantworten?" Verlegen sah ich auf den Boden. Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte, ohne dabei irgendwie komisch rüber zu kommen. „Ähm...also ich versteh nicht richtig, warum Sie mich für so geeignet halten... Sie haben doch sicher noch andere Bewerberinnen, die das hier liebend gerne machen würden. Und könnten die dann nicht damit an die Presse gehen, wenn sie das hier nicht machen dürfen?" Ich sah wieder beschämt auf den Boden. Aus irgendeinem Grund war mir das alles unendlich peinlich. Doch Frau Kramer lächelte nur. „Sie brauchen sich keine Sorgen machen, die anderen Frauen wissen nichts Genaues. Wir haben ein paar Frauen, die uns geeignet vorkamen, in der Stadt angesprochen und sie gefragt, ob sie sich ein bisschen Geld dazuverdienen möchten. Dann haben wir die Frauen interviewt und die, die dafür in Frage kommen würden, auf eine extra Liste gesetzt. Aber wir haben noch keiner von ihnen gesagt, worum es genau geht." „Und warum haben Sie mich sofort eingeladen? Sie können doch auch gar nicht wissen, ob ich so geeignet bin, Sie haben mich doch gar nicht interviewt." Frau Kramer schmunzelt. „Schon allein von Ihrem Telefonat konnte man viel von Ihrer Persönlichkeit raushören und ich bin mir nach wie vor sicher, dass Sie die Richtige dafür sind." „Warum haben Sie bei meinem Telefonat überhaupt zugehört?", fragte ich und prompt wurde sie rot. „Nun ja, das tut mir wirklich außerordentlich leid, ich weiß natürlich, dass man so etwas nicht tut. Aber irgendwie sind Ihre Worte von ganz allein zu mir geflogen und haben mich beeindruckt." Ich zog eine Augenbraue hoch. Das war nicht ihr Ernst. Ich seufzte. „Und was hat Sie so beeindruckt, wenn ich fragen darf?" Ihre Gesichtsfarbe glich wieder ihrer normalen Hautfarbe und sie lächelte wieder. „Ihr Auftreten hat mich beeindruckt. Sie wirkten sehr selbstbewusst auf mich und außerdem hatte ich den Anschein, dass sie nicht so oberflächlich und geldbesessen, wie die anderen hübschen Frauen, sind." Ich wurde rot. „Äh, okay?" Frau Kramer lächelte weiter munter vor sich hin. „Haben Sie noch weitere Fragen?" Ich war vollkommen durcheinander, weshalb ich einfach mit dem Kopf schüttelte. „Und? Werden Sie es machen?", fragte Frau Kramer erwartungsvoll. Justus stieg mir wieder in den Kopf, mit seinem albernen Ego. „Okay. Aber für wen soll ich denn jetzt die Freundin spielen? Was ist, wenn ich es mir kurzfristig anders überlege?", fragte ich und Frau Kramer schmunzelte wieder. „Ich kann Ihre Sorge, an einen Mann zu kommen, der Ihnen überhaupt nicht zusagt, verstehen Frau Miller. Doch ich kann Sie beruhigen, dass er keine schlechte Partie ist." Ich wurde rot, sie hatte genau meine Gedanken gelesen. „Okay.", murmelte ich nur und sagte damit zu, dass ich die Freundin von irgendeinem Typen spielen würde. Auf was ließ ich mich da nur ein? Oder eher: Auf wen ließ ich mich da nur ein? Frau Kramer strahlte. „Super! Jetzt müssten Sie noch nur dieses Formular hier ausfüllen, damit wir das endgültig besiegeln können." Sie lachte und ich nahm stirnrunzelnd das Formular entgegen. Darauf war nach meinem Namen, meiner Adresse, meiner Konfession, meinem Beruf, meinen Arbeitszeiten, meinen Hobbys und Fähigkeiten und vielem mehr gefragt. „Wieso müssen Sie das alles wissen?", fragte ich. „Damit wir mehr über Sie erfahren.", sagte sie lächelnd. Aha, und das konnte sie mich nicht auch fragen? Ich verzichtete darauf, noch näher nachzufragen und füllte das Formular aus. Plötzlich fiel mir etwas ein. „Sie haben von Regeln gesprochen, was für Regeln wären das?" Frau Kramer machte eine abwägende Handbewegung. „Ach, keine großen Regeln. Die Hauptregel ist, dass Sie schlicht und einfach niemandem etwas davon erzählen dürfen. Auch nicht Ihrer Familie und Ihren Freunden, das wäre einfach zu unsicher. Die nächste Regel ist, dass Sie die Beziehung für mindestens ein halbes Jahr aufrechterhalten müssen, danach reden wir weiter. Dann müssten Sie ihn auf Veranstaltungen begleiten und sich auch so mal mit ihm sehen lassen, aber das ist denke ich mal selbstverständlich. Ja, das waren so die grundlegendsten Sachen, alles andere steht auch noch auf dem Vertrag drauf, den Sie noch unterschreiben müssen." Aha, ein Vertrag also. Mein Kopf sagte mir, dass ich mich da viel zu früh auf irgendetwas einließ und das lieber noch einmal überdenken sollte, doch ich ignorierte das. „Und ab wann sind wir zusammen?", fragte ich. Frau Kramer blättert in ihrem Terminkalender. „Eigentlich sobald Sie den Vertrag unterschrieben haben. Am Samstagnachmittag ist eine kleine Veranstaltung, wo Ihr neuer Partner hingehen wird, Sie werden Ihn begleiten. Die Presse wird nachfragen und er wird verkünden, dass Sie seine neue Freundin sind." „Oh. Und ... wann lerne ich ihn kennen?" „Morgen, wenn es Ihnen passt. Selbe Uhrzeit, selber Treffpunkt?" „Okay.", sagte ich etwas perplex. Morgen schon? So schnell? Frau Kramer lächelte wieder. „Sie bekommen heute Abend einen Terminplan von mir zugemailt, in dem alle Treffen und Veranstaltungen draufstehen." „Ein Terminplan? Es ist per Terminkalender festgelegt, wann ich mich mit diesem Mann treffe?", harkte ich nach. Frau Kramer nickte. „Damit es zu keinen Streitigkeiten kommt. So ist alles genauestens geplant." Aha? Na das konnte ja was werden. Frau Kramer kramte in ihren Unterlagen und fischte schließlich ein Blatt Papier heraus. „Wenn Sie dann einmal hier unterschreiben würden." „Wenn ich dort unterschreibe, ist das endgültig?", fragte ich und sie nickte. Ich seufzte, überflog jedoch den Vertrag und setzte schließlich unten meine Unterschrift hin, mit dem Gedanken, Justus so richtig schön eins auszuwischen. Frau Kramer erhob sich lächelnd, steckte den Vertrag zurück in ihre Mappe und reichte mir wieder ihre Hand. „Ich freue mich sehr, dass wir endlich eine Besetzung gefunden haben! Wir sehen uns dann morgen Frau Miller?" Ich nickte. „Ja." „Sehr schön, dann muss ich mich jetzt verabschieden. Bis morgen!" Ich stand ebenfalls auf und folgte Frau Kramer aus dem Raum, die aber in die entgegengesetzte Richtung vom Ausgang lief. Ich lief den schmalen Gang herunter, als ich plötzlich an der Ecke mit einem Mann zusammenstieß. Ich stolperte vor Schreck rückwärts, fiel aber nicht hin. „Oh scheiße, entschuldigen Sie mich! Ich hatte es etwas eilig.", sagte er und lächelte mich an, jedoch sah sein Lächeln aufgesetzt und erzwungen aus. Ich sah ihn mir genauer an. Er hatte dunkelbraune, etwas verwuschelte Haare. Außerdem hatte er Grübchen, wenn er nur lächelte, was er in diesem Moment tat. Auf seiner Nase war eine große Narbe, die aber in irgendeiner Weise gut zu ihm passte. Ich sah in seine grünen Augen, die mich etwas gehetzt ansahen, jedoch konnte ich mich nicht von ihnen losreißen. Er sah gut aus, er sah sogar sehr gut aus! Ich spürte, wie ich rot wurde. „Ach, kein Problem, ich hab ja auch nicht nach vorne geguckt.", murmelte ich verlegen. „Wohnen Sie hier?", fragte er lächelnd, und diesmal nahm ich ihm sein Lächeln sogar ab. Ich „Nein, ich hatte hier nur eine Besprechung. Und Sie? Wohnen Sie hier?", fragte ich, als ob wir uns nicht erst seit einer Minute kannten. „Nein, aber meinen Eltern gehört das Hotel. Beziehungsweise meiner Schwester.", sagte er und ich nickte lächelnd. Er schwieg und lächelte ebenfalls, während er mir in die Augen sah. Seine grünen Augen sahen in Kombination mit diesen dunklen, verwuschelten Haaren einfach nur zum Anbeißen aus, und diese Grübchen verschönerten das Ganze noch! Ob er wohl schon Kinder hatte? Bestimmt suchte sich so einer wie er auch eine wunderschöne Frau aus, mit der er wunderschöne Kinder hatte. Meine Güte Lina! Was dachte ich da bloß? Es machte mich ganz nervös, dass er nichts sagte, ich kam mir unendlich dumm vor, wie ich da stand und ihn anstarrte, aber ich konnte meinen Blick einfach nicht von seinen grünen Augen loseisen. Doch plötzlich räusperte er sich. „Ich muss dann auch mal..." Ich riss mich von seinen Augen los und sah auf den Boden. „Ja, ich auch." Ich musste mir vorstellen, wie lächerlich die Situation doch gerade war. Lina Miller, frisch getrennt von ihrem Freund, steht in einem Hotel, in dem sie gerade einer bezahlten Partnerschaft mit einem Mann zugestimmt hat, und schmachtet einen fremden Typen an, der sie versehentlich angerempelt hat. Oder war es umgekehrt? Ich konnte mir ein kurzes Grinsen über meine eigenen lächerlichen Gedanken nicht verkneifen und sah ihm wieder in die Augen. Er lächelte mich mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck an. Er fragte sich bestimmt, warum ich hier so dämlich vor mich her grinste, doch das würde er wohl nie erfahren. „Ja.", sagte er nur und lächelte noch einmal, anscheinend wusste er nicht wirklich, wie er sich jetzt von mir verabschieden sollte. „Tschüs!", sagte ich und grinste noch einmal, um ihn richtig zu verwirren, bevor ich mich schwungvoll umdrehte und zurück ins Foyer lief. Die Begegnung mit diesem Mann war ziemlich merkwürdig gewesen, doch die Tatsache, dass ich ihn nie wieder sehen werde, machte das Ganze nach einer Weile dann doch ziemlich uninteressant. Ich und meine komischen Gedanken.
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Mein Freund der Schauspieler
FanfictionLina hat einen neuen Job. Sie soll die Freundin von Florian David Fitz, einem deutschen Schauspieler, spielen. Doch was passiert, wenn Lina und Florian anfangen, sich besser kennen zu lernen?