Kapitel 29

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Das alles hier war ein Albtraum. Ein Albtraum den ich schon so viele Male durchleben musste. Er war immer anders doch sie alle hatten eine Gemeinsamkeit: Ich war in den Hungerspielen und ich musste kämpfen. Und ich starb jedes Mal.

Die roten Augen schienen plötzlich überall zu sein und ich konnte nicht verhindern dass ich leicht zu zittern begann. Das hier war kein Albtraum, auch wenn er sich wie einer anfühlte. Das hier war die Realität und auch wenn ich nicht in der Arena war stand ich doch Mutationen gegenüber die mich töten wollten. Ich hatte zwar meinen Bogen doch von Sekunde zu Sekunde fühlte ich mich unfähiger. In der Akademie war ich nie eine von den besten gewesen. Ich konnte nichts richtig gut und war einfach kein Mensch der für das Kämpfen, Jagen oder sogar Töten geboren worden war. Wahrscheinlich sollte mir genau das jetzt zum Verhängnis werden.

„Kila, links!", schrie Tiro und eine Mutation stürzte auf uns zu. Bevor sie mit ihren Zähnen jedoch auch nur in die Nähe von uns kommen konnte wurde sie mit dem Schwert halb geköpft. Kein schöner Anblick und trotzdem war ich begeistert darüber.

Das hier war in meinen Albträumen nie vorkommen. Dort war ich immer auf mich allein gestellt gewesen, da mich die Karrieros nie aufgenommen hatten. Das hier waren jedoch keine Karrieros und wir mussten uns auch nicht gegenseitig töten. Wir waren verbündete und versuchten gemeinsam zu überleben.

„Elina, vor dir!", brüllte Tiro nun in meine Richtung und aus einem Reflex heraus schoss ich den Pfeil einfach ab. Ich traf und war dem Jungen für seine guten Augen in der Dunkelheit dankbar. Vor allem da es jedes Mal so ablief und wir alle niederstrecken konnten. Bis plötzlich zwei beschlossen ein spontanes Rudel zu bilden und sich gemeinsam auf uns stürzten.

Jemand schrie, doch ich kannte diese Menschen hier zu wenig um sicher sagen zu können, wer es war. Ich konnte die Auswahl nur eingrenzen, da es eine weibliche Stimme war. Zu dieser gesellte sich meine eigene ebenfalls in Form eines Schreies hinzu, als mich eine Klaue am Oberschenkel traf und ich zu Boden knallte. Ich robbte ein Stück nach hinten und schlug mit meinem Bogen um mich, bis das Vieh von mir abließ und sich auf jemand anderen konzentrierte. Das reichte mir um einen Pfeil einlegen zu können um ihn auf eine Mutation abzufeuern. Ich traf, machte sie dadurch jedoch nur wütend und wieder auf mich aufmerksam, doch Tiro rammte dem Ding sein Messer in den Hals und das gab ihm den Rest. Zwar dauerte sein Todeskampf gegen das Ersticken am eigenen Blut noch einige Sekunden lang an, doch dann verstummte der Wald um uns herum. Das bedeutete, auch die andere Mutation war tot.

„Ist jemand verletzt?", schrie Lucan und als ich meinen Kopf drehte konnte ich ihnen mit einem blutigen Stock in der Hand neben mir stehen sehen.

„Ich glaub Elina.", sagte Tiro und kniete sich neben mich, doch ich schob seine Hand zur Seite, die sich nach mir ausstreckte.

„Es geht mir gut. Nur ein kleiner Kratzer.", behauptete ich und suchte dann nach den anderen. Kila stand und war unversehrt. Genau wie Tiro und Lucan. Elise war ebenfalls nicht verletzt, auch wenn mir ihr Zustand trotzdem Sorgen bereitete. Sie kauerte am Boden und hielt sich die Ohren zu, während sie immer wieder vor und zurück schaukelte. Sie sagte nichts und sie weinte auch nicht. Stattdessen blickte sie mit großen Augen nur ins Leere.

„Ich kümmere mich.", sagte Lucan und ging dann zu ihr und auch Kila folgte ihm mit etwas Abstand, während Tiro nicht aufgab und erneut nach meiner Verletzung sehen wollte.

„Es geht mir gut.", wiederholte ich leicht genervt und schob erneut seine Hände weg. Ich wollte nicht, dass er mich einfach anfasste. Und ich wollte nicht dass er die Wunde sah und sie vielleicht als schlimmer einschätzte als sie war.

„Glauben sie dir vielleicht, aber ich habe gesehen wie dich das Vieh erwischt hat. Wir müssen die Wunde säubern, sonst entzündet es sich am Ende noch. Und wir beide wissen, was das hier in der Wildnis bedeutet.", gab er nicht leise, auch wenn er mir zuliebe leise sprach. Leider hatte er wirklich Recht und deshalb nickte ich. Daraufhin zog er ein Messer, schnitt meine Hose ein wenig weiter an der bereits aufgerissenen Stelle auf und säuberte dann den Schnitt. Er war tief und tat höllisch weh, doch trotzdem verzog ich keine Miene. Dabei war ich schon ein wenig stolz auf mich da ich eigentlich nicht unbedingt der stärkste Mensch war der viel aushielt.

„So, ich hoffe das genügt. Wenn nicht halten wir einfach im nächsten Distrikt.", meinte Tiro und lächelte mich an. Ich konnte nicht anders als es zu erwidern, ehe ich mich bei ihm bedankte. Er war ganz okay eigentlich. Und seine Adleraugen würden uns sicher noch öfter von Nutzen sein.

„Wir sollten weitergehen. Hier sind wir nicht sicher. Nicht wenn diese Viecher zurückkommen.", meldete sich Kila nach ein paar Minuten zu Wort und Tiro und ich nickten. Anschließend wollte ich aufstehen doch ich brauchte tatsächlich seine Hilfe dazu. Weit würde ich so nicht laufen können. Nicht wenn der Schmerz noch so frisch in meinem Bein pochte.

„Wir brauchen dringend ein Nachtlager.", sagte ich deshalb, blickte dabei aber Elise an, als würde ich es ihretwegen sagen. Ich wollte einfach nicht als Behinderung gesehen und am Ende zurückgelassen werden wie ein verletztes Tier. Aus diesem Grund war es besser wenn sie gar nicht erst auf die Idee kamen, dass ich eine sein könnte.

„Ja, das ist wohl das Beste.", stimmte mir Lucan zu und half Elise nach oben. Danach machten wir uns auf den Weg, wobei ich bei jedem Schritt scharf die Luft einsog. Superkräfte waren manchmal wirklich nützlich doch da ich leider keine besaß musste ich durchhalten bis wir einen geeigneten Platz gefunden hatten.

Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt