Kapitel 24

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Ich hatte ein eigenartiges Klingeln in meinen Ohren, als ich meine Augen aufschlug und versuchte mich zu orientieren. Wir wurden in ein Siegerhaus gebracht. Bomben stürzten auf den Distrikt hinab. Eine direkt neben uns.

Stöhnend versuchte ich mich ein wenig nach oben zu stemmen um mich dann umsehen zu können. Überall lagen Scherben und Trümmerteile, gemischt mit Blut das über den Boden verteilt war. War es mein eigenes? War es das von Sam?

Kaum hatte ich an ihn gedacht rappelte ich mich ganz hoch, wobei ich dabei nur von der Verzweiflung und Panik angetrieben wurde. Er musste okay sein, ihm durfte nichts passiert sein! Ich würde es nicht überleben wenn Sam mich ebenfalls verließ. Alleine würde ich das damals schaffen. Alleine wollte ich es auch gar nicht schaffen.

Ich musste nicht lange suchen sondern fand ihn reglos am Boden liegen, nicht weit von mir entfernt. Sofort rief ich seinen Namen, doch natürlich reagierte er nicht darauf. Sofort wollte ich deshalb zu ihm, nachsehen ob er noch lebte. Weinend kroch ich deshalb zu ihm wo noch mehr Blut zu finden war.

„Sam? Kannst du mich hören?", fragte ich, auch wenn ich mich selbst kaum hören konnte. Wann hörte dieses dämliche Klingeln wieder auf?

Ich legte zwei Finger an seinen Hals, doch ich zitterte so stark, dass ich nichts spüren konnte. Er musste aber einfach noch am Leben sein! Doch wenn er keine Hilfe bekam konnte sich das auch bald ändern. Ich musste jemanden holen und zwar sofort.

Meine Beine waren wie aus Gummi und immer wieder knickte ich ein als ich versuchte aufzustehen. Kriechend schleppte ich mich deshalb nach draußen, wo ich dann endlich doch auf die Beine kam und wankend durch die Gegend lief. Ich schrie um Hilfe, immer und immer wieder, doch ich hörte keine Antwort. Doch ich wollte nicht aufgeben und lief deshalb einfach immer weiter, wobei mir Rauch die Sicht versperrte. Erst da merkte ich, dass es im Haus neben uns brannte.

„HILFE!", brüllte ich mit aller Kraft und sank dann erst auf die Knie, ehe ich zur Seite umkippte. Im Augenwinkel konnte ich noch ein paar Gestalten erkennen, danach wurde wieder alles schwarz.

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete wusste ich sofort, dass etwas anders war. Ich befand mich nicht mehr im Siegerhaus und auch nicht auf der Straße. Stattdessen waren hier vier weiße Wände die alle unglaublich steril wirkten. Ein Krankenzimmer.

„Sam.", erinnerte ich mich sofort und schnell versuchte ich mich aufzusetzen. Ein Gurt um meinen Bau und ein Schlauch in meinem Arm hielten mich auf.

„Da bist du ja endlich. Ich warte seit drei Stunden darauf, dass du endlich aufwachst.", ertönte eine Stimme neben mir und als ich meinen schmerzenden Kopf zur Seite drehte blickte ich in das Gesicht der Anführerin. Mir fiel auf, dass ich ihren Namen noch gar nicht kannte.

„Wo ist Sam?", krächzte ich.

„Weißt du, ich hatte eigentlich soweit abgeschlossen mit der Sache. Ich dachte mir, ich sollte einfach aufhören darüber nachzudenken und mich stattdessen auf den wahren Feind konzentrieren. Und dann kommst du.", begann sie und ich konnte sie nur verwirrt anblicken. Wovon bitte sprach sie?

„Sagt dir der Name Maric Jones etwas?", fragte sie, als sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah.

„Ich glaube nicht... Ich bin mir nicht sicher... Oder doch. War das nicht der Junge im Finale der 73. Hungerspiele? Der aus Distrikt 7?", erwiderte ich und als ich an den Distrikt dachte, musste ich unweigerlich die Frau ansehen, die neben meinem Bett saß. Es musste eine Verbindung zwischen den Beiden geben, sonst hätte sie mich das nicht gefragt.

„Genau der. Ich bin seine Schwester. Besser gesagt, ich war seine Schwester."

Ich versuchte zurück an diese Spiele zu denken. Der blonde Junge hatte sich gut geschlagen, verlor dann aber gegen Damir. Weil er sich nicht an die Regeln halten und dem Kapitol keinen blutigen Kampf liefern wollte. Er hatte ihn mit einem Messerwurf getötet. Hatte man eine Familie gesehen? Ich glaubte schon. Zumindest war da wirklich ein Mädchen, das interview wurde, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.

„Das tut mir leid.", sagte ich leise.

„Lüg nicht! Dir tut es überhaupt nicht leid! Du bist doch froh, dass er tot ist, da sonst dein Damir nicht mehr am Leben wäre!", zischte sie mich an.

„Natürlich bin ich froh, dass er gewonnen hat! Genauso wie du froh darüber gewesen wärst wenn dein Bruder gewonnen hätte! In den Spielen ist man egoistisch! Man will gewinnen und als Zuschauer will man auch dass diejenigen gewinnen, die man liebt.", rechtfertigte ich mich, worüber sie nachzudenken schien.

„Ich habe versucht Damir umzubringen. Damals, bei der Tour der Sieger. Ich hatte es perfekt geplant aber trotzdem ging es schief. Der Friedenswächter, dem ich die Waffe geklaut hatte, wollte mich die Konsequenzen dafür spüren lassen. Mein Onkel kam und hat ihn getötet um mich zu retten. Danach konnte ich untertauchen, doch die anderen Friedenswächter fanden mich und sperrten mich ein. Ich bekam keine Todesstrafe, stattdessen sollte ich in einer Zelle verrotten. Um immer wieder vor Augen geführt zu bekommen, warum ich es getan habe und wie ich gescheitert bin. Dort säße ich vermutlich noch immer, wäre Katniss nicht gekommen und hätte Aufstände ausgelöst.", begann sie mir zu erzählen, wobei ich eine regelrechte Gänsehaut bekam und sie nur geschockt anblicken konnte. Finnick hatte sich geirrt, die hier konnte ich sofort als verrückt bezeichnen. Verrückt und durchgeknallt.

„Ich habe unglaublich wegen seines Todes gelitten! Und das ist nur die Schuld von Damir! Er soll genauso leiden wie ich gelitten habe.", knurrte sie plötzlich.

„Es ist nicht die Schuld von Damir. Er hat die Hungerspiele nicht ausgerufen und hat auch nicht die Arenen gebaut. Er zieht nicht jedes Jahr 24 Kinder und Jugendliche und schickt damit 23 in den Tod.", erinnerte ich sie ebenfalls energisch. „Es ist das Kapitol! Das Kapitol tut uns das alles an und das Kapitol ist es auch, das deinen Bruder auf dem Gewissen hat! Wir haben doch denselben Feind, wieso willst du deinen eigenen Krieg führen?"

Die letzten Worte kamen aus meiner Verzweiflung heraus da mir bewusst war, was sie mit ihren Worten meinte. Damir hatte nur mich und nur mit mir konnte man ihm schaden. 

Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt