Kapitel 1

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Ich ließ meinen Pfeil von der Sehne, doch er verfehlte sein Ziel um einen halben Meter. Schnell legte ich einen Neuen ein und suchte erneut mein Ziel welches mir gefährlich nahe gekommen war, doch bevor er mich mit dem Schwert erreichen konnte steckte der Pfeil in seiner Brust. Beziehungsweise klebte. Haftete. Je nachdem wie man das Material nannte und welche entsprechende Eigenschaft es aufzuweisen hatte. Es blieb auf alle Fälle hängen, damit man deutlich sehen konnte, dass man getroffen wurde.

„Und wieder bist du tot", verkündete Finnick und blickte Damir schmunzelnd an.

„Dumme Fernwaffen", schimpfte dieser und löste den Pfeil von seinem Oberkörper. "Ich hab keine Lust mehr. Lieber noch ein Zweikampf."

„Katniss Everdeen wird aber einen Bogen haben und sie ist eine viel bessere Schützin als ich", erinnerte ich ihn und nahm ihm den Pfeil ab.

Seit der Verkündung des Jubeljubiläums trainierten wir. Wir waren Damir, Finnick und ich sowie noch zwei weitere ehemalige Sieger aus Distrikt 4. Zwar war ich keiner, doch ich beherrschte den Bogen von uns am besten und konnte ihnen deshalb einen guten Vergleich zu Katniss liefern. Fand Finnick. Mir jedoch war es nur recht, da ich so etwas tun konnte.

„Vielleicht sollten wir aufhören. Morgen hat er lauter blaue Flecken und am Ende drückt er sich wenn jetzt noch ein Muskelkater hinzukommt", mischte sich Finnick ein was mich schmunzeln ließ, da Damir laut schnaubte.

„Du bist so arrogant manchmal. Los, lass dich doch mal von ihr abschießen."

„Ich habe einen Dreizack. Den würde ich werfen ehe sie auch nur einen Pfeil aus dem Köcher ziehen könnte. Da sie dann jedoch tot wäre, lasse ich das lieber", erwiderte er.

„Damir hat Recht Finnick. Deine Geschicklichkeit werden wir damit auf alle Fälle trainieren. Wir haben nicht mehr lange Zeit. Nur noch 5 Tage. Morgen bist du dann dran, für heute machen wir Schluss", beschloss ich und da sie wussten, dass ich keine Einwände dulden würde, sagten sie auch nichts. Aus diesem Grund räumte ich als nächstes meinen Bogen auf und ging anschließend in die Umkleidekabine.

Dort angekommen war ich vollkommen allein, was in den letzten Wochen jedoch beinahe zur Gewohnheit geworden war. Seit der Verkündung kamen die Kinder und Jugendlichen seltener zum Training, was vermutlich daran lag, dass sie noch über ein Jahr Zeit hatten bis sie wieder als Tribut ausgelost werden konnten. Dieses Mal waren ja erneut die Sieger an der Reihe.

Ich stellte mich unter den warmen Wasserstrahl und verbat mir weiter darüber nachzudenken. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das angenehme Prasseln auf meiner Haut und schnell war der Gedanke daran, dass es Finnick, Damir oder Annie erwischen konnte wieder verschwunden. Langsam hatte ich Übung darin.

Als ich fertig war trocknete ich mich ab und schlüpfte dann in meine Klamotten, ehe ich alles andere in meine Sporttasche stopfte und dann nach draußen trat. Dort wartete bereits Damir auf mich.

„Erster", rief er grinsend und ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. Ich fragte mich immer noch wieso es unsere kleinen Machtkämpfe von damals waren, an die er sich als erstes erinnert hatte. Es war seine erste und bisher einzige Erinnerung und er klammerte sich mit Freude daran. Ich hatte keine Ahnung was für ein Gefühl es sein musste wenn man sein Gedächtnis verloren und nun ein kleines Stück davon wieder bekommen hatte. Allen Anschein nach musste es ein tolles Gefühl sein.

„Ich habe dich mit Absicht gewinnen lassen. Nach deiner Niederlage beim Training wollte ich nicht, dass du dir auch noch diese Blöße geben musst", behauptete ich grinsend während er zu lachen begann.

„Wie gnädig Fräulein Green."

„So bin ich", murmelte ich, als die Tür der Jungenumkleide aufging und Finnick zu uns stieß.

„Ernsthaft Odair. Wenn ein Mädchen beim Duschen schneller ist als du sollte dir das eigentlich zu denken geben."

„Ach Klappe Johnson. Oder ich hol nochmal ein paar Pfeile", konterte Finnick und grinste, während Damirs Gesicht sich ein wenig verfinsterte.

„Seid beide leise, damit wir gehen können", mischte ich mich ein und schulterte meine Tasche.

„Ich muss los, hab Sarah versprochen vorbeizuschauen. Ich kann zwar bis heute nicht glauben, dass ich wirklich mal mit ihr befreundet war, aber wenn ihr das sagt... Naja, bis morgen dann!"

Er winkte uns noch einmal zu, danach sprintete er auch schon los. Laufen war in Distrikt 4 keine schlechte Sache. Man kam schneller an sein Ziel und die Gefahr zufällig in kleine Straßenkämpfe zwischen Friedenswächtern und Rebellen zu kommen war somit geringer. Ebenfalls etwas, das täglich passierte.

„Ich bring dich noch nach Hause. Auf den Straßen ist es zu gefährlich", verkündete Finnick so wie an jedem Tag und ich nickte. Ebenfalls wie jeden Tag.

Seit der Verkündung schlief ich kaum noch bei Finnick, da er die letzten Wochen und Monate viel Zeit mit Annie verbrachte. Verständlich, immerhin konnte einer von beiden und im schlimmsten Fall konnten sogar beide zurück in die Arena müssen. Ich hatte ihn während des Trainings und an manchen Nachmittagen am Strand, wenn wir an unserem Lieblingsplatz saßen und die Wellen dabei beobachteten wie sie brachen. Mehr durfte und konnte ich nicht verlangen.

Damir sah ich auch oft, doch ich hatte mich bewusst dafür entschieden, alle Gefühle für ihn hinten anzustellen. Das war jetzt nicht wichtig. Die Spiele waren alles, auf das ich mich im Moment konzentrieren konnte. So war es auch bei Sam.

Seit dem Tag wo er mich geküsst hatte, haben wir nicht mehr darüber gesprochen. Wie trafen uns weiterhin, doch manchmal lagen Wochen dazwischen. Die Arbeitszeiten für Friedenswächter waren in den letzten Monaten unglaublich in die Höhe gestiegen.

„Soll ich noch ein wenig bleiben?", fragte Finnick, nachdem wir mein Haus erreicht hatten und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich verfluchte mich selbst, dass ich wieder zu lange dort gehangen hatte.

„Nein schon okay. Grüß Annie von mir", erwiderte ich und er nickte, ehe er mich flüchtig umarmte und dann ebenfalls loslief.

Ich blickte ihm noch hinterher, wie jeden Tag, danach ging ich hinein. Hinein in die selbstgewählte Einsamkeit.


Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt